Mein Deutschland:"Es sei!", sprach der Sultan

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Das undatierte Foto der Bundeswehr zeigt das Flugabwehrraketensystem Patriot während einer Übung in Bodö/Norwegen. Bundesverteidigungsminister de Maizière kündigte am 19. November 2012 an, Deutschland werde eine Bitte der Türkei um "Patriot-Flugabwehrraketen" solidarisch prüfen.   (Foto: dpa)

Wenn das Land der Mercedes und BMW nun zum Land der Patriot-Raketen mutiert.

Aktham Suliman

Das Schicksal meinte es bisher gut mit den Deutschen. Dem Konfliktherd Nahost waren sie - anders als Ex-Kolonialmächte wie Großbritannien, Frankreich und Italien oder Weltmächte wie die USA - militärisch ferngeblieben. Das Schicksal hatte jedoch offensichtlich nicht mit dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan gerechnet. Der Neu-Osmane will mit seiner Forderung nach Patriot -Luftabwehrraketen an der türkisch-syrischen Grenze dem Schicksal einen Strich durch die Rechnung machen. Denn es geht nicht nur um die Nato-Raketen, sondern auch um deren "Bedienungsmannschaft", die aus 170 deutschen "Soldaten" bestehen soll. Das wäre die größte nicht-touristische deutsche Ansammlung in der Südtürkei.

Nun gibt es zugegebenermaßen seit 2002 deutsche Soldaten in Afghanistan und seit dem Hisbollah-Israel-Krieg 2006 auch im östlichen Mittelmeer. Doch nicht von ungefähr nennt sich der erste Einsatz Isaf und der zweite Unifil. Beide Einsätze sind, trotz heftiger Debatten seinerzeit, durch ein UN-Mandat zustande gekommen und legitimiert.

Diesmal ist es anders. Diesmal handelt es sich um eine RTEW-Mission (Recep-Tayyip-Erdogan-Wunsch-Mission). Abgesehen von der Diskussion über berechtigte oder weniger berechtigte Ängste der Türkei und über die Notwendigkeit eines Bundestagsmandats, würde eine solche Mission Deutschland in eine ganz neue Dimension militärischer Präsenz im Nahen Osten katapultieren. Vor mehr als zwanzig Jahren diskutierte man unter Kanzler Helmut Kohl noch über die Anwesenheit eines deutschen Flugingenieurs im Cockpit eines über Saudi-Arabien fliegenden Awacs- Aufklärungsflugzeugs während der Befreiung Kuwaits von irakischen Besatzungstruppen. Vor zehn Jahren entflammte eine Debatte unter dem damaligen SPD-Kanzler Gerhard Schröder über das deutsche "Nein" zum Irak-Krieg. Sogar den Libyen-Konflikt konnte die jetzige Bundesregierung 2011 geschickt umgehen. Deutschland entschied sich dafür, die Nato-Partner an der Afghanistan-Front zu entlasten, anstatt sich mit dem libyschen Nahostfluch zu belasten.

Alles schon Geschichte, ginge es nach Erdogan. Der osmanische Sultan will bösen Zungen zufolge das, was seine Ahnen immer wollten: Soldaten und Steuergeld. Dabei nimmt er sogar in Kauf, dass das "Land der Mercedes und BMW", wie Deutschland in der arabischen Welt genannt wird, zum "Land der Patriot -Raketen und Soldaten" mutiert.

Aktham Suliman ist freier Journalist. Er lebt in Berlin.

© SZ vom 24./25.11.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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