16. Juli 2009:Empörung über Stasi-Spitzel

Lesezeit: 2 min

17.000 ehemalige Stasi-Mitarbeiter im öffentlichen Dienst - das sorgte für Diskussionen. Doch kann der Westen wirklich mit Steinen werfen? SZ-Leser reden mit.

Zu Berichten und Kommentaren über die Stasi-Vergangenheit von Mitarbeitern im Staatsdienst schreiben Leser:

"Besorgniserregend ist, dass diese Leute ihre alte Arbeitsweise behalten haben und jetzt uns mit ihren Stasimethoden beglücken", findet ein Leser. (Foto: Foto: dpa)

"Dass sich frühere DDR-Bewohner durch die Beschäftigung ehemaliger Stasi-Leute im Staatsdienst düpiert fühlen, mag verständlich sein. Westdeutsche täten aber gut daran, etwas mehr Zurückhaltung zu üben, denn die Bundesrepublik ist kein gutes Vorbild!

Wer hat schon Anstoß daran genommen, dass zum Beispiel Hans Globke - während der NS-Zeit Autor und offizieller Kommentator der Nürnberger Rassegesetze - jahrelang der engste Vertraute des Bundeskanzlers Konrad Adenauer war? Und dass als Minister oder Staatssekretäre an Adenauers Kabinettstisch mehrere prominente und durch Kriegsverbrechen hochbelastete ehemalige Nazis saßen? War nicht das Offizierskorps der Bundeswehr mit früher hochdekorierten Nazi-Offizieren durchsetzt? Hörten wir nicht etwa Johannes Steinhoff, den Generalinspekteur der Bundesluftwaffe, noch Jahre nach dem Krieg im Fernsehen munter darüber schwadronieren, wie viel erfolgreicher Görings Luftwaffe Hitlers Krieg hätte führen können, wenn Hitler nicht immer wieder störend eingegriffen hätte?

Und es kam nicht selten vor, dass ehemalige hohe SA-Führer in den für die Entschädigung von NS-Verfolgten eingerichteten Ämtern saßen und dort alles daransetzten, um nun die Entschädigungsansprüche der ehemals von ihnen Gequälten abzuwehren. Wie harmlos nimmt es sich doch dagegen aus, wenn heute ein ehemaliger Stasi-Mitarbeiter beim Personenschutz von Angela Merkel tätig ist."

Ulrich Uffrecht Buxtehude

Ein Netz von Tätern

"Die Generosität von Heribert Prantl und anderen im Umgang mit hauptamtlichen und informellen Mitarbeitern der Stasi unterminiert nicht nur verfassungsrechtliche Grundlagen und höchstrichterliche Entscheidungen, sie erklärt auch alle diejenigen zu Deppen, die sich an wahrheitsgetreue Angaben gegenüber dem Arbeitgeber halten.

Die Zahl von 17.000 angenommener Fälle rechtswidriger Beschäftigung von Stasi-Mitarbeitern im öffentlichen Dienst auf Bundes- und Landesebene stellt nur die Spitze des Eisbergs dar. Eine wesentlich höhere Zahl ist bei kommunalen Arbeitgebern untergekommen und abgesichert. Die Kommunen mussten nämlich nicht prüfen, die meisten haben es auch nicht getan. Falls doch, mussten sie aus den Erkenntnissen keine arbeitsrechtlich relevanten Handlungen ableiten.

Auf diese Weise 'stabilisieren' sich auf kommunaler Ebene viele Stasi-Mitarbeiter gegenseitig - mit fatalen Auswirkungen auf politische, administrative und wirtschaftliche Entscheidungen. Geradezu pervers ist es, wenn diese Stasi-Mitarbeiter, die ja ihrerseits meist selbst unter Beobachtung standen, mit ihrer Beobachtungs- oder 'Opfer-Akte' hausieren gehen, in der Hoffnung oder Gewissheit, dass ihre Kader- oder 'Täter-Akte' nicht auftaucht oder irgendwann vernichtet wurde.

Ist es Zufall, dass solche Forderungen nach Exkulpation der Stasi-Mitarbeiter zu einem Zeitpunkt kommen, an dem die Aufbereitung der Stasi-Unterlagen allmählich ein etwas klareres Bild liefert?"

Dr. Roswitha Sehringer Plauen

In Argentinien untergeschlüpft

"Schon vor und direkt nach dem Zusammenbruch des Dritten Reichs schlüpften viele Größen der NSDAP in Argentinien unter. Die nicht nach Argentinien gegangen sind, tauchten bei uns wieder auf, um hohe und höchste Ämter zu bekleiden. Auf dem guten Verhältnis zu Argentinien basiert möglicherweise noch heute die Freundschaft zu den noch amtierenden Regierenden (Frau und Herrn Kirchner). Minister und Ministerpräsidenten sind sie geworden. Gelernt hat Deutschland daraus nichts."

Hans-Dieter Floer Bergkamen

Überwachung überall

"Die Ablösung einer Gewaltherrschaft und Hinführung zur Demokratie ist immer schwierig. Für die Opfer ist es unerträglich, ihre Peiniger von damals frei herumlaufen zu sehen. Umgekehrt muss jeder Mensch die Möglichkeit haben, neu anfangen zu können. Viel besorgniserregender ist aber, dass diese Leute, vielleicht sogar unbewusst, ihre alte Arbeitsweise behalten haben und jetzt uns mit ihren Stasimethoden beglücken.

Klagen nicht seit ein paar Jahren fast alle Behörden über eine plötzliche Dokumentationspflicht? Muss nicht seit geraumer Zeit alles und jedes schriftlich festgehalten und beurteilt werden? Diese Registrierung beansprucht nicht selten mehr Zeit als die eigentliche Arbeit. Daraus entstehen sonderbare Blüten. So sind im Gesundheitswesen mehr Verwaltungsangestellte beschäftigt als Fachpersonal wie Ärzte und Krankenschwestern."

Christoph Graf Deym Lohhof

© SZ vom 16.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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