27. März 2009:Norddeutsche Kleinstaaterei

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SZ-Leser diskutieren die Pläne zum Ausbau der Elbe: Von Beruhigungspillen für das Wattenmeer bis zu Fehlentwicklungen des Seefahrer-Gigantismus.

"Es geht nicht nur um die Elbvertiefung, sondern auch um die Weservertiefung, um den im Bau befindlichen Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven an der Jade, Weser- Jade-Port genannt, um die Emsvertiefung, damit die in Papenburg gebauten größten Kreuzfahrtschiffe der Welt durchs flache Emsland bugsiert werden.

Die Politik sucht ein umweltverträgliches Konzept für die Deutsche Bucht. (Foto: Foto: dpa)

Es geht überhaupt um die Folgen der wiederholten Fahrwasservertiefungen, die darin bestehen, dass der gesamte Küstensaum der deutschen Nordseeküste verschlickt, ebenso die Nebenfahrwasser, die Seitenräume, die Fischer- und Sportboothäfen. Mit dem Ausbau der Häfen und mit jeder Vertiefung der Flüsse betreiben die norddeutschen Kleinstaaten rigoros und eigensüchtig Großschifffahrtspolitik auf Kosten einer intakten Nordseeküste, ohne planerisch untersucht, geschweige berücksichtigt zu haben, welche Auswirkungen und Wechselwirkungen all dies hat.

Dem Bürger wird eine abgestimmte Hafenpolitik, sogar auf europäischer Ebene vorgegaukelt, als Beruhigungspille für das Wattenmeer der Status Weltnaturerbe beantragt und den Seglern verboten, durch Robbenschutzgebiete zu fahren - das ist Umweltpolitik pur! Die Industrialisierung der Deutschen Bucht ist ein Beispiel norddeutscher Kleinstaaterei. Ein Beispiel dafür, dass undurchsichtige Staats- und Verantwortungsstrukturen bereinigt werden müssen, die nur die Arbeitsplätze in den Landtagen und aufgeblähten Landesverwaltungen sichern. Für die Deutsche Bucht fehlt eine gesamtstaatliche Raumordnung, um die Lebensgrundlagen der Menschen auch in Zukunft sichern zu können."

Gerhard Bruns Butjadingen an der Nordsee

Ende des Gigantismus

"Ich habe als Kind das Schwimmen in der Ems gelernt. In Frischwasser. Jetzt ist bei uns das Wasser der Ems fast so salzig wie vor Borkum. Früher gab es überall an der Ems Flussfischer, die von ihrem Fang leben konnten. Jetzt gibt es keinen einzigen Flussfischer mehr zwischen Emden und Papenburg. Jetzt ist der vormals ökologisch gesunde Fluss eine Pissrinne, sehr oft mit Sauerstoffwerten an der Wasseroberfläche von weniger als vier Milligramm, geringer als der kritische Wert für ein (Über-)Leben der Fische im Fluss.

Weshalb sollten sich die Strom- und Gezeitenveränderungen nach der Vertiefung der Elbe anders auswirken als an der Ems?

Ich kann mir, nach 46-jähriger Seefahrtzeit, vorstellen, dass sich der Gigantismus nicht als eine Weiter-, sondern als Fehlentwicklung erweisen wird. Heute kommt kein Reeder mehr auf die Idee, wie vor 35 Jahren, einen Tanker mit 560000 Tonnen Tragfähigkeit (,,Seawise Giant'') bauen zu lassen. Heute sind moderne Supertanker nicht einmal halb so groß. Heute würden sich die Franzosen auch keinen ganz neuen Hafen wie Antifer mit einer Wassertiefe von 29 Metern bauen.

Wozu auch? In fünf Jahren dürfte ein bezüglich der Bau-, Brennstoff- und Hafenkosten wirtschaftliches Schiff die Panamax-Größe (290 Meter Länge, 32 Meter Breite und ein Tiefgang von 12 Metern) nicht übersteigen. Solche Schiffe können durchaus etwa 20000 Containerstellplätze umfassen und weiterhin nach Hamburg kommen - ohne Elbvertiefung."

Sievert Wolters Weener

© SZ vom 27.03.2009/sus - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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