30. März 2009:Feldzug gegen ein kleines, friedliches Land

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Von Maulhelden, Wildwestmanieren und dem Bankengeheimnis: SZ-Leser diskutieren den Streit zwischen Deutschland und der Schweiz.

Maulhelden gegen das Nachbarland

SZ-Leser kritisieren die Berliner Vorwürfe gegen die Schweiz. (Foto: Foto: dpa)

"Der Umgang der deutschen Regierung mit dem Nachbarland Schweiz ist oberpeinlich. Während unsere Berliner Maulhelden amerikanische Betrügereien mit Milliarden Euro-Zahlungen belohnen - kriminelle Betrügereien, die zahlreiche deutsche Sparer in den Ruin getrieben haben, deutsche Banken fast bis zum Zusammenbruch belasten, die Industrie lahm legen und weitere Tausende von Deutschen zur Arbeitslosigkeit verdammen - ziehen sie gegen ein kleines friedliches Nachbarland zu Felde!

Was sagt die Merkel-Regierung zu den Steueroasen auf den britischen Kanalinseln? Wie geht sie mit amerikanischen oder auch deutschen Spekulanten um, die mal eben Steuervorteile in Deutschland mitnehmen und dann ins nächste EU-Konzern-Paradies gen Osten weiterziehen? Von welchem anderen nicht EU-Land erhält das deutsche Finanzamt 35 Prozent Quellensteuer auf Konten deutscher Staatsbürger?

Die Schweiz hat die Osterweiterung Europas mit vielen Millionen von Franken unterstützt. Als äußerst belastetes Transitland bietet sie deutschen Transporteuren ein teuer ausgebautes Straßennetz für täglich Tausende von Lastwagen nach Italien und zurück. Über 120000 Deutsche, davon zahlreiche aus den neuen Bundesländern, haben in der Schweiz Arbeit gefunden und wurden gastfreundschaftlich aufgenommen.

Es gibt die vielfältigsten Handelsverbindungen gerade zwischen Deutschland und der Schweiz - und das sicher nicht zum Nachteil deutscher Unternehmen. 2007 haben deutsche Unternehmen Waren für etwa 63 Milliarden Franken in die Schweiz absetzen können, umgekehrt gingen Waren für nur 42 Milliarden Franken nach Deutschland. Können deutsche Unternehmen es sich leisten einen so guten Handelspartner in Zeiten der Wirtschaftskrise derart zu vergraulen?

Ist es nicht die deutsche Regierung, die multinationalen und deutschen Großkonzernen einen Nulltarif im Steuerbereich anbietet und gleichzeitig die Arbeitnehmerschaft und den Mittelstand mit Abgaben geradezu knebelt? Der Bund der Steuerzahler mahnt seit Jahrzehnten erfolglos die unsinnigsten Steuerverschwendungen an, ganz zu schweigen von den irrsinnigen Kosten für die Teilnahme an völkerrechtswidrigen Kriegen.

Auch deutsche Großbanken haben an den unsinnigsten Börsenluftblasen mitverdient. Als deutscher Staatsbürger, der das Glück hat, vor fast zehn Jahren in der Schweiz eine Anstellung gefunden zu haben, finde ich es empörend, mit welchen Drohungen und welcher Arroganz die Merkel-Regierung ihrem Nachbarland begegnet - mit einer Haltung, die jegliche diplomatische Gesprächsbereitschaft vermissen lässt und die man eigentlich in der Deutschen Geschichte als überwunden glaubte."

Georg Koch Stettfurt (Schweiz)

Das Versagen eines Ministers

"Ob es angemessen war, dass der Schweizer Nationalrat Thomas Müller den deutschen Finanzminister Peer Steinbrück mit einem Nazivergleich belegt hat, ist ein weites Thema. Tatsache ist, dass Peer Steinbrück mit seinen verbalen Dauerentgleisungen der letzten Wochen, zuletzt mit dem Indianervergleich, sich den Angriff selber zuzuschreiben hat. Wer den Wildwestton anschlägt, darf sich über das Echo nicht wundern!

Es unterliegt einem gewissen Automatismus, dass Versager die Schuld in der Umgebung und der Nachbarschaft suchen, nur nie bei sich selber. Versagt hat Peer Steinbrück nur zu oft: Man denkt hier unwillkürlich an die wenig erfolgreiche Amtszeit von Herrn Steinbrück als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen zurück. Hier kam Peer Steinbrück im Jahre 2003 im Rahmen der West-LB Affäre in das Kreuzfeuer der Kritik, als er Sitzungen des Kreditausschusses "geschwänzt" hatte, obwohl er als Ministerpräsident dessen Mitglied war und eigentlich hätte anwesend sein müssen.

Hinzu kam, dass er dabei nicht auf die damit verbundenen Bezüge verzichtet hatte. Die besagte Sparkassenzentralbank hatte durch Fehlspekulationen große Verluste erlitten, die letztendlich nur mit Hilfe des deutschen Steuerzahlers ausgeglichen werden konnten (Staatsgarantie). Nachdem die SPD mit ihrem Spitzenkandidaten Steinbrück bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Mai 2005 ihr schlechtestes Ergebnis seit 1954 erreichte und auch die Grünen Stimmen verloren, büßte die rot-grüne Koalition ihre Mehrheit im Landtag ein. Von seinen Bürgern abgewählt, sorgten dann seine SPD-Parteifreunde für ihren gefallenen Western-Helden. Als Bundesminister der Finanzen erwarb er sich zweifelhafte Sporen für die Einführung der lebenslang gültigen Steuer-Identifikationsnummer für alle Einwohner Deutschlands."

Jürgen Anders Geuensee (Schweiz)

Gutmenschen und Biedermänner

"Wenn jahrelanges diplomatisches Bitten und Betteln seitens der Finanzminister der Schweizer Anrainerstaaten nichts nützt, dann gibt es, Gott sei Dank, noch Steinbrücks und Münteferings, die mit deutlicheren Worten auch dem sich noch im hintersten Bergtal sicher wähnenden Schweizer Banker klar machen, dass Animation und Beihilfe zur Steuerhinterziehung kriminell ist und Diebstahl am jeweiligen Volksvermögen darstellt.

Viel schlimmer als die Unterstützung der Steuerhinterziehung ist allerdings die Tatsache, dass die oft despotischen präsidialen Gewalttäter dieser Welt - ganz gleich, ob aus Afrika, Lateinamerika oder Südostasien - mit ihren korrupten Politikerseilschaften für ihre, ihren Völkern gestohlenen Millionen immer einen sicheren Hort auf Schweizer Banken fanden und vermutlich auch noch finden. Diese Ethik und Moral sucht ihresgleichen.

Man glaubt den Schweizer Banker, in Abwandlung der vespasianischen Formulierung für die Toilettengebühr: "Geld stinkt nicht", geradezu sagen zu hören, er habe bisher noch kein Blut oder den Angstschweiß der maltraitierten Opfer an den jeweiligen Geldscheinen entdecken können. Reißt man nun diesen scheinbaren Gutmenschen und Biedermännern die Maske vom Gesicht, dann reagieren sie beleidigt, wie mancher Zeitungsherausgeber oder sie geben, wie der Verteidigungsminister ihren Dienst-Mercedes zurück."

Dr. Wilhelm Schaaps Perlesreut

Ein Drittel des Weltvermögens

"Der französisch-schweizerische Autor und Journalist Alex Capus lebt immerhin schon seit 43 Jahren in der Schweiz und er weiß offenbar immer noch nicht so genau, wie die Schweiz tickt. Es stimmt nicht, wenn er behauptet, dass es dem Helvetier egal ist, ob das Schweizerische Bankkundengeheimnis nicht mehr existieren wird.

Umfragen beweisen genau das Gegenteil. Die meisten Schweizer und Teile der Bevölkerung im Ausland sind an einem Bankgeheimnis sehr wohl interessiert. Erstens liegt ein Drittel des privaten Weltvermögen auf Schweizer Bankkonten. Zweitens ist die Schweiz der siebtgrößte Finanzplatz der Welt und notabene, liegt die Schweiz als Wirtschaftsnation immerhin an 26-ster Stelle der Erde mit einer Einwohnerzahl von 1,3 Promille der Weltbevölkerung."

Dan Moser-Bellersen Winterthur (Schweiz)

Unflätig und rüpelhaft

"Ein Mitglied der deutschen Bundesregierung, das sich derart unflätig und rüpelhaft über ein Nachbarland äußert, muss sich über entsprechende Reaktionen nicht wundern. Im übrigen gehe ich davon aus, dass Herr Steinbrück der neuen Bundesregierung ab 2010 nicht mehr angehört und dannzumal, wie weiland in Nordrhein-Westfalen, als abgehalfterter Ankündigungsminister gilt."

Albert Augustin Gelterkinden (Schweiz)

Falsche Steuerpolitik

"Es ist sehr erstaunlich, wie aggressiv Peer Steinbrück auf sogenannte Steueroasen los geht, ganz zu schweigen von seiner Art und seinem befremdenden Stil. Anstelle eines Rundumschlags müsste der Finanzminister besser mal zurücklehnen und sich die Frage stellen, wieso denn Geld ins Ausland fließt.

Müsste nicht die Steuerpolitik in Deutschland überdacht werden? Als Kleinunternehmer in der Schweiz arbeite ich mehr als der Durchschnitt, bin aber auch motiviert dazu, denn der Mehraufwand zahlt sich in der Schweiz aus. Müssten wir bis zu 50 Prozent dem Staat abgeben, wie dies in Deutschland der Fall ist, so würde die Motivation auf Höchstleistungen sofort fallen oder die Schweizer würden auch zu Steuerflüchtlingen. Herr Steinbrück, bekämpfen Sie endlich die Ursache und nicht nur die Symptome!"

Heinz Zimmermann Zürich

© SZ vom 30.03.2009/sus - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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