16. Juni 2009:Falsche Rezepte in der Krise

Lesezeit: 2 min

Ist das deutsche Bankensystem wirklich überholt oder sind die Vorschläge der EU-Kommission marktfern? SZ-Leser diskutieren.

Zum Interview mit EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes (" Das deutsche Bankensystem ist überholt", 3. Juni) schreiben Leser:

In der Kritik der SZ-Leser: Die EU-Kommissarin für den Wettbewerb, Neelie Kroes. (Foto: Foto: ap)

"Frau Kroes ist selbst Teil des Problems. Es war die Wettbewerbskommission, welche die staatliche Gewährträgerhaftung für die deutschen Landesbanken verboten hat. Eine unsinnige Übergangsregelung von vier Jahren nahm bis Juli 2005 aufgenommene Kredite aus. Das hat die Landesbanken dazu verleitet, das auf der auslaufenden Gewährträgerhaftung beruhende 'Tripple A Rating' für günstige Kredite auszunutzen, mit denen sie unter anderem US-Hypothekenpapiere in Milliardenhöhe erworben haben, die sich alsbald als toxisch entpuppten. Natürlich tragen die Banken dafür selber die Verantwortung. Doch die Kommission hat mit ihrer Übergangsregelung den notorisch renditeschwachen Landesbanken den falschen Anreiz gesetzt, vor dem Ende ihres Privilegs schnell noch Geld zu verdienen.

Das deutsche Banken-Rettungspaket ließ Frau Kroes monatelang auf Vereinbarkeit mit dem überbürokratisierten und vor allem in der Krise kontraproduktiven EG-Beihilfen-Recht prüfen. Heraus kam die Auflage, dass die 18 Milliarden Euro für die Commerzbank, die der Bund als Einlage zur Verfügung stellt, mit zehn Prozent verzinst werden müssen. Ihre Begründung war, dass schlechte Schuldner höhere Zinsen zahlen müssen. Ein kurioser Beitrag zur Behebung der Finanzkrise. Sie hat dann neun Prozent durchgesetzt, ein Zinssatz, der immer noch viel zu hoch ist. Mit solchem 'Eigenkapital' und mit den (zu hohen) Gebühren für Staatsgarantien lässt sich die Kreditklemme nicht überwinden. So wird eine Chance vertan, die bei erfolgreicher Bekämpfung der Krise den Bund (und die Steuerzahler) nichts kosten würde.

Frau Kroes hat außerdem verlangt, dass die Aktionäre der Commerzbank während der Laufzeit der 'Einlage' keine Dividende erhalten. Dieses rechtlich zweifelhafte Verbot ist jedenfalls überflüssig, denn dank der Brüsseler Vorgaben wird es bei der Commerzbank in den nächsten Jahren keinen Gewinn geben. Neun Prozent für 18 Milliarden Euro macht etwa 1,62 Milliarden Euro im Jahr, ein Ergebnis, das die Commerzbank kaum jemals erzielt hat und ein Geschäftsmodell, das geradezu Ackermann'sche Eigenkapitalrenditen voraussetzen würde.

Ein Lichtblick: Im Herbst sind wir Frau Kroes endlich los. Doch viel Hoffnung lässt sich daraus nicht herleiten, denn die EU-Bürokraten bleiben."

Prof. Dr. Heinrich Honsell Zürich

Das dreigliedrige System hat sich bewährt

"Staatshilfe aufgrund der Finanzkrise brauchen in Deutschland gerade die Banken, die kein Privatkundengeschäft betreiben und deshalb planlos andere Geschäftsfelder gesucht haben - wie die meisten Landesbanken - oder es in den vergangenen Jahren vernachlässigt haben, wie die Commerzbank. Die öffentlich-rechtlichen Banken (Sparkassen) und die Genossenschaftsbanken mit ihren vielen Filialen tragen aktuell erheblich zur Stabilisierung der Lage auf dem deutschen Finanzmarkt und zur Kreditversorgung bei.

Sparkassen und Genossenschaftsbanken leisten in Deutschland gerade im ländlichen Raum seit jeher einen unverzichtbaren Beitrag zur Versorgung der Bevölkerung und von kleinen und mittelständischen Unternehmen mit Finanzdienstleistungen. Die Kritik an den Landesbanken ist in wesentlichen Teilen berechtigt: Deutschland braucht keine sieben Landesbanken sondern eine, maximal zwei zur Erfüllung bestimmter, sich aus dem öffentlichen-rechtlichen Sparkassensystem ergebender Aufgaben. Dahin sollte auch ein Fusionsprozess führen. Dem widerspricht aber nicht die Tatsache, dass sich das dreigliedrige Bankensystem mit seiner Vor-Ort-Versorgung zur Umsetzung des Verfassungsgebots gleichwertiger Lebensverhältnisse generell bewährt hat."

Eike Hallitzky München

Kredite für den Mittelstand

"Der dezentrale genossenschaftliche Finanzverbund mit seinen fast 1200 Volksbanken und Raiffeisenbanken hat sich während der Finanzmarktkrise als stabilisierende Säule des Bankensystems erwiesen. Er trägt zudem entscheidend zu einem Wettbewerb und zur Finanzierung des Mittelstandes bei. Das deutsche Bankensystem mit seiner Kundennähe als 'alt und überholt' darzustellen zeigt, wie marktfern die Einstellung der EU-Kommission ist. Sie demonstriert ihren klaren Gestaltungsanspruch im Finanzsektor. Dies gibt jenseits der reinen Wettbewerbsfragen Anlass zur Sorge, dass in Europa zentralistische Ansätze zur Bankenaufsicht entstehen, die zu Lasten regionaler Strukturen gehen können."

Gerhard Hofmann Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbank Berlin

© SZ vom 16.06.2009/sus - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: