13. Juni 2009:Wir sind nicht Opel!

Lesezeit: 3 min

Für Opel gibt's saftige Finanzspritzen - aber was ist mit dem Mittelstand? SZ-Leser diskutieren über die Maßnahmen der Regierung.

Zu Berichten und Kommentaren über den Autobauer Opel und den Rettungsversuch durch die Firma Magna:

Opel ist für viele Menschen mehr als nur eine Automarke. Doch lohnt sich der Milliardeneinsatz, damit die Marke nicht untergeht? (Foto: Foto: dpa)

"Milliarden Euro werden auf unser aller Kosten an die Besitzer eines maroden Unternehmens verschenkt, um die im Markt herrschende Überkapazität in der Automobilbranche und fehlende Wettbewerbsfähigkeit (zum Beispiel wegen mangelnder Innovation) künstlich am Leben zu erhalten. Damit werden die Fehler der Vergangenheit weitergeführt und zudem noch belohnt.

Dass Politiker überhaupt darüber nachdenken, dem Mutterkonzern von Karstadt oder sonst einem insolventen Betreiber einen Euro zu geben, ist für mich als Unternehmer unfassbar. Schon vor zwei Jahren kamen die Karstadt-Einkäufer und sagten: 'Wir sind bankrott und wir können nur noch dann einkaufen, wenn wir die Ware in Kommission erhalten.' Wo ist da auch nur der geringste Zusammenhang mit der jetzigen Weltwirtschaftskrise, der als Anlass genommen wird, um an die Gelder zu kommen? Was Karstadt wie auch Opel fehlt, sind innovative Veränderungen, die den Verbraucher mit seinen Bedürfnissen erreichen.

Das Verhalten der Regierung ist ein Einmischen in den Wettbewerb und ein Schlag ins Gesicht jedes Berufstätigen und jedes Unternehmens, das sich wie wir über Jahrzehnte bemüht hat, betriebswirtschaftlich erfolgreich zu arbeiten, Arbeitsplätze zu erhalten und Millionen an Steuern zu bezahlen. Die Form dieser Subventionen hat schon immer gravierende Nachteile gehabt, auch wenn die Politik und der mögliche Wähler erst einmal den Vorteilen zustimmen.

Wo ist die eindeutige Reaktion der Gegner, jedes Einzelnen, die sich von der eigenen Regierung schröpfen lassen für eine sinnlose Großspende an internationale Konzerne? Wir sind nicht Opel!"

Stephan Koziol Erbach

Der letzte Auto-Tango

"Der Tanz um das goldene Kalb Auto geht zwar nicht zu Ende, aber es ist wohl so eine Art letzter Tango. Wir werden zukünftig umdenken müssen, der Markt für Automobile hat sich geändert und wird sich weiter drastisch ändern. Der Markt in den Industrieländern ist weitgehend gesättigt, die Menschen in den Schwellenländern können sich diese Autos nicht leisten. Unabhängig davon würde es zu einer globalen Katastrophe kommen, wäre die Motorisierungsdichte der Industrieländer weltweiter Standard.

Deshalb ist es kaum sinnvoll, die Produktion von Automobilen unter dem Aspekt Wachstum auszurichten. Es gilt, sich an dem wirklichen Bedarf zu orientieren. Und der ist zahlenmäßig rückläufig. Hinzu kommt, dass die Verantwortlichen in den Chefetagen von Politik und Automobilwirtschaft die falschen Strategien verfolgt haben: hohe Leistung, hoher Energieverbrauch, am Status orientierte Optik und zum Teil unsinnige Ausrüstungen.

Eine staatliche Subvention belohnt diese Fehler. Auch wenn unser Wirtschaftsminister zu Guttenberg nicht jedermanns Geschmack ist, in diesem Fall hat er recht mit seiner Kritik. Eine Insolvenz hatte Opel die Möglichkeit gegeben, mit qualifizierten Partnern die eigenen Stärken zu nutzen. Bei dem aktuellen Konzept ist es nur eine Frage der Zeit, wann Entlassungen im großen Stil bekanntgegeben werden. Es werden bei dieser Lösung in erster Linie die Interessen der Besitzer verfolgt, und das sind wieder einmal Banken. Die Mitarbeiter von Opel werden für etwas bestraft, für das sie keine Verantwortung oder gar Schuld tragen."

Manfred Rose Karben

Milliardenverluste statt geretteter Arbeitsplätze

"Wegen falscher Entscheidungen unfähiger Politiker, bedingt durch Wahlkampfspekulationen, droht dem deutschen Staat nunmehr die größte Pleite der Nachkriegsgeschichte. Es ist unverantwortlich, ein Unternehmen künstlich am Leben zu erhalten, das bereits 2005, 2006, 2007 und 2008 nur Verluste geschrieben hat, im Jahr 2008 allein über eine Milliarde Euro. Ein an sich gesundes Unternehmen, das unverschuldet in Not geraten ist, sieht anders aus.

Eine 'geordnete Insolvenz' hätte viele Arbeitsplätze auf Dauer gerettet. Nun werden in absehbarer Zeit wohl alle Arbeitsplätze bei Opel verlorengehen, und der deutsche Steuerzahler wird Milliarden Verluste zu begleichen haben. Experten sprechen bereits von einem möglichen Verlust von zehn Milliarden Euro, allein durch die staatliche Opel-Rettung. Im Interesse der Zukunft Deutschlands: Stoppt sofort dieses unsinnige Gesellschaftsmodell!"

Herbert Gaiser München

Das Nachsehen hat der Mittelstand

"Die nun vereinbarte Staatshilfe für den von Insolvenz bedrohten Autohersteller Opel ist ein Schlag ins Gesicht des Mittelstands. Bei den geplanten Staatshilfen für Großunternehmen werden die Probleme mittelständischer und kleinerer Unternehmen völlig übersehen. In Deutschland muss etwa alle 15 Minuten ein Unternehmen Insolvenz anmelden.

Davon betroffen sind vor allem die Mittelständler, die zwei Drittel aller Arbeitnehmer beschäftigen. Während Großkonzerne mit ihrem Finanzgebaren für die augenblickliche Wirtschaftskrise verantwortlich zeichnen, werden genau ihnen Steuergelder zur Rettung bereitgestellt. Das führt zu einer verfehlten Wirtschaftspolitik und verschafft den Großunternehmen Wettbewerbsvorteile, mit denen mittelständische Firmen nicht mehr konkurrieren können."

Dr. Heinrich Schroeter Präsident der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau, München

© SZ vom 13.06.2009/dab - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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