09. Mai 2009:Das ungeliebte Kind

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Die Bundeswehr als notwendiges Übel? SZ-Leser diskutieren über das aktuelle Image der Armee in Politik, Medien und Gesellschaft.

"Vom ersten Tage ihrer Aufstellung an, in Andernach im Januar 1956, wurden die neuen deutschen Streitkräfte von Staat und Gesellschaft als notwendiges Übel betrachtet, das auf politischen Druck der westlichen Alliierten geschaffen worden war. Der Bundeswehr wurden Haltung und Gefühl entgegengebracht und geäußert, wie vormals einem Bastard gegenüber, den man mit einem gewissen Widerwillen aufzieht. Man gibt ihm Nahrung und Kleidung sowie Unterkunft, ärztliche Versorgung, eben das zum Leben Notwendige, lässt ihn auch zur Schule gehen, die Gesetze sehen es ja so vor, aber das war es dann auch schon.

Notwendiges Übel Bundeswehr? Rekruten vor dem Reichstagsgebäude in Berlin beim öffentlichen Gelöbnis. (Foto: Foto: dpa)

Weder die politische Führung des Landes noch die tragenden gesellschaftlichen Schichten der BRD nahmen dieses nicht geliebte Kind, diesen demokratischen Bastard in Schutz, als man es ungestraft 'Mörder' nennen durfte, sanktioniert durch das höchste Verfassungsorgan des Staates, und große Tageszeitungen und Wochenjournale überboten sich in sophistischen Begründungen, dass diese Bezeichnung doch in gewisser Weise berechtigt sei, schließlich sei der Soldat ja auch ein 'Täter', sogar ein heimtückischer.

Es gab einen Bundespräsidenten, der öffentlich verlautbarte, käme es zu einem Kriege, dann habe die Bundeswehr ihren Auftrag nicht erfüllt, obgleich sie doch für einen möglichen Krieg aufgestellt worden war und sich darüber mokierte, zu Staatsbesuchen mit einem Luxusflugzeug geflogen zu werden, das die Aufschrift 'Luftwaffe' trug. Einer seiner Nachfolger wünschte dann die Entfernung dieses Wortes. Ein ehemaliger Kanzler, man nennt ihn heute 'Kanzler der Einheit', verlautbarte, die Bundeswehr bekäme das, was sie nötig hätte, was er freilich nicht beurteilen konnte, da er deren Notwendigkeiten ja nicht kannte, sie ihn auch nicht interessierten.

Nach dem Abitur trat ich 1957 in die Armee ein und wurde zum Artillerieoffizier ausgebildet, diente dem Land bis zur Pensionierung 1993 auf vielfältige Weise. Wann immer ich während meiner Dienstzeit Berichterstattungen über die Streitkräfte sah und hörte, stets waren sie mit abwertender Kritik und bisweilen nicht zu überhörender höhnischer Häme unterlegt. Ich war von Januar 1972 bis Ende September 1980 in zwei großen Raketenartilleriebataillonen als Stellvertreter oder Kommandeur tätig, die Artillerie der Bundeswehr hatte davon elf. Nie kam und fragte mich ein Journalist einer Provinzzeitung oder eines großen Blattes nach meinem Alltag und meiner Tätigkeit, nie eine Rundfunkanstalt. Haben dieAutoren einmal darüber nachgedacht, wie groß denn ihr persönlicher Anteil und derjenige der SZ daran ist, dass den Streitkräften des neuen Deutschland heutzutage nur 'freundliches Desinteresse' der Gesellschaft entgegengebracht wird? Mir scheint, dass ihnen diese wirkliche kritische Selbstbetrachtung fehlt."

Franz Heinrich Kreitz Tübingen

Komfort in der Kaserne

"Der Wahrheit die Ehre: Die Baracken in Andernach waren in einem einwandfreien Zustand, Zentralheizung, fließendes kaltes und warmes Wasser. Wir Rekruten hatten damals den Eindruck, ein Schwerpunkt der Berichterstattung war die Schaumstoffmatratze. Die Genehmigung für den mit Recht umstrittenen Hans-Ulrich Rudel zur Teilnahme an einem Traditionstreffen in Bremgarten wurde von keinem General, sondern vom Parlamentarischen Staatssekretär Schmidt-Würgendorf erteilt.

Zum Zeitpunkt seiner Entlassung war Walter Krupinski Kommandierender General der Luftflotte, Karl-Heinz Franke sein Stellvertreter. Krupinskis und Frankes Äußerungen bei einem Hintergrundgespräch waren der Anlass für die Entlassung beider. Aus der Generalität hörte ich, es sei Krupinskis verdammte Pflicht und Schuldigkeit gewesen, dem sowieso unter Beschuss stehenden Verteidigungsminister Georg Leber seine und Frankes verbale Entgleisungen zu melden, bevor sie in der Presse erschienen. Günther Rall war nicht Generalinspekteur, sondern Inspekteur der Luftwaffe."

Rudolf Nassua Aurich

Alte Köpfe, alter Geist

"Mit den alten Köpfen zog auch sehr viel alter Geist in die alten Kasernen ein. Ich erinnere mich noch an die Namen Trettner, Förtsch. Die meisten Namen derer, die sich in den kommenden Jahren durch Skandale in Erinnerung brachten, habe ich leider vergessen. Aber das kann man noch heute im Spiegel-Archiv nachlesen.

Der erste Verteidigungsminister, Theodor Blank, widerstand den Intrigen von Franz Josef Strauß nur kurze Zeit. Ihn zu zitieren erscheint mir heute geradezu als Witz. Die 'Innere Führung' des Generals von Baudissin galt als 'inneres Gewürge'. Mitbeteiligte am 20. Juli hatten keine Chance, übernommen zu werden. Es war innerhalb der Truppe lange Zeit verpönt, dieses Datum überhaupt zu erwähnen. Das änderte sich erst mit dem Verteidigungsminister Volker Rühe, der den 20. Juli für die Bundeswehr geradezu vereinnahmte. Das hatte aber zur Folge, dass andere Aspekte des Widerstands total ausgeblendet wurden."

Klaus Matthies Hamburg

© SZ vom 09.05.2009/sus - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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