06. April 2009:Keine Söldner für Deutschland

Lesezeit: 4 min

"Verteidigung am Hindukusch" und "kleine Zeitsoldaten": SZ-Leser diskutieren zur Rolle von Wehrpflichtigen in der Bundeswehr.

"Die Behauptung, Hitler habe den Krieg mit Wehrpflichtigen geführt, ist nur vordergründig wahr und eher eine Verdrehung der Tatsachen. Die einzig brillante Reichswehr hat ihn möglich gemacht, eine Berufsarmee vor einem ebenso einmaligen Hintergrund des Friedensvertrages von Versailles, ohne ernsthafte parlamentarische Kontrolle oder Kontrolle durch eine Öffentlichkeit, beseelt vom Ehrgeiz, die Situation bei nächster Gelegenheit zu revidieren.

SZ-Leser diskutieren über den Leitartikel "Wehrpflicht wegtreten". (Foto: Foto: ap)

Sehr viel kleinformatigere Berufsarmeen, die ohne viel Federlesens das machen, was ihnen die Regierung vorgibt, gibt es selbst jetzt in Europa und Amerika, von Fremdenlegion und privaten Söldnertruppen, die dann auch noch aus Kosten- und Bequemlichkeitsgründen strafrechtlich immun gemacht werden, ganz zu schweigen. Das will die deutsche Bevölkerung mehrheitlich nicht, so auch keine "Verteidigung am Hindukusch" oder "militärische Großoperationen", die der Artikel in Aussicht stellt.

Der allzu oft, auch in der Süddeutschen Zeitung beschimpfte Stammtisch sieht das nicht ein, nicht weil er zu blöde ist, sondern weil es nicht einsichtig ist. Wenn ein militärischer Einsatz wirklich sein muss, muss es die breite Menge treffen und wollen. Und das stellen Parlament und Wehrpflichtige sicher. Jede Regierung wird sich hüten, sie unnötig zu gefährden. Die ebenso oft missbräuchlich zitierte Wehrgerechtigkeit lässt sich mit Leichtigkeit über den Zivildienst, wie schon lange gehandhabt, ausgleichen. Es ist eine unvergleichlich sinnvolle und dankbare Aufgabe und im übrigen ein unverzichtbarer Teil unseres Gesundheitswesens. Schließlich ist die zeitweise Einschränkung der Freiheit des einzelnen jungen Mannes der Preis unserer Freiheit generell."

Prof. Dr. Götz Uebe Ludwigslust

Im Dienst der Gesellschaft

"Ich habe nach Beendigung meiner aktiven Dienstzeit (1993) noch drei Mal freiwillig an Auslandseinsätzen der Bundeswehr teilgenommen, kenne also beides: die (alte) Wehrpflichtarmee zur Abschreckung und Landesverteidigung und auch die von Joachim Käppner so genannte "Interventionstruppe für weltweite Einsätze im Dienst des Friedens". Was er als "kleine Zeitsoldaten" bezeichnet, sind "FWDLer", als Kurzbezeichnung für "Freiwillig Wehrdienst leistender Soldat", Wehrpflichtige also, die ihre Dienstzeit über den Grundwehrdienst hinweg freiwillig verlängern.

Diese sind in der Truppe voll anerkannt; alle Zeit- und Berufssoldaten wissen, dass es ohne sie nicht geht. Tatsache ist, dass sie sich freiwillig für einen Auslandseinsatz zur Verfügung gestellt haben. Natürlich nicht alle, aber ein großer Teil von ihnen sind eine positive Auslese aus dem Kreis der Wehrpflichtigen. Wieso diese speziell für den Auslandseinsatz ausgebildeten Soldaten ein "gefährlicher Nachteil für die Struktur" der Armee sein sollen, kann ich nicht nachvollziehen.

Die angeregte "Option für Freiwillige, den Grundwehrdienst zu leisten" haben wir in der Praxis heute schon. Wer das nicht will, kann Zivildienst leisten. Eine Abschaffung der Wehrpflicht, für die Joachim Käppner plädiert, bedeutet natürlich auch eine Abschaffung des Zivildienstes. Ist das gewollt? Wäre das gut für unsere Gesellschaft? Sollten wir nicht im Gegenteil wegen der zunehmenden Aufgaben im Sozialdienst, vor allem in der Altenpflege, erneut über eine allgemeine Dienstpflicht für Männer und Frauen nachdenken?

Noch eine Anmerkung zum Thema "Wehrgerechtigkeit": Es wird nicht nur ein kleiner Teil der tauglichen Wehrpflichtigen gezogen, sondern etwa 70 Prozent. Dieser Anteil ist im Steigen begriffen, weil die Geburtsjahrgänge schwächer werden und - leider - auch der Anteil der Tauglichen sinkt. Eine Armee nur aus Zeit- und Berufssoldaten wird schon die Anforderungen, wie sie heute gestellt sind, nicht mehr erfüllen können. Sie bedarf der Ergänzung durch freiwillig längerdienende Wehrpflichtige und übrigens auch durch ältere Reservisten. An zusätzliche größere Aufgaben, etwa an eine Interventionsarmee in Darfur, kann überhaupt nicht gedacht werden."

Manfred Siegmann Nörten-Hardenberg

Mehr Strom, teurer Strom

"Zunächst Dank an Herrn Becker dafür, dass er umfassend und fundiert eine kritische Bestandsaufnahme zum Elektro-Auto vornimmt (,, Zukunft aus der Dose, 30.März). Bisher war die Argumentation zur Elektromobilität auf dem Niveau gelandet: Die deutsche Autoindustrie hat es verschlafen, hätte sie es nicht verschlafen, könnten wir heute alle sorgenfrei Strom geben.

Trotzdem fehlt auch hier ein zentraler Gesichtspunkt, der bisher in der Diskussion um den Elektroantrieb verdrängt wird. Wenn künftig in nennenswertem Umfang elektrische Energie für den Fahrzeugantrieb nachgefragt wird, dann führt das zwangsläufig zu Preiserhöhungen im Strommarkt. Im Strom liegt ja auch das Interesse der Energiekonzerne, die sich in jedem der laufenden Feldversuche als Partner engagieren. Elektrische Energie ist aber in vielen anderen Lebensbereichen unverzichtbar, in denen die höheren Stromkosten auch wirksam werden.

Mit höheren Preisen für Strom in Haushalt, Gewerbe und öffentlichem Bereich werden wir künftig den Kostenvorteil erkaufen, der heute für das Laden der Fahrzeugbatterien beschrieben wird. Wir alle werden dann beim Kochen oder für das elektrische Licht mehr zahlen, damit Käufer von Elektroautos für zwei Euro Ladekosten 100 Kilometer weit fahren können. Eine Trennung des Strommarktes nach den Verbrauchern im Verkehr und den übrigen Anwendungen halte ich technisch für nicht realisierbar.

Anders als die technisch weitgehend gleichen Mineralölprodukte Diesel und Heizöl, die über die Zugabe von Farbstoff differenziert werden, hat Strom kein Merkmal, an dem sich seine steuerliche Bewertung festmachen lässt. Das Thema gehört jetzt auf die Agenda. Von unseren Politikern müssen wir heute eine klare Position zu diesen Fragen fordern, bevor die technische Entwicklung zusammen mit dem Markt in einigen Jahren Fakten geschaffen hat."

Helmut Rohmer München

Schwieriger Atomausstieg

"Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee hat 115 Millionen Euro zur Förderung von Elektroautos im Bundestag durchgesetzt (,, Bund fördert Elektroautos'', 26.März) . Wie will er den Ausstieg aus der Atomkraft schaffen? Unsere Familie fährt seit vier Jahren Erdgaswagen mit höchster Zufriedenheit. Erdgasautos produzieren 25 Prozent weniger Kohlendioxid, fahren feinstaubfrei und stoßen 90Prozent weniger Kohlenwasserstoffe aus als Diesel oder Benziner.

In München beispielsweise hat Erdgas bereits bis zu 20 Prozent einen Biogasanteil. Bei den Erdgaswagen läge ein zukunftsweisendes Potential, für die bäuerliche Biogas-Produktion und den Klimaschutz. Sind Tiefensee vielleicht die Vorgaben seines Ministerkollegen Gabriel und der SPD-Spitze unbekannt? Wenn die SPD weiter so mit zwei Zungen spricht, braucht sie sich über Wählerschwund nicht zu wundern."

Agathe Lehle Kolbermoor

© SZ vom 06.04.2009/sus - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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