Mein Deutschland:Ganz Europa fiebert mit

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Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, sprach am 25. Juni 2013 auf dem Wirtschaftstag 2013 des CDU-Wirtschaftsrates in Berlin. (Foto: dpa)

Aufregung in Italien und historische Empfindsamkeit in Deutschland.

Eine Kolumne von Giovanni Marial Del Re

Mit großer Sorge hat Italien die Verhandlung beim Verfassungsgericht in Karlsruhe über das Programm für unbegrenzte Staatsanleihekäufe der EZB (OMT) beobachtet. Es geht ausgerechnet um die berühmte "Bazooka" gegen die Euro-Krise, die die Märkte bis jetzt beruhigt hat. Schon wieder hängt der ganze Euro-Raum an der Entscheidung deutscher Richter. Wie kann das sein? Die größten italienischen Zeitungen haben literweise Druckerschwärze verbraucht, um auf diese "deutsche Anomalie" zu schimpfen. Viele Kommentatoren wittern einen neuen Versuch, die Euro-Rettung und die Unterstützung der Krisenländer zu stoppen.

Besonders spannend war deshalb für die italienische Presse das sogenannte Duell zwischen dem Bundesbankpräsidenten (und OMT-Gegner) Jens Weidmann und dem EZB-Mitglied (und OMT-Befürworter) Jörg Asmussen. Italienern (und anderen Europäern auch) ist es unverständlich, worum es hier in Wirklichkeit geht. Sie übersehen völlig die Bedeutung des Grundgesetzes und des Verfassungsgerichtes als Schutzwall für die Demokratie in einem Land, das die Nazi-Diktatur erlebt hat. Vergebens habe ich versucht, meinen Landsleuten zu erklären, wie tief in der deutschen Öffentlichkeit die Erinnerung an das berüchtigte Ermächtigungsgesetz des Jahres 1933 sitzt, das die grausame Hitler-Herrschaft ganz "legal" ermöglichte. Deshalb kann heute jeder Bürger in Deutschland das Verfassungsgericht anrufen, um die Demokratie zu verteidigen. In Italien dagegen darf das Verfassungsgericht ausschließlich von Institutionen, Regierungs- oder Parlamentsmitgliedern angerufen werden. Die Deutschen wollen eben sicher gehen, dass die souveränen, demokratischen Rechte ihres Parlaments von niemandem, auch nicht von EU oder EZB, infrage gestellt werden.

Das ist die kulturelle und historische Empfindlichkeit der Deutschen, auf die Finanzminister Wolfgang Schäuble vor Kurzem hingewiesen hat. Die italienischen Medien haben ziemlich aufgeregt reagiert, als er meinte, selbst EZB-Präsident Mario Draghi könne das nicht verstehen, "weil er Italiener ist". Es war gar nicht abschätzig gemeint, wurde mir in Berlin versichert. Es ist nun mal so: Es ist gar nicht einfach für Nichtdeutsche, die deutsche Seele zu verstehen.

Giovanni Maria Del Re arbeitet für die italienische Tageszeitung Avvenire.

© SZ vom 29./30.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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