Mein Deutschland:Ein neues Zuhause für Zehntausend

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Außenaufnahme der Landesaufnahmestelle für Flüchtlinge des Landes Baden-Württemberg (LASt) in Karlsruhe. (Foto: dpa)

Giftiges Klima in England beim Thema Einwanderung.

Eine Kolumne von Kate Connolly

Eine Zufallsbekanntschaft mit einem 90 Jahre alten Mann in einem Berliner Krankenhaus hat mich nicht nur bewegt, sondern auch nachdenklich gemacht. "Wenn Europa vor 80 Jahren die gleiche Asylpolitik gehabt hätte wie heute, wäre ich wohl nicht mehr am Leben", erzählte er. Der Mann, ein Jude, erhielt 1938 als 14-Jähriger Asyl in Großbritannien. Andere Mitglieder seiner Familie wurden in den Konzentrationslagern getötet. Jetzt lebt er in einer kleinen Wohnung in Berlin - Pflegestufe I, fast blind, umsorgt von seiner 86 Jahre alten Frau - und ist entsetzt über das Elend der Menschen in Syrien. Er sieht seine eigene Geschichte in deren tragischen Schicksalen reflektiert.

Es ist in der Tat bitter und beschämend, dass Großbritannien, das gleiche Land, das diesem Mann einst Zuflucht gab, sich heute so ziert, wenn es darum geht, wenigstens einem kleinen Teil der 2,3 Millionen syrischen Flüchtlinge zu helfen. Auf Bitten der UN will Deutschland 10 000 Asylbewerber aufnehmen, Frankreich 500, Großbritannien - keine. Dafür verantwortlich ist das giftige Klima dort beim Thema Einwanderung. Zuzuschreiben ist das einem hässlichen Streit zwischen den regierenden Konservativen und der anti-europäischen UKIP.

Blicken wir einmal zurück: 1938, aufgeschreckt durch die "Reichspogromnacht", begann ein junger Londoner Aktienhändler eine Kampagne für eine Lockerung der damaligen Asylgesetze in England. Nicholas Wintons Einsatz führte zu dem "Kindertransport", der letztlich Tausenden jüdischen Kindern aus Deutschland, der Tschechoslowakei, Österreich und Polen das Leben rettete. Nun hat eine Engländerin wieder so eine Kampagne begonnen - "10 000 Homes" ("Ein Zuhause für 10 000") heißt sie. Sie richtet sich an alle jene, die nicht einfach nichts tun wollen, während die Regierung herumeiert, um ihre Wähler nicht zu verprellen. Die Regierung sagt zwar schon lange, dass sie mitfühle, und unterstützt Hilfsorganisationen viel mehr als die meisten Länder. Doch meint sie, dass die Krise in Syrien vor allem nach einer politischen Lösung verlange. Das ist sicher richtig. Doch das hilft den erfrierenden und verhungernden Flüchtlingen nichts, die eine schnelle Lösung brauchen - genau so wie der 90-jährige Berliner damals, als er 14 war.

Kate Connolly berichtet für den Guardian und den Observer aus Berlin.

© SZ vom 25./26.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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