25. April 2009:Ein Vers zuviel

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Eine zweite Strophe für die Nationalhymne? SZ-Leser diskutieren die Idee aus dem Leitartikel "Auferstanden aus Ruinen".

"Mit wachsendem Befremden habe ich den Artikel gelesen, in dem vorgeschlagen wird, die DDR-Hymne 'Auferstanden aus Ruinen' zur zweiten Strophe der deutschen Nationalhymne zu machen. Nicht, weil mir der Text missfiele. Wenn man ihn von seiner Geschichte getrennt betrachten würde - was allerdings schwer möglich sein dürfte -, wäre das tatsächlich eine würdige Hymne.

Bald zwei Strophen? Deutsche Fans singen bei der Fußball-Europameisterschaft 2008 die deutsche Nationalhymne. (Foto: Foto: dpa)

Aber: Haben Sie Ihren Vorschlag mal auf Durchführbarkeit getestet? Der Text der DDR-Hymne passt nicht zur Haydnschen Melodie, weil er pro Strophe neun Verse hat und nicht nur acht wie das Deutschlandlied oder die Kaiserhymne. Das heißt, der letzte Vers hinge ohne Melodie in der Luft. Das hätte beim Singen sicher eine sehr erheiternde Wirkung."

Andreas Promberger München

Alles oder allen

"Da ist es wieder, dieses Missverständnis: Er ist die Antwort auf die Hybris von 'Deutschland, Deutschland über alles'. August Heinrich Hoffmann hat dieses Gedicht 1841 auf Helgoland geschrieben und im Traum nicht daran gedacht, dass seine Zeilen einmal zur Nationalhymne erhoben werden.

Deutschland bestand damals aus mehr als 40 Kleinstaaten und Hoffmann hatte den Traum, dass diese vielen Staaten zusammenhalten, sollte ihnen Ungemach drohen, wie er weiter fortfährt: 'Wenn es stets zum Schutz und Trutze...'. Er denkt also ausschließlich an ein Defensivbündnis aller Deutschen; Hybris lag ihm völlig fern. Für ihn bedeutete daher 'über alles', dass ihm - Hoffmann - dieses Wunschgebilde Deutschland über alles geht, ansonsten hätte er gedichtet: 'Deutschland, Deutschland über allen'."

Walter Lwowski Donaueschingen

Unbekannte Strophe

"Ich finde den Vorschlag ausgezeichnet. 'Auferstanden aus Ruinen' - das passt doch sowohl für Ost als auch für West - ideologisch und materiell. Hat man die zerbombten Städte schon vergessen und die der Zerstörung vorausgehende Ideologie? Aber - warum hat Heribert Prantl nicht an uns Wessis gedacht, die den ganzen Vers von 'Auferstanden aus Ruinen' nicht kennen? Bitte holen Sie das schnell nach.

Bei den beiden alten Hymnen musste man immer so lange den Arm hochhalten, das entfällt ja. Da können es ja dann auch gerne zwei Verse sein. Das wäre wirklich ein sehr passendes Geburtstagsgeschenk beim Eintritt in den Vorruhestand der BRD."

Dr. Ludwig Blendinger Nennslingen

Einfache Geste, große Wirkung

"Den Vorschlag von Heribert Prantl zu einer zweiten Strophe des Deutschlandliedes finde ich wirklich hervorragend. Mit einer solchen einfachen Geste könnte man sehr viel für die Befindlichkeit der Menschen im Osten Deutschlands tun und gleichzeitig auch das Zusammengehörigkeitsgefühl beider Teile unseres Landes ganz unspektakulär sehr fördern.

Nur fürchte ich, dass weder dieser Bundespräsident noch die Kanzlerin den Mut aufbringen werden, einen solchen Schritt zu tun. Auch die Parteien werden - aus unterschiedlichen Motiven - die Idee nicht aufgreifen. Die einen, weil sie noch zu sehr in der Bonner Republik verhaftet sind, die anderen, weil eine solche Geste nichts kostet und sich daher schlecht vermarkten lässt. Und alle zusammen werden sich nicht dafür einsetzen, weil sie die Reaktion der Wähler fürchten."

Dr. Dietmar Nickel München

© SZ vom 25.04.2009/sus - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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