Mein Deutschland:Angela Merkel ist das Gegenteil von Nicolas Sarkozy

Lesezeit: 2 min

Die Franzosen ziehen ihren Hut vor der deutschen Bundeskanzlerin.

Pasacle Hugues

Im sintflutartigen Regen der Kritiken, die seit Wochen auf Angela Merkel niederprasseln, ist eine kleine Umfrage aus Frankreich in Deutschland unbeachtet geblieben. Während die Deutschen an Angela Merkels Krisenmanagement zweifeln und die alten Elefanten des politischen Betriebs - Helmut Kohl an der Spitze - ihren Führungsstil als ziellos, zögerlich und opportunistisch geißeln, und während die Wähler in Mecklenburg-Vorpommern und anderswo die Allianz, die in Berlin an der Macht ist, bestrafen, ziehen die Franzosen ihren Hut vor der deutschen Bundeskanzlerin. Eine Studie, die vor einigen Tagen erschienen ist, enthüllt, dass die Franzosen Angela Merkel eher als Nicolas Sarkozy zutrauen, die Euro-Krise zu lösen.

Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy traf am 20.07.2011 Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Berlin. Im Chaos des weltweiten Börsengewitters proben Deutschland und Frankreich den Schulterschluss. Paris steht wegen seines erlahmenden Wirtschaftsachstums mit dem Rücken zur Wand. Kanzlerin Merkel wird dabei von den Franzosen plötzlich mit völlig neuen Augen gesehen. (Foto: dpa)

"Das Gras auf der anderen Seite des Zauns ist immer grüner", besagt ein englisches Sprichwort. Selbstverständlich ist es nicht das erste Mal, dass eine politische Persönlichkeit bei Ausländern besser abschneidet als bei den Bürgern seines eigenen Landes. Erinnern Sie sich doch an Michael Gorbatschow. In Russland verhasst - in den Hauptstädten des Westens begrüßt wie der Messias. Nehmen Sie Jack Lang, François Mitterrands ehemaligen Kulturminister. Aus französischem Blickwinkel der unerträgliche Archetypus der "Kaviar-Linken" , jenes Sozialismus, der sehr weit von den Menschen entfernt ist, die er repräsentieren möchte. Aus deutscher Sicht ist er ein Feingeist par excellence, einer jener engagierten Intellektuellen, von denen das Feuilleton träumt. An der Seite dieses glänzenden Schönlings machen die Repräsentanten der deutschen Kultur eine ziemlich provinzielle Figur. Und Helmut Kohl? Er ist in Frankreich unantastbar. Ich erinnere mich an die Meinung, die ein berühmter französischer Leitartikler inmitten der Parteispendenaffäre äußerte: Was ist schon ein kleiner Kratzer auf einem so prächtigen europäischen und politischen Denkmal?

Aber welchen Narren haben die Franzosen an Angela Merkel gefressen, werden Sie sich fragen. Sie verkörpert alles, was der politischen Klasse in Frankreich fehlt. Sie ist nüchtern, sachlich, pragmatisch, ruhig, aufrichtig. Sie spricht eine einfache Sprache. Sie lebt ein einfaches Leben. Keine Korruptionsaffären, keine Seitensprünge. Keine glitzernde Rolex an ihrem Handgelenk. Kein Topmodel an ihrer Seite. Angela Merkel ist das Gegenteil von Nicolas Sarkozy, aber auch von Dominique Strauss-Kahn, Jacques Chirac, François Mitterrand. Jener Spezies des männlichen Politikers, von denen die Franzosen die Nase voll haben.

Und die Deutschen? Träumen sie nicht davon, von schillernderen Persönlichkeiten regiert zu werden, die nicht zögern zu handeln, von politischen Visionären? Von eleganten und feinen Rhetorikern, die Deutschland auf dem internationalen Parkett besser repräsentieren als Guido Westerwelle? Die die Zügel fester im Griff haben als Angela Merkel? Die kurze aber heftige Vernarrtheit in Karl-Theodor zu Guttenberg ist die fast karikaturhafte Illustration dieser Sehnsucht. Einer Sehnsucht, die Angela Merkel nicht erfüllen kann.

Aber seien Sie versichert: Nicolas Sarkozy, Jack Lang und Dominique Strauss-Kahn auch nicht!

An dieser Stelle schreiben Auslandskorrespondenten über Deutschland. Pascale Hugues arbeitet für das französische Nachrichtenmagazin Le Point (Foto: Nelly Rau-Häring).

© SZ vom 17./18.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: