Mein Deutschland:Ein ungleiches Paar

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Nicolas Sarkozy und Angela Merkel - sie kommen aus zwei verschiedenen Welten.

Pascale Hugues

Was macht ein gutes Paar aus? Man muss nicht die Formel der Liebeschemie kennen, um zu wissen, dass Angela Merkels und Nicolas Sarkozys Herzen nicht im Gleichtakt schlagen. Gegensätze ziehen sich an - dieses Gesetz der Physik scheint derzeit nicht für das deutsch-französische Paar zu gelten, das so schlecht zusammenpasst. Gebeutelt von der Eurokrise, macht es eine schwere Zeit durch.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Nicolas Sarkozy am 14. Juni 2010 im Bundeskanzleramt in Berlin. (Foto: ap)

Nicolas Sarkozy und Angela Merkel, sie kommen von zwei entgegengesetzten Planeten. Die Liste ihrer Unverträglichkeiten ist schier unendlich: Sie, die Tochter eines Pastors, der freiwillig in die DDR kam, um den kommunistischen Boden zu christianisieren. Er, der Sohn eines ungarischen Einwanderers, der in Paris gelandet war, um reich zu werden und Frauen zu erobern. Sie ist in Templin aufgewachsen, einem kleinen Flecken im letzten Winkel der Uckermark. Er verbrachte seine Jugend in Neuilly, im Herzen des alten, reichen und selbstbewussten Frankreichs. Sie mit ihren unvermeidlichen, schlichten Hosenanzügen. Er ganz Rolex, Ray Ban und Mont Blanc, der alles liebt, was glitzert.

Sie mit ihrem Blick der braven, geschlechtslosen FDJ-Führerin, verheiratet mit einem vergeistigten Professor für Quantenchemie. Er, der renommierte Schürzenjäger, der an seiner Seite das formidable Top Model Carla Bruni führt, seine letzte und schönste Trophäe. Sie, die Physikerin, pragmatisch und vorsichtig, die sich Zeit für ihre Entscheidungen nimmt. Er, der Anwalt, impulsiv, voller nervöser Ticks, der die ständige und frenetische Action liebt. "Wir handeln, sie denkt nach . . ." spottet Sarkozy, der mit Volldampf geradeaus fährt, während Merkel zögert.

Kein Funke, keine Komplizenschaft hat jemals diese zwei zusammengeschweißt. Übrigens kenne ich nur ein Paar, dem es derzeit noch schlechter geht: Angela Merkel und Guido Westerwelle.

Merkel und Sarkozy - das ist sicher nicht das erste schwierige deutsch-französische Liebespaar. Man erinnere sich an Kohl und Mitterrand. Alles trennte sie: der Bauchumfang, die Rhetorik, die soziale Herkunft. Kohl liebte Saumagen, den er seinen Staatsgästen servieren ließ. Mitterrand, ganz grand seigneur, zog es vor, heimlich in ein Restaurant am anderen Ende von Paris zu fahren, um dort Ortolans zu verspeisen, diese kleinen, köstlichen Vögel, deren Jagd in Frankreich verboten ist. Und der Händedruck von Verdun, der so historisch wie burlesk war: Kohl, monumental wie ein Landhausschrank, zerrte an seiner Hand den winzigen Mitterrand in seinem eleganten Kaschmirmantel.

Doch Kohl und Mitterrand verband eine gemeinsame und tiefgehende Erfahrung, die Angela Merkel und Nicolas Sarkozy fehlt: Sie hatten beide den Krieg erlebt. Mitterrand als Soldat, Kohl als kleiner Junge in seiner bombardierten Heimatstadt. Die Generation von Merkel und Sarkozy hat vom Krieg nur noch aus Erzählungen erfahren. Sie hat aber auch noch nicht, wie die Jüngeren, von Interrail, vom Schüleraustausch und von Erasmus profitiert.

Die Sprache des anderen haben sie eher schlecht als recht in der Schule gelernt. Merkel hat Frankreich nach dem Mauerfall entdeckt, für Sarkozy war Deutschland terra incognita. Beide haben Europa nicht wirklich gelebt: weder das Europa, das sich vor 70 Jahren zerfleischte, noch das polyglotte Europa ohne Vorurteile, das in diesem Sommer auf den Terrassen der Starbucks-Cafés gemeinsam lacht.

An dieser Stelle schreiben Auslandskorrespondenten über Deutschland. Pascale Hugues arbeitet für das französische Nachrichtenmagazin Le Point.

© SZ von 18.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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