18. April 2009:Der verführte Brandstifter

Lesezeit: 2 min

Mitschuld statt Täuschung: SZ-Leser diskutieren die Rolle des Staates in der Krise des Banken- und Finanzwesens.

"Heribert Prantl schreibt dem Staat die Rolle des "Verführten" zu, der sich willenlos dem Diktat der Märkte gebeugt hätte, der jahrelang in das Horn des ungezügelten Kapitalismus geblasen hätte und nun erst aus seinem Dornröschenschlaf erwacht sei. Das sehe ich allerdings ganz anders.

In der Diskussion: Trägt der Staat eine Mítschuld an der Krise? (Foto: Foto: dpa)

Mit mindestens drei Gesetzentwürfen hat der US-Kongress aktiv die Kreditvergabe an "Subprime"- Immobilienkäufer gefördert: Erstens hat die "Federal Housing Administration", in deren Umfeld die inzwischen verstaatlichten und bankrotten Immobilienfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac entstanden sind, über den Kongress erst den Takt zu immer laxeren Kreditvergabestandards vorgegeben. 2004 war die Pfandverpflichtung und damit der bereitzustellende Eigenkapitalanteil eines Kreditnehmers bei lediglich drei Prozent angekommen, ursprünglich waren einmal 20 Prozent verlangt.

Der Kongress hat zudem konkrete Ziele zur Finanzierung von Ramsch-Hypotheken gesetzt: Für das Jahr 1996 mussten 42 Prozent aller Kredite an Kreditnehmer mit unterdurchschnittlichem Einkommen vergeben werden; diese Rate wurde bis 2005 auf 52 Prozent erhöht.

Zuletzt der "Community Reinvestment Act". Dieser hat Kommunen ein faktisches Vetorecht bei der Expansion von Banken gegeben, sofern die lokale Kreditvergabe aus Sicht der Politik unangemessen vonstatten ging. Die Folge war eine Welle der Kreditvergabe, insbesondere im Immobiliensektor, um sich der Gunst der Politik sicher sein zu können.

Der Staat gehört damit nicht zu den "Verführten", die hinterrücks getäuscht worden sind. Er selbst ist der Brandstifter, der, oft aus nachvollziehbaren Motiven aber in Verkenntnis der Folgen, es allen Recht machen wollte."

Paul Schmelzing Lorsch

Lukrative Verführung

"Heribert Prantls Artikel ist ausgezeichnet. Allerdings trifft staatliche Akteure die Mitschuld, dass sie sich von Lobbyisten nicht nur "verführen" ließen, sondern diese auch noch als von ihren Auftraggebern bezahlte Agenten in verschiedenen Ministerien, vor allem im Finanzministerium, beschäftigt haben, damit sie die Gesetzestexte zur Deregulierung formulieren. Manch ein Politiker ist für die Bereitschaft, solche Leute in Ministerien einzusetzen, nach Ausscheiden aus dem Dienst durch einen lukrativen Job belohnt worden."

Hans-Ulrich Bünger Baiersbronn

Weiche und harte Ideologien

"Man darf die sittliche Unabänderlichkeit des Rechtsstaats und der mit ihm einher gehenden Normen nicht mit staatlicher Willkür verwechseln. Jede Gesellschaft und politische Organisation muss dem Bedürfnis nach Sinngebung des individuellen und kollektiven Lebens gerecht werden. Es gibt aber offensichtlich "weiche" Ideologien, die neben sich andere zulassen und "harte" , autoritäre Ideologien, die alle sämtlich auch noch bestehenden sonstigen Ideologien unterdrücken. Die Lehre vom Markt, der angeblich alles richte - auch noch den Markt der Ideen -, ist wohl eher eine "harte" Ideologie."

Sigurd Schmidt Bad Homburg

© SZ vom 18.04.2009/sus - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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