23. Januar 2009:Auch die Moderne ist alt geworden

Lesezeit: 6 min

Die SZ-Leser schreiben, dass auch die Architektur ihre Sünden aufarbeiten müsse, Tom Cruise' Religion Privatsache bleiben sollte und die FDP nicht unschuldig sei.

"Bode und Bauhaus", 21. Januar

Das Fagus-Werk von Bauhaus-Gründer Walter Gropius soll Weltkulturerbe der UNESCO werden. Die Schuhleisten-Fabrik gilt in der Klarheit ihrer Architektur als Schlüsselbau der Moderne. (Foto: Foto: dpa)

Die Architektur muss sich mit ihren Sünden auseinandersetzen

"Leider verweigert sich auch Holger Liebs einer ernsthaften Auseinandersetzung mit der komplexen Thematik stadträumliche (Neu-) Gestaltung und (kritische) Rekonstruktion. Das Bauhaus wird ideologisch - mit dieser Polemik macht es sich der Autor schlicht zu einfach. Wer wird einmal den Mut haben, diesen unsinnigen und nur noch destruktiven Streit zwischen den unterschiedlichen Positionen der Akteure (Tradition versus Moderne) zu beenden und hier einen sinnvollen Brückenbau zu ermöglichen? Sicher, Rekonstruktionsprojekte müssen sich einer kritischen, historischen Auseinandersetzung mit etwa Nazi-Terror, Krieg und Zerstörung stellen. Zu einer kontroversen Debatte gehört auch, die Grenzen von Rekonstruktionen zu erkennen.

Dennoch muss sich auch die Architekturmoderne kritischen Fragen stellen und sollte die eigene Geschichte (und die Fehler und Irrtümer) nicht ignorieren. Nicht nur alte Bautraditionen, auch das Bauhaus der Zwanziger und Dreißiger Jahre wurde von den totalitären Diktaturen missbraucht und für Parteipropaganda instrumentalisiert (Albert Speer verfasste Anfang der 40er Jahre ein Vorwort für das Lehrbuch 'Bauentwurfslehre' von Ernst Neufert. Nach Auffassung von Speer ermöglicht der Funktionalismus des industriellen und seriellen Bauens einen zügigen Wiederaufbau nach dem 'totalen Krieg#. Dieses Lehrbuch war eine Grundlage für den Wiederaufbau in Deutschland nach 1945.

Architekten und Stadtplaner müssen sich mit den städtebaulichen Verheerungen der autogerechten Stadt der Nachkriegszeit und ihren Auswirkungen erneut auseinandersetzen. Diese sollten jetzt nicht noch (auch durch die Denkmalpflege) nachträglich verklärt und zwingend konserviert werden. Was heute als die Moderne in den Medien gefeiert wird, ist bei nüchterner Betrachtung oft auch nur ein Retro-Design, derzeit eine Wiederholung der Gestaltung der sechziger und siebziger Jahre. Auch die Moderne ist alt geworden.

Die Rekonstruktion einzelner kulturell und historisch bedeutsamer Bauten ermöglicht eine notwendige Wiederherstellung einer vernünftigen Balance zwischen Tradition und Moderne. Der Bau menschlicher und maßvoller Stadträume braucht einen konstruktiven Dialog zwischen den unterschiedlichen Positionen und auch eine Kenntnis über die regionalen Bautraditionen. Warum soll es nicht auch möglich sein, an alte Bautraditionen für die Gestaltung von Neubauten teilweise anzuknüpfen?" Markus Erich-Delattre, Hamburg

"Den Wahnsinn weglachen", 20. Januar

Selbst ein Scientologe hast das nicht verdient

"Was wollen Sie mit der Kommentierung und Bewertung ihres Interviewpartners und seiner Antworten bezwecken? Von Journalismus, der ernst genommen werden will wünsche ich mir wenigstens ein Bemühen um Objektivität. Auf subjektive, persönliche Interpretationen - wohl mit der Absicht den Befragten bloß zu stellen - verzichte ich hingegen gerne. Welcher Glaubensgemeinschaft Tom Cruise angehört, ist seine Sache. Ich sehe keinen Grund ihn deswegen als Person zu missachten. Vielleicht ist er ja tatsächlich schräg und sein Hirn von Scientology gewaschen. Aber falls dem so ist, möchte ich es lieber mittels Informationen erfahren, die Raum für ein eigenes Urteil lassen und nicht durch derartige Polemik."

Benjamin Berger, München

Listige Interview-Tricks

"Tom Cruise mag umstritten und seine Rolle als Stauffenberg unpassend sein, ihn auf diese Weise persönlich anzugreifen, ist jedoch unanständig. Nichts spricht dagegen, neben das Interview davon getrennt einen Kommentar zur Person Tom Cruise zu schreiben, der durchaus provozierend sein kann. Hält man die Mitgliedschaft bei Scientology für unmoralisch, dann soll man es offensiv, aber vor allem offen ansprechen. Dies heimlich in ein Interview einzuflechten und die Aussagen zu kommentieren, um seine Person lächerlich zu machen, ohne ihm eine Möglichkeit der Antwort zu geben, ist für die Süddeutsche Zeitung unwürdig. Wenn man es nicht schafft, durch geschickte Fragen ein spannendes Gespräch zu führen, darf man sich nicht mit listigen Tricks etwas zusammenbasteln, was mit dem Gesagten nichts zu tun hat. Solch eine Behandlung hat niemand verdient, auch kein Scientologe wie Tom Cruise."

Anton Schuberl, Eging am See

"Die Staatsgläubigkeit ist Vergangenheit", 19. Januar

Wer kontrolliert die unabhängigen Richter?

"Glauben Sie doch bitte nicht, dass Richter besser richten, nur weil sie 'unabhängig' sind Im Gegenteil, wer kontrolliert sie dann? Wer kann sie zur Rechenschaft ziehen? Wenn die deutschen Richter es den anderen 23 europäischen Staaten gleich machen wollen, dann sollten sie auch mit Videosystem in allen Gerichtssälen arbeiten, zum Schutze des Bürgers und zur Kontrolle. Die deutsche Justiz muss transparenter werden. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass Richter Machtmissbrauch betreiben, solange keine Videopflicht besteht. Solange dürften sie auch nicht im ,,Namen des Volkes'' Urteile sprechen. Und wer im 'Namen des Volkes' spricht, hat diesem auch Rechenschaft abzulegen. Sonst ist es keine Demokratie, sondern eine 'Schein'-Demokratie, die dem Volk vorgaukelt, alles in ihrem Sinne zu tun und tatsächlich nur nach Machtgewinn ohne Rechenschaft strebt. Die Journalisten haben die Aufgabe, die Rechte des Bürgers nicht nur zu sichern, sondern zu erweitern."

Farida Bischoff, Grafschaft

"Gelb ist die Hoffnung", 20. Januar

Die FDP hat die Krise mitverursacht

"Es war keine Überraschung, dass die SPD bei der Hessenwahl derartig in den Keller gerauscht ist . Umso überraschender ist dagegen der starke Anklang, den die Freien Demokraten beim Wähler gefunden haben. In Deutschland gehört die FDP mit ihren wirtschaftspolitischen Leitbildern zu den Hauptverursachern der katastrophalen Finanzkrise und der damit verbundenen existentiellen Gefährdung der deutschen Wirtschaftsunternehmen. Deregulierung, Befreiung der Wirtschaft von Regelungen und Vorschriften, Zurückdrängung des Staates und Reduzierung seiner Einflussmöglichkeiten, Verringerung der Steuereinnahmen durch den Staat, damit der Markt über mehr Kapital verfügen kann - alles das, um den Spielraum und vor allem die Risikobereitschaft wirtschaftlichen Handels zu erhöhen und damit eine Dynamik in der Wirtschaft zu erzeugen, die Wirtschaftswachstum schaffen soll. So weit so gut. Was aber geschieht, wenn die befreiten Risiken in die Krise führen, in der Finanzwelt riesige Vermögenswerte dadurch verloren gehen, Wirtschaftsunternehmen ins Wanken geraten oder gar schließen müssen? Die von Kontrollen und Zwängen befreiten Verantwortlichen der Krise packen ihr Köfferchen und ziehen zu ihrem Geld ins Ausland. Die Leidtragenden, die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung nämlich haben es auszubaden. Der einzige Schutz, der ihnen bleibt, ist dann ein starker Staat, der wie gegenwärtig mit den Steuermitteln der Bürger in der Lage ist, milliardenschwere Hilfsprogramme aufzulegen, um die Krise zu meistern. Den Staat schwach zu machen, ein Hauptcredo der Liberalen, bedeutet einfach nur, die Bevölkerungsmehrheit schutzlos zu lassen. Die FDP, der es eh nur darauf ankommt, ihren politischen Freunden möglichst viele Bereicherungsmöglichkeiten zu schaffen, ficht das natürlich nicht an. Den Wählern aber sollte das zu Denken geben. Der FDP jetzt zu einem Höhenflug zu verhelfen und sie jetzt in die politische Verantwortung zu bringen, heißt, den Bock zum Gärtner zu machen."

Dieter Menyesch, Ludwigsburg

"Der Schlaf der Demokratie", 20. Januar

Das Kreuzv der Wähler

"Die wachsende Zahl der Nichtwähler als Ausdruck grundsätzlicher Zufriedenheit mit der Politik zu deuten verkehrt die Motive vieler Nichtwähler ins Gegenteil. In Wirklichkeit ist es doch so, dass immer mehr Menschen der Politik den Rücken kehren, weil sie keinerlei Mitwirkungs- und Gestaltungsmöglichkeiten erkennen. Weil es egal ist, wo man sein Kreuz macht - es geschieht doch nichts oder nur das Falsche. Das parlamentarische System hat den Kontakt zur Außenwelt verloren. In Fraktionszwang behaftet und von Lobbyisten zugetextet, wird kaum mehr nach Vernunftmaßstäben gehandelt. Dafür wird die mediale Außenwirkung jeder Entscheidung vorher intensiv geprüft, nur damit man in der Tagesschau wieder gut dasteht. Es wäre vielleicht wirklich keine schlechte Idee, wie von Heribert Prantl skizziert, nur noch so viele Parlamentssitze zu besetzen, wie in absoluten Zahlen Stimmen an der Wahlurne abgegeben wurden. Denn dann müssten sich die Parteien reformieren und wieder aktiver auf den Wähler zugehen. "

Klaus Strohschön, München

"Grün ist alle Theorie", 19. Januar

Autos wie Flundern

"Wirklich beeindruckend das geduckte Design des neuen Audi A7: von sportlicher Eleganz und Dynamik, so richtig geformt, und ein Fahrerlebnis, das nur nach den Intentionen des Fahrers frei gestaltet wird. Als wenn die Form Gefühle befriedigen könnte, die sich im Normalverkehr nicht mehr erleben lassen. Die Realität ist leider anders, schon heute.

Deshalb müsste ein zukunftsfähiger Entwurf anders ausfallen: Keine so hohe Ladekante für den Kofferraum; keine durch lebhafte Wölbungen, herausragende Kanten und zurückgesetzte Seitenscheiben notwendigerweise dicke Türen, die in Parklücken bei eingeschränktem Öffnungswinkel ein bequemes Ein- und Aussteigen behindern. Deren zum Aussteigen bei gleichbleibender Stellplatzbreite verbleibender Türspalt erzwingt, sich mit katzenartiger Gelenkigkeit aus dem tief liegenden Sitz nach oben und schließlich nach außen zu hieven, um dann auch noch die beiden benachbarten Karosserien mit der eigenen Kleidung zu trocknen oder zu säubern. Eben keine immer stärker nach hinten abfallende Dachlinie bei ansteigenden unteren Fensterlinien, die die hinten Sitzenden in niedrige Sitzpositionen zwingen. Wenn Audi das in sein Lastenheft geschrieben hätte, wären seine Konstrukteure und Designer (nicht nur beim neuen A7) zu einem anderen Ergebnis gekommen."

Hans Lafrenz, Hamburg

"Deutschland prescht bei Friedensdiplomatie in Gaza vor", 20. Januar

Außenpolitik mit dem Scheckbuch

"Die Europäische Union hat die Palästinenser im Jahr 2008 mit 73 Millionen Euro unterstützt. Ein Teil davon dürfte für Waffenkäufe verwendet worden sein. Kaum sind die Kriegshandlungen, die von Palästinensern provoziert worden sind, abgeflaut, steht der deutsche Außenminister mit dem Scheckbuch auf der Matte. Damit gewinnt er vielleicht Sympathien in den islamischen Ländern, er gibt dafür die Sicherheit des Staates Israel preis. Der Teufelskreis hat sich wieder geschlossen."

Jürgen Bollinger, Neuwied

"Das Überleben der Schwächsten", 13. Januar

Von Menschen und Fischen

In dem lesenswerten Artikel steht, dass am besten erforscht der Einfluss des Super-Jägers, also des Menschen, im Fall von Dorsch und Kabeljau sei. Hinter diesen beiden verbirgt sich jedoch derselbe Fisch 'Gadus morhua', wobei mit der Bezeichnung Dorsch zum Einen der Kabeljau aus der Ostsee, zum Anderen auch der noch nicht geschlechtsreife Kabeljau beschrieben wird. Als Dorsche (Gadidae) wird auch eine Familie der Knochenfische bezeichnet, dessen größte Art der Kabeljau ist.

Dr. Gerold Wempe, Heidelberg

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