25. Mai 2009:Die Wirkung der Werbung

Lesezeit: 3 min

Treibt die Werbung Jugendliche zum Komasaufen? SZ-Leser diskutieren über eine Studie zum Alkoholkonsum.

Zu " Werbung treibt Jugendliche zum Komasaufen" (13. Mai) meinen Leser:

FSK für Alkohol? SZ-Leser diskutieren Maßnahmen gegen den Alkoholkonsum bei Jugendlichen. (Foto: Foto: dpa)

"Die Befunde reichen nicht, um von einem kausalen Einfluss der Werbung auf den Alkoholkonsum zu schließen. 'Zusammenhang' ist nicht dasselbe wie 'Wirkung'. Der einzige Befund der Studie: Starke Alkoholtrinker erinnern sich besser an Fernsehwerbung für Alkohol, was durchaus auch eine umgekehrte Wirkungsinterpretation zulässt: Wer jeden Tag eine Jägermeister-Flasche in der Hand hat, wird sich vermutlich besser an gesehene Jägermeister-Werbung erinnern als jemand, dem Alkohol egal ist, aber genauso oft die gleiche Werbung gesehen hat. Solche selektiven Wahrnehmungsprozesse sind bereits seit den 40er Jahren belegt."

Dr. Martin Emmer Ilmenau

Vier Gründe gegen ein Verbot

"Die Drogenbeauftragte Frau Bätzing hat wieder einmal auf dem falschen Bein 'Hurra' geschrien. Denn erstens ist fürs Komasaufen Bier völlig untauglich - so viel Flüssigkeit schaffen nicht einmal Corpsstudenten. Zweitens ist der pure Schnaps, der bei solchen Veranstaltungen getrunken wird, eine billige Spirituose, nicht die teureren Markenspirituosen, die ohnedies nur noch sparsam beworben werden.

Drittens sitzen die von Frau Bätzing zitierten Jugendlichen weder vor der Glotze und sehen sich TV-Werbung an, noch lesen sie Anzeigen in Zeitungen und Zeitschriften. Viertens ist diese 'Studie' von Ideologen, nicht von Fachleuten gemacht worden. Längst belegen psychologische Untersuchungen, etwa des Bonner Psychologieprofessors Reinhold Bergler, kaum einen Zusammenhang zwischen Werbung auf der einen und Rauchen und Trinken auf der anderen Seite. Weitere Einschränkungen der ohnedies reduzierten Werbung für Alkoholika würden absolut nichts bewirken."

Dr. Klaus Hattemer Düsseldorf

Was man nicht sieht, macht man nicht nach

"Irgendwie muss der Autor das Stadium der 13- bis 19-Jährigen übersprungen haben, sonst wüsste er nur zu gut, dass in diesem Alter in erster Linie die Peer-Group Einfluss auf das Verhalten des Heranwachsenden nimmt. Die von ihm gewünschte 'Aufklärung' durch die Eltern wird zusammengestutzt auf zwei Bemerkungen:

'Ich möchte meine Erfahrungen schon selber machen' und 'die anderen machen es auch alle so'. Als meine Töchter in diesem schwierigen Alter waren, hätte ich mir sehr die Unterstützung von offizieller Seite gewünscht. Da ging es nur darum, dass sie entsprechend den Vorgaben des Jugendschutzgesetzes zu Hause sein sollten. Es war hoffnungslos, denn die Jugendlichen, die unterwegs waren, durften angeblich ja auch von zu Hause aus bleiben so lange sie wollten. Später erfuhr ich, dass Übernachtungen bei Freundinnen dazu genutzt wurden, um beliebig lang wegzugehen. Alkohol war dann auch im Spiel. Zum Glück war Komasaufen noch keine Modeerscheinung. Eltern 'nerven' in dem Alter übrigens überwiegend. Wenn die Jugendlichen aber nicht ständig mit den Vorzügen des Alkohols konfrontiert werden, kann dieses exzessive Trinken eingeschränkt werden. Was man nicht sieht, macht man auch nicht nach."

Astrid Radtke Reutlingen

Die Scheinheiligkeit des Staates

"Das passt doch: Erst kürzlich hat die Bundesregierung ihren Drogen- und Suchtbericht vorgelegt, nach dem ein Fünftel der Jugend exzessiv Alkohol trinkt. Und schwupp: Eine Studie sagt uns, wer schuld daran ist. So einfach ist das Leben! Für Waffen wurde ein Waffenverbot gefordert. Alkoholwerbeverbot kann die Drogenbeauftragte nicht fordern, dazu verdient der Staat am Alkohol zu gut und braucht demnach die Werbung.

Also fordert sie 'freiwillige Selbstkontrolle'. Dass exzessives Trinken bei Jugendlichen und Komasaufen ernstere und kompliziertere Ursachen haben, wird verschwiegen. Und solange der Staat am Verkauf diverser Drogen gut verdient, so lange ist alles, was diesbezüglich aus dieser Richtung kommt, nur hohles Gerede, das die Jugend (hoffentlich) nicht allzu ernst nimmt."

Hans-W. Saloga München

Fünf Kölsch sind nicht fünf Maß

"Entweder hat die SZ in unverantwortlicher Weise die Studie verkürzt (und damit falsch) wiedergegeben - oder aber die Ersteller die Studie haben das Ergebnis bekommen, das sie von Anfang an haben wollten.

Wenn der Studienleiter Hanewinkel den 'ganz klaren Zusammenhang zwischen Werbekonsum und exzessivem Trinken' erkennt, dann sollte er mal zuerst darüber nachdenken, ob der eigentliche Zusammenhang nicht zwischen Fernsehkonsum allgemein und Trinken besteht. Die werbekundigsten Kinder hätten wohl auch die meisten Auto-Werbungen erkannt. Die Schlussfolgerung ist daher nicht zwingend.

Zudem ist der Begriff des exzessiven Trinkens (in den letzten 30 Tagen mind. mehr als fünf Gläser hintereinander) geradezu lächerlich: In Köln wird Bier als 0,2 l Gläsern getrunken. Fünf Gläser machen einen Liter. In Köln wurde schon exzessiv getrunken, während man in bayerischen Biergärten noch vier Liter davon entfernt ist. Bei diesem Trinkbegriff trinkt ein äußerst hoher Prozentsatz (man muss nur mal in die Kneipe oder ins Brauhaus gehen) in Deutschland exzessiv. Ich eingeschlossen."

Andreas Schuler Bonn

© SZ vom 26.05.2009/sus - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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