Mein Deutschland:Endlich frei

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Die Welle der Begeisterung, die Deutschland 2006 während der Fußball-Weltmeisterschaft erreichte, ist 2012 auch während der Olympischen Sommerspiele in England zu spüren.

Kate Connolly

Nun weiß ich, was viele Deutsche während des Sommers 2006 gefühlt haben. Einen Stolz auf die eigene Nation, auf ein Event, das die Welt zu einer riesigen Feier des menschlichen Geistes und seiner Kraft zusammengebracht hat. Ich erinnere mich an die Welle der Begeisterung die bei der Fußball-Weltmeisterschaft über Deutschland hinwegfegte. Und jetzt, da die Briten nach Olympia zur Normalität zurückkehren - voller Melancholie und dem Bewusstsein, dass etwas Großartiges ein Ende gefunden hat -, tröstet es mich zu wissen, dass die Nachwirkung der WM in Deutschland von Dauer war.

Der Union Jack und die Olympische Flagge am 11. August 2012 im Olympia-Stadion in London. (Foto: AFP)

Bei der Schlusszeremonie der Spiele zuckte ich bei einigen Auftritten zusammen - etwa als die Spice Girls in ihren Taxis auf die Bühne kamen. Verspüren wir als Nation den Drang, in die 1990er-Jahren zurückzukehren? Und wenn, warum? Land der Beatles , Kinks , Stones und anderer brillanter Bands - und die Organisatoren dachten, sie müssten diese Plastik-Girl-Band aufmarschieren lassen? Dann aber sagte ich mir: Nimm alles nicht so ernst - es war nur ein bisschen Spaß, ähnlich diesem kitschigen, aber amüsanten Moment bei der Eröffnung, als James Bond alias Daniel Craig mit der Queen ins Stadion einschwebte. Der Kommentator der ARD sagte, diese Feier sei - wie London in diesen Tagen allgemein - übermäßig nationalistisch. Aber nur einen Tag später war in einer deutschen Zeitung zu lesen, wer das behaupte, sei nie bei einer Eröffnungsfeier in den USA oder etwa in Peking gewesen.

Nach zwei Wochen Anspannung, Triumph und Bedrückung setzt in Britannien ein Nachdenken ein, was passiert ist - mit einem Gefühl der Befreiung: Dass all das ohne große Fehler und mit vielen Überraschungen über die Bühne gegangen ist. Überraschung darüber, dass das Königreich, das sich jahrzehntelang als eine Nation von Losern gesehen hat, es geschafft hat und dazu viele Medaillen gewonnen hat. Zyniker werden sagen, es lag am Doping, am Wohlwollen der Punktrichter. Wahrscheinlicher ist, dass es an den Unmengen Geld liegt, die in die Sportförderung gepumpt worden sind, am Heimnimbus und an der Unterstützung der eigenen Landsleute.

Ich war selbst schockiert angesichts der Unmenge von Union-Jacks im ganzen Land. Es war ein Nationalismus, wie ich ihn nie zuvor gesehen habe - aber auf eine positive Art. Als hätten die Briten verstanden: Wir sind kein Empire mehr. Aber wir können stolz auf eine gelungene Weltparty sein.

Kate Connolly berichtet für den britischen Guardian aus Berlin.

© SZ vom 18./19.08.12 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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