26. Mai 2009:Arme Bauernschaft

Lesezeit: 2 min

Zerstrittene Landwirte, unwillige Politiker und sinkende Milchpreise: SZ-Leser diskutieren zu den Protesten der Bauern.

"Wenn Bauernverbandspräsident Gerd Sonnleitner klarmacht, dass es für die Forderung nach flexibler Milchmengensteuerung in Brüssel keine politische Mehrheit gibt, ist das mutig, zeugt von Verantwortung und verdient Anerkennung. Ob es klug ist, mag dahingestellt sein, kann es doch Mitglieder kosten. Geschickter meinen hier Seehofer, Aigner und Brunner zu Werke zu gehen. Gleichwohl spielen sie ein fieses Stück. Erst bereitet Seehofer als damaliger Agrarminister auf EU-Ebene die Milchquotenerhöhung mit vor, seine Nachfolgerin Aigner stimmt zu und Brunner verkündet nun auf Geheiß seines Ministerpräsidenten unermüdlich unter dem Eindruck von Protesten und drohender Verluste von Wählerstimmen, die Milchquote gehöre gekürzt.

SZ-Leser diskutieren zu den Protesten der Landwirte gegen die niedrigen Milchpreise. (Foto: Foto: ddp)

Dabei wissen die Herrschaften sehr wohl, dass das bestenfalls Wünsche ans Christkind sind. Was tut man eben nicht alles, um verblendete Forderungen von fern jeglicher Marktrealität agierender Bauernverführer und fünf Tage hungernder Bäuerinnen zu goutieren, drohte doch die Anführerin der Kurzzeithungernden "Wahltag ist Zahltag". Seehofer, Aigner und Brunner merke: Deren Stimmen bekommt ihr ohnehin nicht mehr, gebt die Milliarde Euro aus Brüssel doch lieber den Erzieherinnen, steckt es in Bildung und Ausbildung. Dort sorgt es für hohe Rendite und Zukunft. Bliebe noch zu sagen: Arme Bauernschaft. Deren schlimmster Feind war immer schon die Uneinigkeit."

Andrea Liebert München

Stillgelegte Flächen sind gut für die Natur

"Die intensiv wirtschaftenden Milchbauern müssen sich endlich der Realität der Marktwirtschaft stellen, nach der einzig und allein Angebot und Nachfrage den Preis regulieren. Preisfestsetzungen gab es nur in der Planwirtschaft.

Hinzu kommt noch die bittere Wahrheit, dass die intensive Milcherzeugung nicht nur ein Überangebot hervorbringt, sondern darüber hinaus durch Überdüngung der Flächen ( bis zu fünfmal im Jahr Ausbringung von Gülle) die Böden belastet und die Artenvielfalt der Flora und Fauna nachhaltig beeinträchtigt. Das Argument hinsichtlich des Erhalts der Kulturlandschaften durch die Milchbauern gilt also leider auch nicht mehr, im Gegenteil: Es wäre besser, wenn einige Fluren und Almen, sich wieder selbst überlassen blieben."

Wilfried Wiesenthal Uffing am Staffelsee

Geschmackloser Hungerstreik

"Der Hungerstreik ist beschämend und geschmacklos. Die hungerstreikenden Milchbäuerinnen verhöhnen geradezu das durch die protektionistische europäische Milchpolitik geförderte wirkliche Elend in der Welt. Ich hoffe sehr, dass sich die Politik von so peinlich vorgetragenen Einzelinteressen nicht erpressen lässt."

Gerd Maas Söchtenau

Die Betroffenen müssen sich selbst helfen

"Der EU-Ministerrat hat die Milchmengenregelung (Quote) bis zum Jahr 2015 beschlossen. Bei richtiger Ausgestaltung wären Marktgleichgewicht und kostendeckende Preise gesichert. Leider wurde (mit der Duldung des Deutschen Bauernverbandes) hier von Anfang an bis jetzt gemogelt und gemurkst. Seit 1984 wurden Milchlieferrechte der Bauern mehrfach gekürzt und gleichzeitig umverteilt. Das kostete die Bauern Milliarden Euro.

Die Erzeugung hochwertiger Lebensmittel, Umweltschutz, Tierschutz und Gestaltung unserer schönen Landschaften und Kulturen, kann keiner besser als bäuerliche Milchviehhalter. Sie erledigen das automatisch, wenn sie kostendeckende Preise bekommen. Staatsgelder sollte es lediglich für Sonderaufgaben wie für Almen oder Steilhänge und besonders benachteiligte Betriebe geben. Alle Bürger profitieren vom Erhalt möglichst vieler gesunder Bauernhöfe.

Alle Milchviehhalter der Europäischen Union sollten sich in nationalen Milchboards (Erzeugergemeinschaften) organisieren. So können Mengen und Preise bedarfsgerecht geregelt werden. Gefragt ist also Selbsthilfe der betroffenen Erzeuger, Verarbeiter und Konsumenten, ähnlich wie es in Kanada seit Jahren erfolgreich vorgemacht wird. Zusätzlich sind Regionalität und besondere Qualtitätsmerkmale etwa ohne gentechnisches Futter besser zu vermarkten, und dies zu 'fairen Preisen'."

Sebastian Sonner Reichertsheim

© SZ vom 27.05.2009/sus - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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