Die besten Blogs zum:"MACHTKAMPF IM IRAK"

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Viele Iraker ärgern sich über ihre machtbessenen Politiker.

Zusammengestellt von Janek Schmidt

Diesen Weltrekord empfanden viele Menschen im Irak dann doch als Schande für ihre Nation. Noch nie hatten Parteien in einem Land so lange gebraucht, um eine Regierung zu finden. Auch wenn die Taktierer in Bagdad sich am Mittwoch, acht Monate nach der Parlamentswahl, auf eine Verteilung der Posten einigten, ist der Ärger vieler Iraker über ihre machtbesessenen politischen Vertreter groß, was auch viele Blog-Einträge widerspiegeln.

Ein Iraker in Sulaimaniyah hält ein Portrait des Präsidenten Jalal Talabani. Nach acht Monaten können sich die Parteien im Irak auf die Bildung einer neuen Regierung einigen. (Foto: AFP)

So schwärmt etwa Bassam Sebti, ein irakischer Journalist der auf www.bassamsebti.com den Blog "Treasure of Bagdad" führt, für eine Film-Satire, die sich Tausende von Irakern zuletzt auf dem Internet-Portal Youtube angeschaut haben. "Der Cartoon ist urkomisch", schreibt Sebti über den Zeichentrickfilm mit dem vielsagenden Titel "Demodictatoriyah". Darin schreitet der bisherige und designierte künftige Premier Nuri al-Maliki zur Musik vom Rosaroten Panther auf eine Bühne und rezitiert dort ein Gedicht: "Der Premierposten ist meiner/ Widerstand dagegen überlebt keiner", frohlockt er unter lautem Beifall. Doch wie gering die Begeisterung des Publikums wirklich ist, erkennt der Zuschauer, als die Kamera nach Malikis Auftritt in die leere Halle schwenkt, wo nur eine Hand auf den Stoppknopf eines Kassettenrekorders drückt - und damit das Klatschen vom Band verstummt.

Auch der Politik-Student Hayder al-Khoei klagt über Heuchelei in Bagdad. In seinem Blog "Eye Raqi" auf www.eyeraki.blogspot.com schreibt er, der schiitische Maliki "hat sein Ansehen und seine Glaubwürdigkeit nur gewonnen, weil er die Schiitien-Milizen in Bagdad und im Süden des Landes angriff und so der Welt bewies, dass er Kriminelle aus dem schiitischen Lager genauso leidenschaftlich bekämpft wie die aus dem sunnitischen." Doch diese schiitischen Sadristen, die Maliki vor knapp drei Jahren so entscheidend schwächte, hatten bei der Parlamentswahl überraschend gut abgeschnitten und akzeptierten nach Intervention der ebenfalls schiitischen Regierung in Iran eine neue Zusammenarbeit mit Maliki. "Diese verlogene Koalition ist gefährlich für Iraks Demokratie", warnt nun der Blogger Khoei.

Etwas nüchterner ist die Analyse des Historikers Reidar Visser. Nach dessen Studium der irakischen Geschichte in Oxford ist er einer der versiertesten Beobachter des Landes. Auf www.historiae.org schreibt er, dass sich Maliki und sein politischer Widersacher Ijad Allawi, den viele Sunniten unterstützten, im vergangenen Monat einen Wettstreit um die Gunst der Kurden geliefert hätten. Doch bei diesem Buhlen hatte Allawi schlechte Aussichten, da sein Bündnis Irakija die wenigsten der 19 von den Kurden geforderten Punkte zur Ausweitung ihrer Autonomie mitgetragen hatte. Schließlich habe sich auch im Ausland keines der Wunder ereignet, auf die Iraqija bis zuletzt gehofft hatte, schreibt Visser. Weder Vermittlungsversuche der syrischen Regierung, noch eine überraschende Intervention des UN-Sicherheitsrats und auch nicht die Veröffentlichung der irakischen Geheimpapiere durch Wikileaks konnte Irakija helfen. "Und jetzt, da die Kongresswahlen in den USA vorüber sind, erkennen die Anführer von Irakija wohl, dass Washington auch nach der Wahl nicht verstärkt in Bagdad intervenieren wird", schreibt Visser. Die USA hätten lange auf eine Machtteilung von Maliki und Allawi gehofft. Doch hätte auch Washington nie erklären können, wie eine solche Verfassungsänderung vor der Zusammensetzung des Parlaments und einer Regierung hätte funktionieren sollen, schreibt Visser: "Es ist Zeit, aufzuhören zu glauben, dass Washington eine Alternative aufweisen kann."

© SZ vom 12.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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