Debatte@SZ:Hömma, Herr Redakteur

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Den Tonfall einer Online-Debatte bestimmt nicht allein die Nachricht, sondern auch ihre Präsentation. Verkünden Autoren auf ihre ganze eigene Weise, dass Spieler wechseln und Auszeichnungen nicht angenommen werden, kann das beim Leser zu ungeahnten Gefühlsausbrüchen führen.

Von Dirk von Gehlen

Einer der beiden wechselt zum FC Bayern: Gina Lewandowski und Robert Lewandowski. (Foto: picture alliance / dpa)

Manchmal müssen sich Journalisten in einer Art loben und beschimpfen lassen, die ins Persönliche geht. Der Sport-Kollege Jürgen Schmieder wurde beispielsweise zu Beginn dieser Woche online mit einem lautstarken "Hömma" begrüßt. Mit dieser ruhrgebietstypischen Anrede versuchte der Nutzer "kuttekutowski", seinem Ärger über die Meldung "Lewandowski wechselt zum FC Bayern" Luft zu machen. "Seid ihr noch bei Trost bei der SZ?" fragte kuttekowski. "An so was kann man sterben! Mannmannmannmann..."

Der für Sport zuständige SZ-Online-Redakteur Schmieder hatte den bevorstehenden Transfer der amerikanischen Fußball-Nationalspielerin Gina Loren Lewandowski vom FFC Frankfurt zum Pokalsieger FC München mit dieser Überschrift gemeldet - und damit nicht nur Todesangst bei dem offenbar in großer Sympathie zum Pokalsieger aus Dortmund lebenden kuttekutowski ausgelöst, sondern auch großes Aufsehen im Netz erregt. Die Meldung wurde allein in den ersten 24 Stunden eintausend Mal bei Facebook weitergereicht und online vor allem von geschockten Dortmundern besprochen, die ihrer Sorge Ausdruck verliehen, dass ihr Stürmerstar Robert Lewandowski nach seinen drei Toren gegen die Bayern im Pokalfinale einen Vertrag mit den Bayern unterschrieben habe.

Fußball bekommt in einer Woche zwischen zwei Finalspielen für den FC Bayern natürlich eine besondere Bedeutung. Das zeigt sich nicht nur in der Fülle der Meldungen, sondern auch im Tonfall der Debatte. Das kann man bedauern, weil den häufig dem gesprochenen Wort entlehnten Kommentaren im Netz manchmal - positiv ausgedrückt - die Prägnanz, die Genauigkeit und die gedankliche Tiefe fehlen. Manchmal steckt aber genau in dem Spontanen eine beiläufige Schönheit, die man auch mit vielen Worten nicht besser fassen könnte.

Vergangene Woche zum Beispiel war die Entscheidung der SZ-Redakteure Hans Leyendecker, Nicolas Richter und Klaus Ott vom Ressort "Investigative Recherche", den ihnen zugedachten Henri-Nannen-Preis nicht anzunehmen, Anlass für große Diskussionen; auch im Netz. Leyendecker, Ott und Richter waren nicht einverstanden mit der Entscheidung der Jury, keinen Sieger zu benennen, sondern stattdessen ihre Recherchen über die Verstrickungen der BayernLB in die Formel 1 ebenso mit dem ersten Platz auszuzeichnen wie die Arbeit der Bild-Zeitung zum Fall Christian Wulff. Der Twitter-Nutzer mindfrax drückte seine Zustimmung auf eine Art aus, die man sonst nur von enthusiastischen Fußballfans kennt. In der Nacht nach der Preisverleihung in Hamburg schrieb er: "Ich möchte ein Kind von Hans Leyendecker und überhaupt von der ganzen Süddeutschen Zeitung." Das ist dann doch etwas zu persönlich.

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© SZ vom 16.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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