Mein Deutschland:Ehrenvoller Empfang für Adullah Gül

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Die Enttäuschung war groß, denn seine Anliegen wurden nicht erfüllt.

Celal Özcan

Der Besuch des türkischen Staatspräsidenten Abdullah Gül vergangene Woche in Deutschland hinterließ Enttäuschung bei den Türken. Zweifellos wurde er von Bundespräsident Christian Wulff ehrenvoll empfangen. Zuerst die militärische Formation vor Schloss Bellevue, bei der Gül von einem türkischstämmigen Offizier begrüßt wurde, dann der private Boots-Ausflug der beiden Präsidenten mit ihren Gattinnen und nach dem Staatsbankett der gemeinsame Tee in einem türkischen Restaurant in Kreuzberg - das waren Bilder, die eine harmonische Beziehung vermitteln sollten. Die Bombendrohung in der Humboldt-Universität vor Güls Rede war nur eine kurze Störung, die durch Bilder aus Osnabrück und Stuttgart schnell aufgehoben wurde: Nicht nur von den türkischstämmigen Ministerinnen Aygül Özkan und Bilkay Öney wurde Gül auf Türkisch begrüßt, sondern auch von dem mit einer Türkin verheirateten Finanz- und Wirtschaftsminister Baden-Württembergs, Nils Schmid (SPD).

Bundespräsident Christian Wulff (rechts) und der türkische Präsident Abdullah Gül mit ihren Frauen Bettina Wulff (links) und Hayrunnisa Gül bei der Begrüßung. Anschließend fand das Staatsbankett im Schloss Bellevue statt. (Foto: dpa)

Alle diese Bilder verfolgten die Türken in Deutschland sehr aufmerksam. Sie waren angetan, wie der Präsident der Heimat ihrer Vorfahren empfangen wurde. Doch am Ende war ihre Enttäuschung groß. Denn Gül ging leer aus. Seine Anliegen blieben unerfüllt. Weder bei der Visumspflicht noch bei den Sprachtests zum Ehegattennachzug kam man einander näher.

Gül selbst fühlte sich bei seiner Deutschlandreise vom grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann besser verstanden als von der christdemokratischen Kanzlerin Angela Merkel, die seiner konservativen Gesinnung eigentlich näher steht. Denn Kretschmann sprach sich nicht nur für eine vollwertige EU-Mitgliedschaft der Türkei aus, sondern kritisierte auch die Hürden zum Ehegattennachzug. "Eine Neuseeländerin, die hierher kommt, muss erst einmal keinen Sprachtest machen", sagte er, und forderte, bei der Einwanderung dürfe nicht nach Herkunft entschieden werden.

Nicht nur beim Ehegattennachzug wird nach Herkunft behandelt, sondern auch bei den Gebühren für den elektronischen Aufenthaltstitel. Seit dem 1. September 2011 müssen türkische Staatsbürger, die hier geboren und aufgewachsen sind, zwischen 100 und 135 Euro dafür bezahlen, während ein Schweizer oder die Familienangehörigen eines Unionsbürgers nur 28,80 Euro zahlen - so viel, wie ein deutscher Ausweis kostet. Ein Schweizer hat sogar die Wahl: Will er keinen elektronischen Aufenthaltstitel, bekommt er für acht Euro einen Stempel im Pass.

An dieser Stelle schreiben Auslandskorrespondenten über Deutschland. Celal Özcan arbeitet für die türkische Zeitung Hürriyet.

© SZ vom 01./02./03.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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