17. Januar 2009:Von Cato bis Tchibo

Lesezeit: 3 min

Für heftige Diskussionen unter den SZ-Lesern sorgte ein inzwischen zurückgezogener Werbe-Slogan von Tchibo.

"Falsche Worte", 15. Januar

Die zynische Inschrift "Jedem das Seine" am Tor des ehemaligen Konzentrationslagers Buchenwald. (Foto: Foto: dpa)

Über den umstrittenen Werbespruch "Jedem den Seinen"

Es ist bedauerlich, dass Tchibo den Slogan zurückgezogen hat.

Die mediale Hysterie war wieder einmal erfolgreich. Dabei ist besagter Slogan lediglich eine gelungene, spielerische Abwandlung des inkriminierten Zitats "Jedem das Seine".

Es soll also unerheblich sein, dass Aristoteles, Cicero, Seneca oder Leibnitz diese Worte benutzten - sobald Hitler oder die Nationalsozialisten ebenfalls als Benutzer auftauchen, gilt das kulturelle Erbe nichts mehr; ein weiteres Tabu wird errichtet.

Dieter Franke, München

Kollektive Betriebsblindheit

Immer wieder kommt es zu Phasen kollektiver Betriebsblindheit bei Werbeagentur und Kunden gleichzeitig. Bei einer früheren Werbeagentur sollte für einen Fertigkuchen, der meist oben im Regal platziert war, ein Regalstopper entwickelt werden. Als der Entwurf fertig war, stand dort in aller Unschuld: "Hol Dir einen runter". Erst als der Regalstopper gedruckt war, dämmerte Kunde und Werbeagentur, dass richtig gesagt noch nicht richtig verstanden bedeutet.

Tilo Dilthey, Meerbusch

Pawlow'scher Reflex

Die Berichterstattung der SZ leidet inzwischen an den gleichen Reflexen, wie sie der öffentlichen Meinung in Deutschland immer wieder unterstellt wird. Öffentliche Meinung? Wohl eher die ,"veröffentlichte" Meinung. Es handelt sich um die bekannten Pawlow'schen Reflexe: Halte einem Hund einen Knochen vor, und der Speichelfluss beginnt.

Es gibt das Zitat "Jedem das Seine" seit etwa 2000 Jahren, was der Berichterstattung der SZ anscheinend verborgen blieb: Cato der Ältere hat dies im Jahre 159 vor Christus so geäußert: Suum cuique per me uti atque frui licet. Das heißt auf Deutsch: Jeder soll das Seine nutzen und genießen dürfen, wenn's nach mir geht. Der Preußenkönig Friedrich I. hat diesen altehrwürdigen Satz als verkürztes Zitat zu seinem Wahlspruch gemacht: jedem das seine. 1677 war das bereits auf einer preußischen Schaumünze zu lesen, die er als Kronprinz prägen ließ.

Die Proleten in den braunen Uniformen haben 1933 und später versucht, sich preußisches Kulturgut anzueignen und brachten am Konzentrationslager Buchenwald den publikumswirksamen Slogan an: Jedem das Seine. Und da schreit die veröffentlichte Meinung wieder auf.

Es gibt ein anderes lateinisches Zitat, die berühmte Rede Ciceros gegen die Verschwörung Catilinas: Quo usque abutere Catilina patientia nostra? Zu deutsch: Wie lange noch willst Du, Catilina unsere Geduld missbrauchen? Das gilt heute in veränderter Bedeutung mehr denn je: Wie lange noch soll der geschichtliche Rückblick in Deutschland wegen zwölf Jahren Unkultur, Dummheit und Verbrechen mit ritualisierten Manövern verstellt werden? Wird denn eine 2000 jährige Weisheit ungültig, nur weil ein paar Ganoven in braun sie vor 80 Jahren missbraucht haben? So hält man ein Andenken "in Ehren", das keine Ehre verdient.

Heinrich Trescher, Worms

Vom Wert eines Grundsatzes

Der Sozialethiker Heinrich Rommen, der 1933 selbst wegen Veröffentlichung von Anti-Nazi-Literatur von der Gestapo verhaftet worden war, schreibt in seinem Standardwerk "Der Staat in der katholischen Gedankenwelt" (Paderborn 1935): ,,Gewisse Grundsätze sind allerdings so einleuchtend, die Werte und Güter, von denen sie sprechen, wie die Einheit des sittlichen Bewußtseins der Menschheit beweist, so unmittelbar erkennbar, daß sie als evident gelten müssen. Zum Beispiel, daß das Rechte zu tun, das Unrechte zu unterlassen sei; daß jedem das Seine gebühre.'' Von daher leuchtet es ein, dass jegliche Hetze gegen "Jedem das Seine" oder davon abgeleitete Formulierungen zu verurteilen ist.

Rolf Hermann Lingen, Dorsten

Brandenburgs Wahlspruch

Bei der Interpretation von "Jedem das Seine" im Aktuellen Lexikon geht es nicht nur um Platon, Cicero und Buchenwald. Sicherlich ist das Motto kurzfristig von den Nazis missbraucht worden, aber seit über 300 Jahren ist 'suum cuique' vor allem der Wahlspruch Brandenburgs. Dies zeigt die Abbildung der "Geheimen Ratsstube" (Kabinettssaal des Brandenburger Kurfürsten im Berliner Schloss), die schon im Jahre 1696 als Stich veröffentlicht wurde und die große Überschrift "suum cuique" trägt. Dies war noch vor der Gründung des Königreichs Preußen im Jahre 1701. Vielleicht könnte der jetzt anstehende Wiederaufbau des Berliner Schlosses diese lange Tradition der Brandenburger Kurfürsten und Ihres Wahlspruches mit berücksichtigen. Dann könnten bisherige "Falsche Worte" langfristig auch wieder auf einen wahren Kern zurückgeführt werden.

Dr. Gerhard Metschies, Kelkheim

© SZ vom 17./18.1.2009/agfa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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