24. Januar 2009:Prinzip Hoffnung

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Zur Amtseinführung von US-Präsident Barack Obama schreiben die SZ-Leser unter anderem, dass seine Regentschaft bald scheitern könnte und er die Indianer nicht vergessen sollte.

"Hoffnungsträger wie Obama hätten bei uns leider keine Chance. Das Mehrheitswahlrecht sollten wir uns trotzdem nicht wünschen, wie man an acht Jahren George W. Bush sieht. Eine grundlegend verfahrene Politik lässt sich nur durch einen so umfassenden Austausch der regierenden Kaste mit neuen, unverbrauchten, motivierten, unabhängigen, idealistisch gesonnenen Leuten wie jetzt durch Obama wieder ins Gleis bringen." Alfred Mayer München

Barack Obama hebt während seiner Vereidigung als 44. US-Präsident am 20.01.2009 in Washington die rechte Hand zum Schwur, seine linke ruht auf der Bibel von Abraham Lincoln. (Foto: Foto: dpa)

Gott schütze Amerika

"Zu wünschen ist es wahrlich nicht - aber Barack Obama könnte scheitern, vielleicht sogar katastrophal. Seine Regentschaft könnte schon nach vier Jahren im Chaos enden, obwohl der neue Präsident sehr sympathisch und ehrlich und sicher intelligenter als sein Vorgänger Georg W. Busch ist. Doch verfügt er über die notwendige Sachkenntnis, die wirtschaftliche Krise nachhaltig zu überwinden, in der sein Land derzeit und seit langem steckt? Wird er tatsächlich entsprechend kompetente Berater und Mitarbeiter aussuchen? Und da schließlich Erfolge in der Sozial-, Friedens-, Umwelt- und Bildungspolitik von einer wirklich erfolgreichen Wirtschaftspolitik abhängen, muss man befürchten, dass Obama nicht im Stande sein wird, die in ihn gesetzte Hoffnung zu erfüllen. Eine Mehrheit des amerikanischen Volkes verehrt Obama wie einen Erlöser, es hofft auf ihn, möchte an ihn glauben. Wenn der zukünftige US-Präsident diese Hoffnung, diesen Glauben an ihn am Ende enttäuschen muss, was zu befürchten ist, wird die entsprechende Enttäuschung im Volk Wut und Gewalt hervorrufen. Dann 'Gott schütze Amerika!'." Günter Woltmann-Zeitler Arnbach

Der 51. Bundesstaat

"Es war schon ein beeindruckendes Schauspiel, die Amtseinführung des neuen amerikanischen Präsidenten. Deutsche Politiker und Massenmedien überschlugen sich geradezu vor Begeisterung über Obama. Für sie ist er wohl die Inkarnation des großen Manitu, der Hoffnungsträger der ganzen Welt, der Weltmeister aller Klassen, ein Medienstar, wie er im Buch steht. Andächtig schauten wir Deutsche zu, wie die Amerikaner ihren Präsidenten und ihr Land feierten. Niemand kann ihnen das verübeln, im Gegenteil, wir Deutsche können von der amerikanischen Nation lernen. Bei uns sind Begriffe wie Nationalstolz, Vaterlandsliebe oder Heimattreue Schimpfwörter. Wenn aber die Medienvertreter Washington verlassen haben, dürfen auch unsere Politiker vor dem amerikanischem Freund oder gar Bruder im Geiste ihre Bücklinge machen. Selbstverständlich werden sie dabei ihre Treueschwüre wiederholen: Amerika geh du voran, wir folgen dir durch alle Kriege und Finanzkrisen die du auslöst. Allem Anschein nach haben Regierung und Medien dieses Landes entschieden, Deutschland als 51. Bundesstaat den USA anzuschließen. Diesen Eindruck musste man schon am 4. November 2008 gewinnen. Schon lange vor dem Wahltag waren die Nachrichtenstudios der deutschen Fernsehanstalten verwaist, alle namhaften Nachrichtenredakteure waren jenseits des Atlantiks. Eine Woche lang drehte sich von morgens bis abends alles nur noch um Obama. Die Berichterstattung grenzte schon an Götzenverehrung." Hermann Belting Hamm

Die vergessenen Indianer

"Obamas Präsidentschaft wird mit Recht als entscheidender Sieg über den Rassismus gewertet. In diesem Sinne hat er sich auch in seiner Antrittsrede geäußert. Als jemand, der dreißig Jahre im Ökumenischen Ausschuss der deutschen Kirchen für Indianerfragen in den Amerika gearbeitet hat, bedauere ich allerdings, dass Obama kein Wort für die großen Leidtragenden der amerikanischen Kolonisation gefunden hat: für die indigene Urbevölkerung, die bis heute um die Anerkennung ihrer Anliegen kämpft. Der Präsident wollte alle einbeziehen: die Christen, die Muslime, die Juden und die Hindus. Die drei Millionen Ureinwohner, die zweifellos erheblich zahlreicher sind als die Hindus, hat er noch nicht im Blick. Im Übrigen sind Sklaven und Leibeigene nicht als Synonyme, wie in der Reportage 'Ein Mann, ein Versprechen' verwendet. Ein Leibeigener war in der Feudalgesellschaft des Mittelalters zwar ein in seinem Selbstbestimmungsrecht eingeschränkter Mensch, aber eben ein Mensch. Ein Sklave hingegen galt juristisch als Sache und war damit seines Menschseins beraubt." Prof. Dr. Hans-Jürgen Prien Selmsdorf

Eine Nation mit vielen Gesichtern

"Obama, der Mutmacher - das hat Amerika auch dringend nötig. In der allgemeinen Besoffenheit ging freilich einiges unter, zum Beispiel, dass dieser Präsident mit keinem Wort auf Amerikas Ureinwohner einging, die das 'friedliche' Land mit genozidähnlichen Methoden in die Fastausrottung zwang. Waren das die 'Heldentaten' von denen Jörg Häntzschel berichtete? 'Unsere Macht allein kann uns nicht schützen, und sie gibt uns nicht das Recht, zu tun, was immer wir wollen.' Das klingt schon besser, Herr Präsident. In der Geschichte Amerikas und der Welt scheint sich allerdings der neue Herold nicht recht auszukennen. Amerika sei ein Freund jeder Nation, jeden Mannes, jeder Frau, jedes Kindes, die nach einer Zukunft in Frieden und Würde suchen. Wer hat denn weit über Hunderttausend Tote im Irak hinterlassen? Es gab auch einen Präsidenten Ronald Reagan, der einst in Richtung Osten den Menschen hinter dem 'Eisernen Vorhang' zurief, sie seien 'auf immer geächtet'. Amerika hat viele Gesichter." Hans Ingebrand Berlin

Der neunte Präsident mit deutschen Wurzeln

"Wolfgang Koydl irrt, wenn er von 'Ausnahmen' im Zusammenhang mit deutschstämmigen US-Präsidenten spricht. Barack Obama ist in einer Reihe zu nennen mit Dwight D. Eisenhower, Herbert Hoover, Richard M. Nixon, George W. und George Herbert W. Bush, Theodore Roosevelt und Franklin Delano Roosevelt sowie Grover Cleveland - alles ehemalige US-Präsidenten mit deutschen Wurzeln. Obamas Vorfahren kommen aus Kenia, England, Schottland, Irland, Frankreich, Deutschland und den Niederlanden. Er ist der neunte US-Präsident mit deutschen Wurzeln. Die größte ethnische Gruppe der USA sind die Deutschstämmigen. Als solche gelten heute in den USA rund 25 Prozent der 305 Millionen Staatsbürger. Bei der letzten Volkszählung im Jahr 2000 hat sich die Mehrheit der Bevölkerung in 23 Bundesstaaten (das sind 46 Prozent der 50 US-Bundesstaaten) dazu bekannt, deutsche Vorfahren zu haben. Dazu gehört traditionell Illinois, der Staat, den Senator Obama seit Januar 2005 in Washington vertreten hat. Die USA sind auch deutsch, jeder zehnte Amerikaner spricht oder versteht deutsch. Seit 400 Jahren haben Deutschamerikaner geholfen, all die Freiheiten zu erkämpfen und weiter zu geben, die Amerikaner heute genießen." Armin M. Brandt Memmingen

Bleiberecht für Guantanamo-Häftlinge

"Wenn Obamas hehre Worte über Freiheit, Menschenrechte und Menschenwürde nicht hohles Pathos bleiben sollen, muss es für den neuen Präsidenten ganz selbstverständlich sein, den Häftlingen zur Wiedergutmachung des erlittenen Unrechts ein dauerndes Bleiberecht in den Vereinigten Staaten anzubieten." Rudolf W. Meyer Nürnberg

Warum sagen wir nicht einfach: Amtsantritt?

"Ich liebe Englisch, ich liebe Amerika und Obama und dass er nun endlich inauguriert ist. Oder wurde? Oder hat? Das Wort 'Inauguration' bedeutet übrigens ganz schlicht Amtsantritt, das scheinen die SZ und viele andere Redaktionen dieser Tage ganz zu vergessen. Oder werden wir demnächst (vielleicht beim public viewing?) auch einen Ministerpräsidenten Roland Koch bei seiner neuerlichen Inauguration-Party beiwohnen dürfen? Und kann man (sich?) eigentlich nur einmal inaugurieren oder reinauguriert man, wenn man nur in seinem Amt bestätigt wurde? Das macht, nein, hat doch alles keinen Sinn mit diesem Denglisch. Und ein Amtsantritt ist doch gar nicht so schlimm, dass man ihn so verklausulieren müsste. Yes, we can uns auch auf Deutsch verständlich machen. Noch, jedenfalls....All the best." Timo Sendner Herrsching

Das richtige Kleid für den Anlass

"Ganz gleich von welcher Designerin Michelle Obamas Kleid ist, es ist wunderschön. Um dieses Kleid als 'beinahe altmodisch' zu empfinden, wie Tanja Rest es in der Stilkritik beschrieben hat, muss man wohl reichlich jung sein und kein Gefühl dafür haben, was dem Anlass entspricht. Es ist nicht alles Jackie O. zu verdanken, was man unter 'schlichter Eleganz' versteht. Früher, so vor 40 Jahren, war Frau jenseits von ungewaschenen Jeans und blanker Haut eleganter als heute gekleidet. Damals sprach man von 'Complet' und dabei war das Kleid eine Handbreit kürzer als der dazugehörige Mantel (nicht Jacke oder Gehrock) und man kannte noch gute Stoffe. Hätte Frau Obama vielleicht mit einem ausladenden Dekolletee, im Minirock und mit Vier-Knopf-Jäckchen erscheinen sollen?" Marianne Melchior München

© SZ vom 24.01.2009, sh - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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