Mein Deutschland:Buschtaxi nach Timbuktu

Lesezeit: 2 min

Eine nostalgische Rückkehr.

Pascale Hugues

Timbuktu, Djenné, Mopti, diese weit entfernten, honigfarbenen Schönheiten, haben Generationen von Reisenden zum Träumen gebracht. Ihre Moscheen und Mausoleen aus ockerfarbenem Lehm,gespickt mit Holzpfählen, erheben sich einsam am Rande der Sahara. Meisterwerke der Maurerkunst. Mali war mein erstes großes Reiseziel als Studentin, bepackt mit einem Rucksack und "Heart of Darkness" von Joseph Conrad in der Tasche. Meine wundersame Entdeckung Afrikas. Mali, dieses Scharnier zwischen der Welt der Nomaden und Sesshaften. Nach stundenlanger Fahrt im Buschtaxi voller Staub und bei drückender Hitze erschienen plötzlich diese phantastischen Bauwerke am Horizont. Klare Linien, stolz, anderen den Atem zu rauben, erhoben sich in der Wüste himmelwärts.

Wie die in Timbuktu zerstörten Mausoleen gehört die Falaise von Bandiagara, Mali, zum Weltkulturerbe der UNESCO, aufgenommen am 11.01.2012. Im Norden Malis sind die Menschen auf der Flucht. Insgesamt seien fast 200 000 Menschen aus Mali in die Nachbarländer geflohen, so das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR. (Foto: dpa)

Jetzt haben die radikalen Islamisten begonnen, sie zu zerstören, systematisch, eines nach dem anderen. Sie hauen mit Spitzhacken und Meißeln auf die Grabstätten und Stelen ein. Und das nur weil diese Ansammlung von Städten - einst geistige Zentren des Islam - zu Ehren muslimischer Gelehrter errichtet wurden. Die bewaffneten Islamisten aus Nord-Mali dulden nur die Anbetungeines Gottes: Allah. Alles andere läuft ihrem Glauben zuwider, ist Blasphemie.

Vielleicht weil ich mich seit Monaten mit Bildern von Berlin um 1945 beschäftige, bin ich so berührt von dem, was in Mali passiert. Die Straßen Berlins in Ruinen, Skelette von Mietshäusern, die sich in einem gigantischen Feld voller Bauschutt aufrecht halten. Es ist ein bisschen von dieser Trostlosigkeit und Verzweiflung, die ich mir heute in Timbuktu vorstelle. Die gleiche Zerstörungswut, hervorgerufen durch völlig unterschiedliche Motive und unter nicht zu vergleichenden Umständen. Aber im heutigen Timbuktu - genauso wie in Berlin, Coventry, Le Havre, in so vielen europäischen Städten während des Zweiten Weltkriegs - war es ein architektonisches Erbe, das steinerne Gedächtnis vieler Jahrhunderte, daszerstört wurde.

Ich hatte mir geschworen, in einigen Jahren noch einmal nach Mali zu reisen, um Timbuktu, Djenné und Mopti wiederzusehen. So, wie man beschließt, nachdem das Leben seine Spuren hinterlassen hat, einen Roman wiederzulesen, den man mit 20 Jahren geliebt hat. Eine nostalgische Rückkehr, die zweifellos nicht mehr möglich sein wird, wenn die Islamisten ihrer Zerstörungswut weiter freien Lauf lassen. Und wir sind ihnen sogar dabei behilflich. Die Einstufung als Weltkulturerbe, vergeben von der Unesco, erscheint dieser Tage wie ein lächerliches Label, aufgeklebt von einer Splittergruppe von internationalen Funktionären, die es sicher gut gemeint haben, nur leider total ohnmächtig sind. Entsetzt fürchten wir nichts anderes, als dass wir bald, nach stundenlanger Fahrt im Buschtaxi voller Staub und in der Hitze, nichts weiter vorfinden werden als einen kümmerlichen Haufen voller Ruinen am Rande der Sahara.

Pascale Hugues arbeitet für das französische Nachrichtenmagazin Le Point.

© SZ vom 28./29.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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