Faultiere:Nur keine Eile

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In Costa Rica gibt es ein Heim für verletzte Faultiere. Dort lebt Buttercup. Am liebsten hängt sie einfach nur rum.

Luisa Seeling

Faultiere lassen es ganz langsam angehen. Etwa, wenn sie eine Straße überqueren. Da wird man schon vom Hinschauen ungeduldig. Wie in Zeitlupe kriecht das Faultier über den Asphalt. Umständlich hebt es erst den linken Vorderfuß. Setzt ihn ab. Dann den rechten. Absetzen. Umschauen. Blinzeln. Vielleicht nickt es sogar kurz ein. Bloß keine Eile! In der Zeit, in der ein Hund schon dreimal um einen Häuserblock gelaufen ist, schafft das Faultier ein paar Meter. Höchstens.

Trotzdem ärgert sich Judy Avey-Arroyo darüber, dass die Tiere "Faultiere" heißen (und das in vielen Sprachen). Denn eigentlich sind Faultiere gar nicht faul - sondern Weltmeister im Energiesparen. Kaum jemand kennt sich so gut mit Faultieren aus wie Judy Arroyo. Sie betreibt ein Tierheim speziell für diese Tierart. Es liegt in Costa Rica, einem Land in Zentralamerika. Im Lauf der Jahre hat sie fast 600 Faultiere aufgenommen.

Dabei wusste Judy Arroyo nichts über diese Tiere, als sie Buttercup kennenlernte. Der Name ist Englisch, man spricht ihn "Batterkapp" aus. Übersetzt heißt er Butterblume. Vor mehr als 20 Jahren brachten Nachbarkinder das Baby-Faultier zu Judy Arroyo. Sie hatten es an der Straße gefunden. Die Mutter war überfahren worden. Judy und ihr Mann nahmen es auf und tauften es. Sie pflegten und fütterten Buttercup mit zarten Blättern. So fing alles an. Bald sprach sich herum, dass die Arroyos Faultiere aufnehmen. Die Leute brachten immer mehr verletzte oder verwaiste Faultiere. So wurde aus dem Zuhause der Arroyos mit der Zeit eine Tierstation. Und Buttercup wurde sehr bekannt. Auf Youtube gibt es mehrere Videos, auf der das Faultier zu sehen ist - etwa auf dem Gute-Laune-Clip "Sunshine Reggae". Da sitzt sie entspannt in ihrem Korbsessel und bewegt sich kaum - und das mehr als sechs Minuten lang, tatsächlich arbeitet das Video aber mit einem Trick: Es sind immer wieder dieselben Bilder hintereinandergeschnitten.

Faultiere lieben den tropischen Regenwald. Denn am liebsten baumeln sie einfach im Baum und tun: nichts. Dazu hängen sie sich mit ihren langen Krallen an einen Ast. Das Zweifinger- Faultier hat zwei Krallen an den Vorderfüßen, das Dreifinger-Faultier drei. An den Hinterfüßen haben beide Arten drei Krallen - und alle sind bis zu zehn Zentimeter lang. Mit diesen "Haken" klammern sie sich mit allen Vieren fest. Wie eine lebende Hängematte, Rücken nach unten.

Aber warum sind Faultiere so langsam? Das hat mit ihrer Nahrung zu tun. Die Blätter im Regenwald sind ziemlich arm an Nährstoffen. Sie liefern dem Körper also wenig Energie. Manche Tiere lösen dieses Problem, indem sie besonders viel essen. Das Faultier hat einen anderen Trick: Es bewegt sich kaum - und verbraucht so besonders wenig Energie. Deshalb muss es nur eine Handvoll Blätter am Tag knabbern. Die Verdauung braucht übrigens auch ihre Zeit. Bis zu einem Monat bleibt das Grünzeug im Magen. Faultiere müssen deshalb nur einmal in der Woche "aufs Klo". Das Zweifingerfaultier lässt seinen Kot einfach vom Baum fallen. Das Dreifingerfaultier klettert umständlich vom Baum und legt seinen Haufen auf dem Boden ab. Immer an derselben Stelle. Warum, glauben Forscher zu wissen: An der Kotstelle entwickeln sich Larven und Motten. Die bleiben am Faultier hängen und davon leben dann die Grünalgen, die sein Fell überziehen. Diese Algen wiederum schmecken dem Faultier ganz gut. So haben alle etwas davon. Klingt nicht appetitlich - aber es funktioniert!

Judy Arroyos Faultiere haben die gleichen Hobbys wie ihre Artgenossen in freier Wildbahn: In ihren Gehegen hängen sie gerne an Ästen. Sie schlafen und dösen viel oder kraxeln gemächlich durch eine Art Dschungel-Übungsparcours. Damit sie das Klettern nicht verlernen.

Manche der Heimbewohner haben Narben, oder ihnen fehlt ein Arm oder ein Bein. Das ist der traurige Teil der Geschichte: Die meisten Faultiere, die Judy gebracht werden, sind verletzt. Weil sie eine Straße überqueren wollten und angefahren wurden. Oder weil sie sich an Stromleitungen verbrannt haben. Oder es sind Babys, die ihre Mutter verloren haben.

Früher war die Harpyie, ein starker Greifvogel, der Hauptfeind des Faultiers. Inzwischen ist der Mensch viel gefährlicher geworden, denn er holzt den Regenwald ab, baut Stromleitungen und Straßen. Gegen schnelle Autos hat das langsame Faultier keine Chance. Buttercup hatte Glück. Sie wurde gerettet. Heute ist sie 22 Jahre alt. Ein stolzes Alter für ein Faultier. Am liebsten entspannt sie in einem Korbsessel, knabbert ein paar Blätter oder tut: nichts.

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