Mein Deutschland:Ab in die Mottenkiste!

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Klaus Willberg, Geschäftsführer der Thienemann Verlag GmbH, zeigt am 08.01.2013 in Stuttgart (Baden-Württemberg) während eines Fototermins auf eine Passage des Kinderbuchs "Die kleine Hexe" von Otfried Preußler. Der Begriff "Negerlein" soll in einer überarbeiteten neuen Version des Kinderbuchs ersetzt werden. (Foto: dpa)

Kinder bringen das mit, was sie zu Hause gelernt haben.

Kate Connolly

Als ich klein war, war ich stolze Besitzerin eines Golliwogs, einer Jungenpuppe, die aussah wie ein Kellner, mit gestreiften Hosen, Frack, dicken schwarzen Locken und schwarzem Gesicht. Irgendwann in den späten 70ern oder frühen 80ern verschwand er aus meiner Spielzeugkiste. Auch "blackjack", Süßigkeiten mit Anisgeschmack, mit einem Golliwog auf dem Einwickelpapier, gab es nicht mehr. Etwa zur gleichen Zeit wurde ein schwarzer Charakter namens Mr Golly aus den "Noddy" Kinderbüchern von Enid Blyton getilgt, weil man die Figur für rassistisch hielt. Das alles kommt mir zur "Neger"-Diskussion in Deutschland in den Sinn.

Obwohl ich nur Gutes darin sehen kann, ein Wort, das so veraltet ist wie "Neger", aus Otfried Preußlers Kinderbuch "Die kleine Hexe" zu streichen, war ich für alle Sichtweisen offen. Und doch war ich überrascht, wie einseitig diese waren - meist geschrieben von weißen Männern - und wie oft ihre Kommentare sich nicht auf den Kernpunkt konzentrierten, Rassismus nämlich. Es gab viele Stimmen, die darauf bestanden, dass es nicht rassistisch sei, das Wort "Neger" in einem Kinderbuch zu behalten, obwohl wir im Jahre 2013 leben und nicht 1953. Aber sehr wenige fragten sich selbst, "wer bin ich eigentlich, dass ich sagen darf, es ist rassistisch oder nicht."

Ich war sehr berührt durch die Erzählung von Mekonnen Mesghena, der den Herausgebern der "kleinen Hexe" geschrieben hatte, um sich über das Wort Neger zu beschweren. Er erzählte mir, dass sich seine sieben Jahre alte Tochter auf dem Spielplatz von anderen Kindern als "Negerkuss" hänseln lassen müsse. Lehrer sagten ihm, sie könnten nichts dagegen tun, da die Kinder "nur das mitbringen, was sie zu Hause gelernt haben" - und das im bürgerlichen Berliner Stadtteil Charlottenburg! Als er seiner Tochter beibrachte, wie sie sich wehren könnte, konterte sie und nannte die Kinder "Käse". Worauf die Lehrer sich bei Herrn Mesghena beschwerten, dass seine Tochter andere Kinder beleidige.

Als ich jüngst in meiner Bäckerei um die Ecke war, fragte ein Mann nach "Negerküssen". "Ich glaube, Sie meinen Mohrenköpfe", belehrte ihn die Verkäuferin. Vielleicht werden sie ja eines Tages beide "Schaumküsse" sagen.

K ate Connolly ist Korrespondentin des Guardian und des Observer in Berlin.

© SZ vom 09./10.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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