25. Februar 2009:Mittelalterliche Kirche

Lesezeit: 7 min

SZ-Leser über Bischof Müller und die Piusbruderschaft, deutsche Soldaten in Afghanistan und den Unterschied zwischen einer "lahmen Ente" und einer "lame duck".

Zum Protest von Regensburger Theologen (" Professoren sollen sich beim Papst entschuldigen", 17. Februar) und die anhaltende Diskussion um den Papst und die Piusbruderschaft schreiben Leser:

Der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller verlangt eine Entschuldigung von Theologen, die den Papst kritisiert und sich offen zum Zweiten Vatikanischen Konzil bekannt haben. (Foto: Foto: dpa)

"Die Regensburger Theologen haben eine Petition unterstützt, die bereits von mehreren Zehntausend Christen unterzeichnet wurde und über die bislang leider wenig berichtet wurde. Wenn die Intervention von Bischof Müller die öffentliche Aufmerksamkeit für diese Petition steigert - umso besser!

Wer sich dem Wortlaut der Petition anschließt, erklärt sich nicht nur mit jüdischen Gläubigen solidarisch und weist auf die eindeutige Ablehnung des II. Vatikanischen Konzils durch die Piusbrüder hin, sondern verleiht auch aufrichtiger Sorge um den Kurs der Kirche Ausdruck; all dies verbunden mit Respekt vor dem Bemühen von Papst und Bischöfen um die Einheit der Kirche und um den Dialog mit dem Judentum.

Eine solch differenzierte Kritik an konkreten einzelnen Handlungen des Vatikans ist weder unbotmäßig für Katholiken noch eine Beleidigung des Papstes. Hierfür eine Entschuldigung, gar einen Treueid zu fordern und Disziplinarmaßnahmen anzudrohen, ist vollkommen überzogen.

Bischof Müller muss sich als profunder Theologe selber einmal fragen, wie er das Verhältnis von Kirche und Theologie verstanden wissen will: mittelalterlich oder seiner Zeit angemessen auf Dialog basierend. Er läuft Gefahr, nicht nur die Meinungsfreiheit von Gläubigen, sondern auch die Freiheit der Wissenschaft zu untergraben."

Wolfgang Werner, Bad Homburg

Die Suche nach der Wahrheit

"Dass nun ein Bischof, der seine Untergebenen meint, erneut auf das Zweite Vatikanum verpflichten zu müssen, obwohl diese gerade genau diesen Missstand hinsichtlich der Piusbrüder kritisieren, ist grotesk; mit diesem Schritt stellt sich Müller selber auf die Ebene der Piusbrüder, die ja nicht nur die Gewissensfreiheit ablehnen, sondern das gesamte Zweite Vatikanum verneinen.

Erst mit diesem Konzil fand die katholische Kirche zur prinzipiellen Anerkennung der Gewissensfreiheit als eines in der Würde der menschlichen Person verankerten Grundrechts des Menschen, das jeder staatlichen Ordnung vorgegeben ist.

Mit der theologischen Rezeption des Prinzips der Gewissensfreiheit vollzog die Kirche zugleich den Schritt zur Anerkennung der modernen Welt und ihrer freiheitlichen Lebenskultur.

Nicht die Wahrheit als solche, sondern die menschliche Person in ihrer Suche nach Wahrheit gilt nun als Trägerin moralischer Rechte; dementsprechend schützt das Grundrecht der Gewissensfreiheit nicht den Irrtum, sondern den menschlichen Weg der Wahrheitserkenntnis, der eine Pluralität von Anschauungen."

Paul Haverkamp, Lingen

Ein neues Credo

"In der katholischen Kirche gibt es unterschiedliche Glaubensbekenntnisse. Bischof Müller hat jetzt eine geradezu historische Gelegenheit, ein erweitertes Credo einzuführen: Das Regensburger Glaubensbekenntnis.

Die Erweiterung beginnt mit den Worten: Ich glaube an den Papst. Sie formuliert, was bisher schon Pflicht eines Katholiken war, aber in keinem Glaubensbekenntnis ausgesprochen wurde. Mit dem Regensburger Glaubensbekenntnis erhalten die Gläubigen endlich neue Freiheit, Gedankenfreiheit, weil sie ihre Gedanken nicht mehr mit unnötigen Überlegungen belasten müssen. Roma locuta!"

Bernhard K. Schmitt, München

Mehr Glaubensstärke durch die Piusbruderschaft

"Wie kaum ein zweiter kennt der jetzige Papst die Persönlichkeit und das ernste, zentrale Anliegen Lefebvres: den katholischen Glauben unversehrt zu bewahren und weiterzugeben, den Glauben an den einen und dreifaltigen Gott, der selbst die Liebe ist (1. Joh. 4, 8 u. 16).

Ein sprechendes Zeugnis dafür ist auch der Wahlspruch von Erzbischof Lefebvre 'credidimus caritati' ('wir haben der Liebe geglaubt'), ebenfalls aus dem 1. Johannesbrief 4, 16. Mit dieser Rehabilitation ist nun eine wichtige Etappe auf dem Weg einer vollen Einigung der Priesterbruderschaft mit Rom erreicht worden. Jetzt ist es auch an der Piusbruderschaft, in gemeinsamen Verhandlungen mit Rom zu einem tragfähigen Ergebnis zu gelangen.

Die von Erzbischof Lefebvre gegründete Bruderschaft kann der Kirche in der jetzigen Situation viel an Glaubensstärke und Orientierung geben. Dazu muss ihr aber die Möglichkeit gegeben werden, zentral in die Kirche hineinzuwirken. Ebenso muss die Piusbruderschaft diese Gelegenheit ergreifen. Sie muss auch selbst für dieses Wirken im Zentrum der Kirche bereit sein."

Dr. Hans Otto Seitschek, München

Besinnung auf das Evangelium

"Die Verquickung von christlichen Glauben und Macht, die ja auch durch den Vatikan-Staat demonstriert wird, ist nicht mehr zeitgemäß und schon immer unchristlich.

Die heutigen anerkannten Staatswesen basieren auf der Grundlage einer Demokratie. Ein alternder Dogmatiker kann auch als Papst nicht über seinen Schatten springen und so wird unter dem Mantel der Schaffung von mehr Einheit noch mehr Porzellan zerschlagen. Dazu gehört auch 'Die Evangelischen sind keine Kirche!'

Dabei muss inzwischen auch der Vatikan wahr genommen haben, dass lutherisch/katholische Arbeitsgruppen (in einer war unter anderen auch Kardinal Lehmann aus Mainz vertreten) die 'Apostolische Sukzession', das heißt durch Weitergabe per Handauflegung ginge das Bischofsamt bis auf Apostel Petrus zurück, der Legende anbefehlen mussten und es in dem kürzlich ins Deutsche übersetzten ökumenischen Studiendokument 'Die Apostolizität der Kirche' heißt: 'Die Kirche ist apostolisch auf der Basis der Evangelien und in dem Glauben an diese.'

Es ist höchste Zeit, dass sich die katholische Kirche im Eigeninteresse einer nachhaltigen Reformation stellt, um nicht noch mehr Mitglieder zu verlieren und dass sich die Christenheit in der heutigen zerrissenen Welt auf das Evangelium, die frohmachende Botschaft, besinnt und sich als Einheit in der Vielfalt gemäß Epheser-Brief: 'Christus ist unser Haupt und wir sein Leib mit den verschiedenen Gliedern' positioniert."

Dr. Martin Bohl, Uffing

Falsche Modernität

"Wozu soll die Kirche Jesu Christi 'modern' sein? Was heißt modern? Vielleicht den weltlichen Systemen angepasst, damit diese in dieser Kirche starker und effizienter mitmischen können? Angepasst an Strukturen, in denen die Wahrheit durch wechselnde Mehrheiten ersetzt wird?

Was hat der 'Fall' des Bischofs Williamson, der gar kein eigentlicher regierender Bischof mit Bischofsamt ist, innerhalb der gegenwärtigen antikirchlichen Kampagne für eine Funktion? Permanent wird ein Sturm im Wasserglas entfacht, der nur dann einen Sinn macht, wenn damit das katholische Kirchenvolk von seinem obersten Überhirten abspenstig gemacht werden soll.

Denn diese offenbar noch immer virulente Treue zum Stuhl Petri produziert eine nicht zu unterschätzende Gegenloyalität zu jeder Art von 'Moderne', die wie jener brüllender Löwe großmäulig, verlogen und beuteheischend unterwegs ist, um auch noch die katholische Kirche ins Boot zu holen, dem sein kenternder Untergang aus den diversen Quellen längst vorausgesagt ist."

Benno Griebel, Altomünster

Werte sind immer universell

"So treffend auch die Ausführungen von Thomas Steinfeld über die Wertedebatte zwischen dem Westen und den Islamisten sind ( 'Der Feind und seinesgleichen', 14./15. Februar), so sehr bedaure ich doch das Festhalten an der Entgegensetzung von vermeintlich 'westlichen' und vermeintlich 'islamischen' Werten.

Diese Sichtweise könnte einem bedenklichen Relativismus Vorschub leisten und zu dem Missverständnis einladen, die Geltung von Werten sei regional und/oder kulturell eingeschränkt. Demgegenüber gilt es, auf der Universalität von Werten zu beharren.

Die historische Tatsache, dass bestimmte Werte (zum Beispiel die Idee der Menschenrechte) sich im Westen entwickelt haben, besagt logisch nichts über ihre universelle Gültigkeit; das wäre so, als ob man den Satz des Pythagoras nur im Abendland gelten lassen wollte, weil er seinen Ursprung im antiken Griechenland hatte.

Zuzustimmen ist deshalb Heribert Prantl in seinem Kommentar zum Hamburger Urteil im sogenannten Ehrenmord-Prozess ('Ehrenmord? Hassmord!', 14./15. Februar). Wer in einer Rechtsgemeinschaft lebt, in der die Akzeptanz von Menschenwürde und Gleichberechtigung weiter entwickelt ist als in seinem Herkunftsland, kann keine mildere Beurteilung beanspruchen, wenn er trotzig in seiner barbarischen Haltung verharrt. Werte sind universell - oder es sind keine Werte."

Dieter Sienknecht, Hamburg

Eine Brücke für Europa

"Falls die tschechischen EU-Gegner tatsächlich gefordert haben sollten, 'es dürften keine weiteren Vollmachten vom EU-Parlament auf den Ministerrat im Rahmen der 'Passerelle-Klauseln' übertragen werden' ('Ein erstes Ja in Prag', 19. Februar), dann passt das ins Bild der auch in Irland mit Erfolg geführten Desinformations-Kampagnen.

Die 'Brücken-' oder 'Passerelle'-Klausel nach Art. 48 Abs. 7 des EU-Vertrages in der Fassung von 'Lissabon' soll den Übergang zu qualifizierten Mehrheitsentscheidungen im Rat beziehungsweise zu 'normaler' Mitentscheidung des EU-Parlamentes in Bereichen ermöglichen, in denen auch nach Inkrafttreten des Reformvertrages noch einstimmig beziehungsweise ohne parlamentarische Mitwirkung entschieden wird.

Für die Innen- und Justizpolitik bietet auch der derzeit gültige EU-Vertrag schon diese Möglichkeit (Art. 42). Nach altem wie nach neuem Vertrag ist für das Überschreiten dieser 'Brücke' aber ein einstimmiger Beschluss der Mitgliedstaaten notwendig.

Der Vertrag von Lissabon gibt außerdem den nationalen Parlamenten sowie dem EU-Parlament ein Vetorecht und macht insofern - verglichen mit dem Status quo - weitere Integrationsschritte wohl eher schwieriger als leichter. Von einer Kompetenzübertragung kann jedenfalls keine Rede sein."

Matthias Leonhard Maier, Köln

Lasst Afghanistan in Ruhe

"'Weitere 600 Soldaten sollen nach Afghanistan' (17. Februar), so der Plan der Bundesregierung. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz wurde von den USA ein nüchternes Resumee zu der seit fünf Jahren anhaltenden Intervention gezogen. Bisher ist es noch keiner ausländischen Macht gelungen, die politischen Weichen in Afghanistan zu stellen.

Was ist das Ziel des Einsatzes deutscher Truppen in einem Land, das von der Mentalität, Tradition und Kultur seiner Bergstämme her für uns Deutsche völlig fremd ist? Die Zerstörung der Ausbildungslager von al-Qaida ist es nicht, denn daran beteiligt sich die Bundeswehr nicht.

Ist es der Schutz der Bevölkerung und Sicherung der deutschen Entwicklungshilfe, damit auch Mädchen Schulen besuchen dürfen, der Mohnanbau zerstört werden kann (eine Lebensgrundlage der Bevölkerung), damit Korruption bekämpft wird oder Demokratie westlicher Art verwirklicht werden kann?

Es ist Zeit, die Bundeswehr zurückzuholen. Deutschland kann man nicht am Hindukusch verteidigen. Und dem islamischen Terrorismus entzieht man besser den Nährboden, indem man ausländische Einmischung in die Belange moslemischer Gesellschaften beendet."

Prof. Dr. Carl Tretner, Berlin

Die Freunde der Banker

"Zum Instrumentarium der Möglichkeiten des Staates gehört, verursacht durch das Versagen der Nieten in Nadelstreifen, auch die Enteignung zum Allgemeinwohl der Bürger des Staates ('Schwierige Systemfragen', 19. Februar) .

Dieses Vorgehen ist durch die Gefährdung unserer Lebensgrundlagen als Bürger, und das kann man beim Geldverkehr wohl feststellen, gerechtfertigt. Die Union weint nun Krokodilstränen zu den Rechten der Aktionäre, der Marktwirtschaft. Hier geht es aber nicht um Marktwirtschaft, sondern um Bereicherung der Nieten in Nadelstreifen und der Zementierung ihrer Machtpositionen. Und auf dieser Seite befindet sich die CDU/CSU.

Kein führender Politiker der Union klagt, wenn Bürger enteignet werden, damit zur Verwirklichung Großprojekte wie Kohlekraftwerke, Straßen, Atomkraftwerke oder Müllverbrennungsanlagen gebaut werden sollen. Da spricht keiner von Gefährdung der Marktwirtschaft. Da kommt von den Lippen der Unionspolitiker dann 'das Projekt ist für die Allgemeinheit'.

Letztlich geht es der CDU/CSU nicht um das Allgemeinwohl oder die Eigentumsrechte der Bürger, sondern nur um die sich goldene Nasen verdienenden Freunde, den Nieten in Nadelstreifen. Die politische Antwort haben die Wähler, die diese Spielchen durchschaut haben, der CSU in der letzten Landtagswahl eigentlich schon gegeben. Es scheint jedoch noch nicht genug zu sein."

Peter Steinbacher, München

Von lahmen Enten und Politikern

"Eine lame duck, eine lahme Ente, könne man unmöglich im Wahlkampf durchschleppen, hat ein CSU-Vorstandsmitglied in Bezug auf den Rücktritt von Wirtschaftsminister Michael Glos gesagt ('Duell ohne Sieger', 9. Februar). Eine 'lahme Ente' wird im Duden so beschrieben: 'ugs. abwertend; 1. Schwunglose, schwerfällige Person. 2. Langsames Fahrzeug mit schwachem Motor.'

Mit anderen Worten: Mit dieser Metapher werden Charakter und Auftreten einer Person abgewertet. Lame duck hingegen bezeichnet in der US-Politik einen 'Amtsinhaber, der nicht wiedergewählt werden kann oder will, bes. Kongressmitglied, gegen Ende seiner Amtszeit'.

Das originäre lame duck ist im politischen Sprachgebrauch keine subjektive Abqualifizierung. Die stillschweigende Vermischung der neutralen politischen Bedeutung mit den negativen umgangssprachlichen Konnotationen ist zwar gängig, aber unseriös."

Gottfried Röckelein, Bitz

© SZ vom 25.02.2009/brei - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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