25. Juni 2009:Schneidiger Alleskönner mit Krämerseele

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Die Manager haben Arcandor ruiniert - allen voran der Vorstandsvorsitzende Thomas Middelhoff, finden SZ-Leser. Sie schreiben zur Insolvenz des Konzerns.

Zur Insolvenz des Konzerns Arcandor, zu dem auch die Unternehmen Karstadt und Quelle gehören, schreiben Leser:

Wolken ziehen über Arcandor: Der Konzern ist pleite, aber wer ist schuld und wie geht es weiter? (Foto: Foto: dpa)

" Ulrich Schäfer wirft vor allem den Eigentümern, aber auch den Banken, den Managern und den Vermietern der Kaufhäuser vor, sie wären dem im Grundgesetz verankertem Satz 'Eigentum verpflichtet' nicht nachgekommen. Als jemand, der ehemals bei der Sanierung von notleidenden mittelständischen Unternehmen an der Front beruflich tätig war, muss ich Schäfers apostolischer Lehre für Eigentümer, Gläubiger und Manager widersprechen. Diese Sichtweise ist zu einseitig und die Schuldzuweisungen sind so nicht haltbar. Das Geflecht der genannten Gruppen ist sehr komplex.

Fangen wir mit den Mehrheitsaktionären von Arcandor an. Unter Kaufleuten gilt der uralte Spruch: 'Wirf kein gutes Geld dem schlechten hinterher.' Warum soll Madeleine Schickedanz und die Privatbank Sal. Oppenheim weiteres Kapital aus eigenem Vermögen nachlegen?

Die Börse hat bereits den Wert der insolventen Arcandor AG eingepreist. Die Aktien sind den Penny-Stocks zuzurechnen, also fast nichts mehr wert. Der Kapitaleinsatz der Aktionäre hat sich fast in Luft aufgelöst. Warum soll hier für die Mehrheitsaktionäre eine Verpflichtung zum erneuten Nachschuss von Kapital bestehen?

Kommen wir zu den Hausbanken. Arcandor schiebt, so steht in der SZ, inzwischen Schulden in Höhe von 1,3 Milliarden Euro vor sich her. Man sollte allen Hausbanken dankbar sein, dass sie mit großem Vertrauen in das Unternehmen über Jahre die Bilanzverluste - natürlich mit geliehenem Geld ihrer Gläubiger - ausgeglichen haben. Auch Banken sind Wirtschaftsunternehmen, die bestrebt sind, Gewinne zu machen.

Man kann nicht den Hausbanken über das Grundgesetz das Recht absprechen, die Vergabe weiterer Kredite abzulehnen und die Ausweitung von Kreditlinien zu verweigern. Warum sollen sie Geld nachlegen wie einen Holzscheit ins Kaminfeuer, welches zu erlöschen droht, wenn nicht weitere Scheite nachgelegt werden? Die Bankmanager tragen auch eine hohe Verantwortung gegenüber ihren Gläubigern und laufen andernfalls Gefahr, wegen Veruntreuung zur Rechenschaft gezogen zu werden.

Nun zu den Managern. Arcandor wurde vor vielen Jahren durch Zukauf von Einzelunternehmen und kleineren Kaufhausketten zusammengeschustert. Es galt das Prinzip: Umsatzwachstum durch Zukauf, um den Börsenwert hochzutreiben und um die Marktmacht zu steigern und zu festigen. Der Konzern wurde damit zu einem unübersichtlichen Konglomerat. Wie man heute feststellen muss, war dieser Schritt ein großer Fehler des damaligen Vorstands.

Hätte man im Einzelhandel die damalige Markt-Struktur mit mehreren kleinen Anbieterketten so belassen, wie sie war, hätte sich der Markt bei sinkenden Umsätzen im Einzelhandel mit weniger Schaden (Verlust von Arbeitsplätzen) bereinigt, als heute mit der Insolvenz von Arcandor zu erwarten ist. Alle Vorstände der letzten zehn Jahre tragen Mitschuld an dem langsamen Niedergang des Unternehmens, die Entwicklung der Börsenkurse bildet ihn ab. Der Schuldenberg von 1,3 Milliarden Euro ist das Ergebnis von Missmanagement.

Die Aufsichtsräte müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, nicht geeignete Manager eingesetzt, vielversprechende aber erfolglose nicht früh genug erkannt und nicht rechtzeitig abgesetzt zu haben. Wenn man Stephan Koziol, einem Zulieferanten von Arcandor, mit seinem Leserbrief im Forum vom 13. Juni Glauben schenkt, hatte Arcandor schon vor zwei Jahren erheblichen Liquiditätsnotstand.

Der Vorstandsvorsitzende Thomas Middelhoff, der schneidige Alleskönner mit der Krämerseele, hat ab 2005 die Liquiditätsprobleme des Unternehmens vorerst dadurch beseitigt, dass er das Tafelsilber von Arcandor verscherbelt hat, insbesondere die wertvollen Kaufhausimmobilien. Am Ende seiner Wirkungszeit wollte er dem Volk verkaufen, dass Arcandor saniert sei. Den Zustand bei Übergabe an seinen Nachfolger Karl-Gerhard Eick kann man so beschreiben: Der Substanzverzehr hat begonnen, die Verluste zehren weiter.

Jetzt fehlt nur noch eine indirekt am Desaster beteiligte Gruppe. Wo sind die Visionäre unter den politischen und gesetzgeberischen Kräften, die nach Platzen der IT-Börsen-Blase die Frage der Haftung der Vorstände von Aktiengesellschaften zu einer gesetzlichen Lösung angestoßen und voran getrieben haben? Diese Visionäre gibt es nicht. Bisher gab es nur Neid- und Deckelungsdebatten über die Höhe von Vorstandsbezügen.

Wenn es eine gesetzliche Regelung gäbe, bei der der Vorstand einer AG mit einem wesentlichen Teil seines gesamten Arbeitseinkommens während der Vertragslaufzeit in Regress genommen werden könnte, würde mancher Vorstand seine Handlungsweise anders gestalten und werten, nämlich auch nach dem persönlichen Risiko. Vielleicht wäre unter dieser Prämisse das Schicksal von Arcandor anders verlaufen."

Reinhard Keitlinghaus München

Verzicht bei Quelle

"Es ist beruhigend, zu lesen, dass Herr Middelhoff zu seinem Abschied bei Arcandor eine Millionenabfindung als Bonus für die Erreichung seiner Ziele kassieren durfte. Dafür haben wir dann, als Quelle-Mitarbeiter, bei der Auszahlung unserer Zielvereinbarungen auf 75 Prozent verzichten müssen. Das hat uns richtig motiviert. Hauptsache aber, Middelhoff geht's gut. Müßig hinzuzufügen, dass dieser monetäre Verzicht nicht der einzige war und ist, der unsere Gehälter nachhaltig beeinflusst - und das schon seit Jahren."

Andreas Petrich Schwabach

Das Schweigen der Gewerkschaften

"Warum werden die Rolle und Verantwortung der zehn Arbeitnehmervertreter im paritätisch besetzten Aufsichtsrat von Arcandor, insbesondere der stellvertretenden Verdi-Vorsitzenden, Frau Mönig-Raane und der Verdi-Sekretärin, Frau Tippel-Klüth, in dieser Insolvenz nie erwähnt? Auch sind sie bisher vor den Beschäftigten der beiden Firmen nicht mit Erklärungen aufgetreten. Wie erklärt sich dieses Schweigen?"

Dr. Detlef Lührsen München

Sehnsucht nach Schreckensbotschaften

"Derzeit kämpfen vorläufige Insolvenzverwalter, Betriebsräte und Politik um den Fortbestand der Quelle. Und die vielen tausend Mitarbeiter fiebern mit, fürchten mit und hoffen. Nach der Lektüre der SZ scheint klar zu sein: Quelle ist nicht zu retten und wie viele Jobs damit kippen werden, wollen die Autoren am Ende des Textes gar nicht beziffern.

Mir gefällt diese Art des Journalismus nicht, weil sie nicht bedenkt, welche Wirkung und welchen Effekt eine solche Berichterstattung hat: Auf die vielen Mitarbeiter von Quelle, die jetzt darauf angewiesen sind, an ihr Unternehmen zu glauben. Und denen mit Ihrem Artikel die Tür zur Hoffnung einfach mal so zugeschlagen wird. Nützt doch alles nichts - das ist Ihre Botschaft an Kollegen, Sanierer und Geschäftspartner.

Es scheint, Sie sehnten das Schreckensszenario Massenentlassung geradezu herbei. Sonst hätten Sie die Zitate aus dem Papier eines nicht weiter hinterfragten Wirtschaftsprüfers nicht gebracht, ohne die durchaus vorhandenen positiven Fakten über Quelle auch zu bringen. Die Kunden bestellen, viele stricken an der Zukunft, die Konkurrenz im Netz kann bis auf zwei Anbieter nicht mithalten."

Ute Möller Wendelstein

Eine Lanze brechen für Frau Schickedanz

"Man tut dieser Frau, Madeleine Schickedanz, m.E. Unrecht, wenn behauptet wird, sie hätte sich nicht ausreichend als Großktionärin um eine Lösung der Probleme bei Arcandor gekümmert.

Im Gegenteil: sie hat private Mittel aufgewandt, hat ihre Anteile (Aktien) verpfändet, Kredite aufgenommen und auf Berater gesetzt, in der Hoffnung, der Konzern könne gerettet und Lösungen (Absicherung von Arbeitsplätzen) gefunden werden. Ihr zu unterstellen, sie habe sich nicht eingesetzt, ist bei allen vorliegenden Fakten schlichtweg falsch, zumal sie selbst finanziell am meisten hat bluten müssen. Ich möchte hier mal eine Lanze für sie brechen, bei all den Negativkommentaren und eunuchenhaften (...diese wissen immer besser wie es geht) politischen Statements vor allem des linken Parteienspektrums."

Sven Jösting Hamburg

Die wirtschaftspolitische Kompetenz einer Milchkuh

"Herr Steinmeier hat beklagt, dass durch die Insolvenz von Arcandor Arbeitsplätze vernichtet werden. Das Gegenteil ist der Fall. Offensichtlich kennt Herr Steinmeier das Insolvenzrecht nur vom Hörensagen. Vielleicht hat er es mit der Straßenverkehrsordnung verwechselt. Dieser SPDler will angeblich Kanzler der Bundesrepublik werden. Die SPD beweist, dass sie die wirtschaftspolitische Kompetenz einer oberbayerischen Milchkuh besitzt.

Dem Wirtschaftsminister in dieser Situation 'Kaltschnäuzigkeit' vorzuwerfen, ist nicht mehr unverschämt, das ist schlicht peinlich und dümmlich. Es empört mich, wenn mit den Ängsten und Nöten von zig-1000 Arbeitnehmern/innen billiger und einfältiger Wahlkampf betrieben wird. Man kann nur hoffen, dass die SPD irgendwann nicht mehr im Bundestag vertreten ist. Ihre Inkompetenz und Einfältigkeit sind eine Gefahr für die Bundesrepublik.

Noch eine Bemerkung: Wir sollten dem lieben Gott danken, dass nicht mehr Michel Glos im Wirtschaftsministerium sitzt, sondern zu Gutenberg. Eine weitere Bemerkung: Franz Müntefering zeigt beim Parteitag, wie man auch als Politiker offensiv und akzeptierbar mit einer persönlichen Situation umgeht."

Karin Fischer München

© SZ vom 25.06.2009/dab - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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