9. März 2009:Fahndung mit Folgen

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Warum der Haftbefehl gegen Omar el-Baschir zwar keinen Frieden schaffen, aber etwas bewirken kann. Gerhart Baum über das Urteil des Strafgerichtshofs und zur Lage in Darfur.

"Der Haftbefehl gegen Sudans Präsidenten Omar al-Baschir wird die schrecklichen Probleme im Land nicht lösen, das ist richtig ("Stochern im Wespennest", 6. März). Er schafft keinen Frieden. Aber er ist zur Zeit die einzige, wenn nicht letzte Chance, die Voraussetzungen für den lang ersehnten Frieden zu verbessern.

Ein Schritt zum Frieden? Die Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofes eröffnet eine neue Chance für politische Initiativen, denkt der Autor. (Foto: Foto: dpa)

Baschir mag vorübergehend durch Solidaritätskundgebungen gestärkt sein. Aber schon in den letzten Monaten - als der Haftbefehl drohte - war seine Stellung geschwächt. Auch die südsudanesischen Mitglieder seiner Regierung stehen nicht voll hinter ihm. Sie haben gefordert, die von ihm verfügte Ausweisung von Hilfsorganisationen rückgängig zu machen.

Es ist die Hölle

Die Lage in Darfur hat sich seit sechs Jahren kontinuierlich verschlechtert. Es ist die Hölle. Die Menschen sind marodierenden Reitermilizen, hoch aufgerüsteten Regierungstruppen und sich immer weiter zersplitternden Rebellengruppen und dazu der unwirtlichen Wüste ausgeliefert. Die Welt lässt sie im Stich, Frieden ist nicht in Sicht. Es wächst die mörderische Anarchie. Etwa 300.000 Menschen sind tot, über drei Millionen vegetieren in Lagern.

Unzählige Konferenzen sowie Friedens- und Waffenstillstandsabkommen blieben ohne Wirkung, auch die zahlreichen Resolutionen des Sicherheitsrats. Die afrikanische Schutztruppe bewirkt wenig - trotz ihrer imponierenden Anzahl von 26.000 Mann. Nicht zuletzt wegen mangelnder Ausrüstung.

Von Anfang an war klar: Der Schlüssel für eine Veränderung liegt bei der Regierung in Khartum. Sie trägt die Hauptverantwortung. Es ist ein Versagen der Völkergemeinschaft, Khartum in all den Jahren nicht stärker unter Druck gesetzt zu haben. An Erklärungen hat es nicht gefehlt. Allein die europäischen Außenminister haben im Laufe der Jahre 26 Stellungnahmen abgegeben. Sie haben aber nicht die Kraft aufgebracht, Sanktionen zu verlangen beziehungsweise durchzusetzen. Es fehlt bis heute an entschlossen gemeinschaftlichem Handeln. Khartum konnte sich stets auf die Uneinigkeit der Völkergemeinschaft, vor allem auf die unterstützende Rolle von China und Russland verlassen.

So war es wahrlich ein historischer Schritt, als der Sicherheitsrat im Jahre 2004 dem Strafgerichtshof das Mandat in Sachen Sudan erteilt hat. Auf dieser Grundlage ist jetzt der Haftbefehl ergangen. Es ging und geht um eine Bewährungsprobe des Gerichts, jetzt aber auch um eine Bewährungsprobe der Staaten, die das Gericht tragen. Dazu gehören 30 afrikanische Staaten.

Drei von ihnen - Kongo, Uganda und die Zentralafrikanische Union - haben das Gericht in der letzten Zeit ihrerseits zur Lösung interner Konflikte zu Hilfe gerufen. Bischof Tutu hat die Führer Afrikas jetzt dringlich aufgefordert, sich auf die Seite des Rechts zu stellen und eine Kampagne gegen das Gericht zu unterlassen. Khartum hat bisher jede Zusammenarbeit mit dem Gerichtshof verweigert und Haftbefehle gegen Vertraute Baschirs einfach negiert.

Konfliktlösung als Prozess

Der Haftbefehl gegen Baschir wird die Lage zunächst verschärfen, wie die Ausweisung der Hilfsorganisationen zeigt. Aber es regt sich Protest. Und dies ist die Lage: Friedensverhandlungen, die diesen Namen verdienen, können nicht gestört werden: Es gibt sie nicht. Es kommt auch in erster Linie nicht darauf an, dass Baschir verhaftet wird. Der Gerichtsentscheid kann Politik nicht ersetzen, aber politische Prozesse auslösen.

Wenn China und Russland jetzt den Sicherheitsrat anrufen, um den Haftbefehl für ein Jahr auszusetzen, kann der Westen, wenn er überhaupt diesem Weg folgt, Bedingungen stellen. China und Russland muss entschieden entgegengehalten werden, dass sie den Konflikt durch ständige Waffenlieferungen angeheizt haben. China hat jetzt eine Schlüsselrolle bei der Lösung des Konflikts. Es hat die stärksten wirtschaftlichen Beziehungen zum Sudan.

Der Sudan braucht einen umfassenden Frieden, der alle Regionen des großen Landes umfasst. Nicht nur in Darfur gibt es krisenhafte Entwicklungen. Der Friedensprozess zwischen dem Norden und dem Süden des Landes muss endlich umgesetzt werden. Allerdings ist nicht damit zu rechnen, dass die für 2009 für das ganze Land vorgesehenen freien Wahlen stattfinden können.

Wie könnten die Millionen von Flüchtlingen überhaupt an Wahlen teilnehmen? Der Frieden muss von unten aufgebaut werden durch Versöhnungsprozesse zwischen den Stämmen - unter anderem zwischen den Sesshaften und den Nomaden. Keine Seite wird durch Waffen siegen - auch die Rebellen nicht.

Die Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofes eröffnet eine neue Chance für politische Initiativen. Die Verantwortung für das Unheil Darfur hat jetzt einen Namen: Omar al-Baschir."

Gerhart Baum Köln

Der ehemalige Bundesinnenminister war von 2001 bis 2003 UN-Sonderberichterstatter für den Sudan.

© SZ vom 10.03.2009/sus - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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