08. Juni 2009:Eine Rede an die ganze Welt

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SZ-Leser diskutieren Obamas Rede in Kairo: Spricht er nur für seine Nation oder schafft er die Voraussetzung für Versöhnung?

"Christian Wernicke hat Recht mit seiner Einschätzung der Rolle Obamas. In einer Hinsicht jedoch - und gerade die halte ich für so bezeichnend für den neuen Präsidenten - schätzt er möglicherweise ihre Bedeutung zu gering ein: Obama spricht keineswegs nur für sein Land. Natürlich kann er in seinem konkreten Anliegen nur die Interessen der USA vertreten, will er nicht dadurch unglaubwürdig werden, dass er sich anmaßt, im Namen anderer Nationen zu sprechen. Aber in allem, was er sagt, geht es eindeutig um mehr: Es geht um die Versöhnung der einen Hälfte der Welt mit der anderen. So wie er selbst in seiner biografischen Herkunft Elemente beider Hemisphären in sich trägt, so sucht er auch im Äußeren generell alles Trennende zwischen sich Unterscheidenden zu vereinen. Die USA spielen ja nur die Rolle dessen, was Obama als Handelndem konkret zur Verfügung steht. Hier kommt ihm aber zugute, was seiner Nation früher gern zum Vorwurf gemacht wurde: die selbst ernannte Funktion einer 'Weltpolizei'.

Auf dem Weg zur Versöhnung? SZ-Leser diskutieren die Rede des amerikanischen Präsidenten in Kairo. (Foto: Foto: dpa)

Dieser Status, der trotz allem, wenigstens im Westen, akzeptiert wurde, kehrt sich jetzt in den positiven Aspekt einer Verantwortlichkeit um. Auch wenn Obama hauptsächlich sagt, was er will oder nicht will, so haben diese Forderungen doch nie allein eine Vorteilsnahme seiner eigenen Nation zu Inhalt. Es geht seinen Worten nach stets um Allgemeineres und damit um Größeres. Es geht um die Interessen von Menschen, und auch dabei nicht nur um eine bestimmte Sorte Menschen, nein, es geht um noch mehr: um die Menschheit. Der US-Präsident spricht ja nicht von Vorteilen, Gewinnen, Macht oder Vergrößerung - was immer nur einen als Nutznießer zuließe - sondern er bezeichnet stets Gleichberechtigung, Verständigung, Toleranz und Versöhnung als seine Ziele. Und das sind gewiss nicht Ziele, die nur für ein, nämlich sein Land von Interesse sind. Das sind Ziele, die allen zugute kommen, allen Menschen auf beiden Seiten des Grabens."

Jan Rieckhoff Hamburg

Der Nahe Osten braucht mehr als Parolen

"Eines dürfte schon jetzt klar sein : Israel wird sich keinem überzogenen und realitätsfremden Druck aus Washington beugen. Wir alle müssen feststellen, dass der neue US-Präsident schon etliche seiner Vorschusslorbeeren verloren hat. Es mag ja sein, dass Obama in der Innenpolitik viele gute Schritte geht. Im Nahen Osten aber sind Detailkenntnisse, viel außenpolitische Erfahrung und 'Fingerspitzendiplomatie' gefragt. Ob Obama das mitbringt? Im vorderen Orient sind 'Yes we can' -Parolen zu einfach zu wenig.

Kommen wir zu den Fakten: Seit dem Gaza-Krieg im letzten Jahr sind die Terror-Angriffe der Hamas auf Israel fast auf Null zurückgegangen. Israel ist ein demokratischer Staat und wir müssen nun einmal die legitim gewählte Regierung akzeptieren, auch wenn ich eine Regierung mit einer Regierungschefin Zipi Livni lieber gesehen hätte. Hinter den Kulissen gibt es immer wieder Gespräche von hochrangigen Israelis mit Vermittlern und Palästinensern. Die moderaten Palästinenser sind die Gesprächspartner der Zukunft für Israel. Die Hamas hat mit ihrer teuflischen, die eigenen Landsleute täuschenden Politik verspielt.

Auch wenn die US-Vorgänger-Regierungen erhebliche Fehler wie den Zweiten Irakkrieg oder erhebliche Versäumnisse im Sudan zu verantworten haben, so kann Barack Obama nicht wie der große 'Heilsbringer' daherkommen und meinen, er habe die Allheillösung für den Israel-Palästina-Konflikt parat. Nein, Israel wird, wenn nötig, immer wieder sein Sicherheitskabinett zusammenrufen, um in kritischen Situationen die richtigen Entscheidungen zu treffen und um dann auch durchgreifend zu handeln, wenn dies für die Sicherheit des Nahen Ostens nötig sein wird."

Erwin Chudaska Rödermark

© SZ vom 08.06.2009/sus - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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