Die besten Blogs zu:FÜNF EURO FÜR HARTZ IV

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Das ist nicht der Warenkorb, den man braucht.

Ausgewählt von Malte Conradi

Noch ist nichts entschieden, die Neuregelung der Hartz IV-Regelsätze muss schließlich noch durch den Bundesrat, in dem die Regierung auf Stimmen der Opposition angewiesen ist. Doch die Diskussionsfreude der Blogger ist schon jetzt selten groß. Auffallend häufig stoßen in den Kommentarspalten Hartz-IV-Empfänger und Studenten aufeinander, die sich genüsslich vorrechnen, mit wie wenig Geld sich auskommen lässt.

Die Erhöhung fällt minimal aus: Schwarz-Gelb will den Hartz-IV-Regelsatz um bis zu 5 Euro im Monat anheben. (Foto: dpa)

Dass die Unterscheidung zwischen Luxus und Grundbedarf wenigstens innerhalb bestimmter Grenzen weiterhin den Leistungsempfängern überlassen bleiben sollte, schreibt Frank Lübberding ( www.weissgarnix.de ). Die Herausnahme des Alkohol- und Nikotinkonsums aus den Regelsätzen sei zwar in erster Linie dem Opportunismus der Regierung geschuldet. "Sie hat aber eine ernstzunehmende Konsequenz: Man ersetzt den sozialpolitischen durch einen moralischen Diskurs. Eine Minderheit wird in Zukunft unter den Primat einer willkürlich definierten moralischen Lebensführung gestellt, die für die Mehrheit nicht gelten soll." Immerhin, so Lübberding, hätten Hartz-IV-Empfänger bislang die Möglichkeit gehabt, das für Alkohol und Zigaretten vorgesehene Geld anderweitig, etwa für Kinderbücher, auszugeben. Solche persönlichen Entscheidungen seien nun nicht mehr möglich.

Generelle Kritik an der Neuberechnung der Regelsätze übt Frederic Hormuth ( www.frederichormuth.wordpress.com ): "Die am beharrlichsten verbreitete Lüge ist, dass Hartz IV-Sätze erstmals daran orientiert seien, was Bedürftige tatsächlich brauchten." Das Statistische Bundesamt habe wertneutral erhoben, wofür die unteren 15 Prozent der Lohnbezieher ihr Geld ausgeben. "Das ist also nicht der Warenkorb, den man braucht, sondern der Warenkorb, den Niedriglöhne gerade noch zulassen." Der Zusammenhang zwischen niedrigen Löhnen und niedrigen Regelsätzen, die sich gegenseitig bedingen, führt viele Blogger und Kommentatoren zur Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn für alle Branchen. Unter der derzeitigen Regierung würden "die einen Opfer dieser Politik (Arbeitslose) gegen die anderen (Niedriglöhner) ausgespielt", schreibt etwa "Anonymus" unter www.der-postillon.com .

Georg Erber legt unter www.readers-edition.de dar, dass die Sicherung des Existenzminimums für alle Bürger kein Almosen, sondern eine Verpflichtung des Staates darstelle. Weder Verweise auf die Staatsverschuldung noch auf das Lohnabstandsgebot, also den Grundsatz, dass Hartz IV immer unter Arbeitslöhnen liegen muss, könnten diese Verpflichtung aushebeln. Fondsmanager und Blogger Manfred Hübner warnt ebenfalls davor, die Regelsätze dauerhaft an die Lohnentwicklung der unteren Einkommensgruppen und an die Inflation zu koppeln ( www.sentix.blogspot.com ) - allerdings aus ganz anderem Grund: Ein großer Teil der Bevölkerung käme dann nämlich - wahrscheinlich jährlich - "in den Genuss automatischer Lohnerhöhungen", was den meisten Arbeitnehmern aus gutem Grund verweigert bleibe. Daraus leitet Hübner die Gefahr ab, dass Löhne und Preise sich gegenseitig hochschaukeln könnten. Und: "Der Anreiz zur Aufnahme von Arbeit würde in geradezu grotesker Weise untergraben."

© SZ vom 30.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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