Mein Deutschland:Freunde wollt ihr sein?

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Der italienische Premierminister Enrico Letta während einer Pressekonferenz am 27. November 2013 im Palazzo Chigi in Rom. (Foto: AFP)

Der italienische Premierminister Enrico Letta warnt die Deutschen.

Eine Kolumne von Giovanni Maria Del Re

Wenn man messen will, wie schlecht die Stimmung in Europa ist - und wie tief die Spaltung zwischen Nord und Süd -, dann sollte man sich die diametral entgegengesetzten Reaktionen auf das vor wenigen Tagen angekündigte EU-Verfahren gegen Deutschland wegen seiner Exportüberschüsse anschauen. Der Bericht der EU-Kommission dazu hat Emotionen hervorgerufen, die als Lackmustest der Gefühle in Deutschland, Italien und anderen Ländern (vor allem Frankreich) nach fünf Jahren Krise dienen können. Vergebens versicherte Kommissionspräsident José Manuel Barroso mehrmals, Brüssel wolle in keiner Weise Deutschlands Erfolg kritisieren. Dieser sei wichtig und gut für ganz Europa. Aber es wolle auf die geringen Investitionen im Inneren und den viel zu niedrigen Inlandsverbrauch hinweisen.

Die meisten deutschen Kommentatoren und Politiker haben Barroso völlig ignoriert oder bewusst missverstanden. "Deutschland am Pranger wegen seines Erfolgs" titelten - irreführend - so manche Tageszeitungen. Es klinge, als würden der FC Bayern und Borussia Dortmund in Deutschland schlechteren Fußball spielen müssen, "nur damit kleinere Vereine bessere Chancen auf die oberen Plätze der Tabelle haben", wetterte der CSU-EU-Abgeordnete Markus Ferber.

In Italien war die Reaktion nicht minder abwegig. "Endlich hat Brüssel erkannt, dass Deutschland von der Eurokrise auf unsere Kosten profitiert" - war in vielen italienischen Zeitungen zu lesen. Und Premierminister Enrico Letta warnte: "Den Deutschen habe ich gesagt, wenn ihr so weitermacht, werdet ihr rund um euch eine wirtschaftliche Wüste haben, die irgendwann auch euch schwächen wird." Es ist ein sinnloser und verantwortungsloser Krieg der Worte zwischen befreundeten Völkern, der bedenklich stimmen sollte - gerade jetzt, wo wir kurz vor dem Gedenkjahr 2014 stehen, 100 Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs.

Giovanni Maria Del Re ist Europa-Korrespondent der Zeitung Avvenire.

© SZ vom 30.11/01.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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