01. April 2009:Schein oder Sein

Lesezeit: 5 min

SZ-Leser diskutieren über die Ausländerfeindlichkeit bei Jugendlichen, den sportlichen Schein in den Medien und die Patientenversorgung.

Eine durchaus berechtigte Frage

Eine Erhebung zur Ausländerfeindlichkeit bei Jugendlichen löst Diskussionen aus. (Foto: Foto: dpa)

"Marc Felix Serrao versucht Befunde, wonach 14,4 Prozent der Neuntklässler als ausländerfeindlich einzustufen sind, anhand einzelner Fragen aus unserer Erhebung lächerlich zu machen (" Schlimm, echt schlimm", 24. März). Dabei verschweigt er, dass wir hier ein etabliertes, aus sechs Fragen bestehendes Forschungskonzept des ALLBUS (Allgemeine Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften) verwendet haben, das sich bereits in anderen Untersuchungen sehr bewährt hat.

Bewusst wird dort neben eindeutig ausländerfeindlichen Statements auch das von Herrn Serrao zitierte eingesetzt, bei dem Zustimmung gerade nicht als klarer Indikator für Xenophobie bewertet werden kann ("Die in Deutschland lebenden Ausländer sind keine Bereichung für die Kultur in Deutschland"). Auf diese Weise wird erreicht, dass die befragten Personen aufmerksam bleiben und jedes Statement wirklich für sich bewerten. Erst der Durchschnittswert aller sechs Aussagen erlaubt die Einschätzung der "Ausländerfeindlichkeit".

Aber dies enthält Herr Serrao den Lesern ebenso vor wie die Tatsache, dass wir die Mitgliedschaft in einer der etablierten Parteijugendorganisationen getrennt von der Frage erhoben haben, ob die Jugendlichen Mitglied "einer rechten Gruppe oder Kameradschaft" sind. Letztere Frage war eingebettet in den Komplex zu Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit. Serraos These auch "Mitglieder der Jungen Union" könnten hier "ja" angekreuzt haben, erscheint deshalb geradezu absurd.

Die Tatsache, dass 4,9 Prozent der männlichen 15-Jährigen diese Frage bejahen und dass von ihnen wiederum zwei Fünftel ausländerfeindliche Straftaten zugegeben haben (etwa gezielt Ausländer geschlagen und verletzt oder ein von Ausländern bewohntes Haus beschädigt) sehen wir als klaren Beleg dafür, dass die amtlichen Statistiken über die Zahl von jungen Rechtsextremisten eben nur Hellfelderkenntnisse wiedergeben.

Die vorgelegte Dunkelfeldforschung zeigt uns, dass wir allen Anlass haben, diese Befunde ernst zu nehmen und nun in einem zweiten Forschungsschritt zu untersuchen, warum es in West- und Ostdeutschland Städte und Landkreise gibt, in denen kein einziger männlicher Neuntklässler solchen rechten Gruppierungen angehört und andere, wo es bis zu zwölf Prozent sind. Erst wenn wir hierzu Erklärungen erarbeitet haben, können wir die von Herrn Serrao vermissten Präventionsvorschläge vorlegen."

Prof. Dr. Christian Pfeiffer Direktor Kriminologisches Institut Hannover

Sport, Profit und die Medien

""Vom Sport lässt sich auch die Politik die Sinne vernebeln'', mit dieser Metapher beschreibt Klaus Hoeltzenbein treffend das fast tatenlose Zusehen der Politik bei Dopingpraktiken (" Der Schein des Sports", 23. März). Aber vernebeln nicht auch die Einschaltquoten und die Auflagenziffern die Kritikfähigkeit der Medien? Der enorme Druck des Gewinnen-Müssens wird vor allem von den Medien erzeugt. Der Erfolgsdruck ist eine wesentliche Ursache für den Verfall der Moral im Sport, den Hoeltzenbein beklagt.

Und die Unsummen, die für Fußballer ausgegeben werden, werden selbst von Akademikern nicht in Frage gestellt, sondern gelten als Rechtfertigung für andere Wahnsinnsgehälter, die von der Öffentlichkeit inzwischen zunehmend kritisch hinterfragt werden. Die Medien selbst leisten den entscheidenden Beitrag dafür, den Stellenwert des Fußballs im öffentlichen Interesse zu erhöhen. Das erklärt auch, warum beispielsweise über Dopingvergehen im Fußball recht lax berichtet wird, obwohl sie inzwischen immer häufiger beobachtbar sind.

Über Doping im Radfahren berichteten alle Medien ausführlich und zogen Konsequenzen. Aber sind die Radsportler nicht die "Bauernopfer", die gebracht werden müssen, um viele andere Sportler wie etwa die Biathleten , die Langläufer und vor allem die Fußballsspieler zu schonen?

Was wären die Medien , viele Journalisten, ohne die vielen Stunden und Seiten über den Fußballsport? Fußball ist - wie viele andere Disziplinen auch - ein herrlicher Sport, aber durch den Vorrang des Profitdenkens im Sport, ist er dabei, in gefährliche Zonen abzurutschen. Der Fall Pizarro ist da nur ein Beispiel. Können die Medien die Kraft finden, diesem Trend entgegenzusteuern?"

Helmut Gattermann Merzhausen

Regelleistungen aus Patientensicht

"Statt in jeder Ausgabe die Geldgier der Ärzte mit mildem Spott und betörender Ahnungslosigkeit journalistisch zu begleiten, sollten Sie sich die "Gesundheitsreform" auch einmal aus Patientensicht näher anschauen.

Die "Regelleistung", Untersuchung und Beratung einer Patientin, die mit Beschwerden in die bayerische Frauenarztpraxis kommt, beträgt 14,40 Euro für drei Monate, auch bei mehrmaligem Arztbesuch und auch z.B. bei einer Krebserkrankung; denn auch die Onkologie-Pauschale ist, wie vieles andere, in der Regelleistung aufgegangen.

Das heißt: es gibt nicht den geringsten Spielraum, keinen einzigen Cent, für eine qualitativ hochwertige spezialisierte Medizin, wie etwa eine Ultraschalluntersuchung der Brust oder für Psychosomatik, "sprechenden Medizin", wie sie jetzt wieder ins Spiel kommt, gleich nachdem die "Gesprächsziffern" gestrichen wurden.

Wenn die Patientin mit Kinderwunsch oder Eierstockzyste eine ihrem Krankheitsbild angemessene Diagnostik und Therapie verlangt, was auch angesichts ihrer wieder gestiegenen Kassenbeiträge und der sog. Praxisgebühr verständlich ist, müssen wir die Patientin an eine Universitäts-Poliklinik (bald auch in ein Klinikzentrum nach DDR-Vorbild) überweisen oder ihr die medizinisch notwendigen Leistungen nach den einschlägigen Bestimmungen teilweise privatärztlich in Rechnung stellen. Die Kosten sind nicht erstattungsfähig, obwohl sie nicht Wahlleistungen im eigentlichen Sinn darstellen.

Auch wenn das nicht in Ihr mit Hingabe gepflegtes Bild vom Arzt paßt: bayerische Fachärzte kämpfen und streiken auch für eine bessere Versorgung ihrer Patienten."

Dr. med. Peter Heubeck Olching

Richtigstellung

Zu dem Artikel "Zwischen " Therapie und Praxis" vom Dienstag, den 24.3.09, ist eine Richtigstellung fällig.

Es ist nicht richtig, daß eine Augendruckuntersuchung 93,84€ kostet. Die Vorsorgeuntersuchung auf grünen Star kostet (nicht nur bei mir) 15€. Sie schreiben, daß individuelle Vorsorgeleistungen aufgedrängt würden, deren "medizinischer Nutzen fraglich ist" .Woran wollen Sie hier den Nutzen messen, wenn nicht an denen, die bei der Früherkennung erfasst werden, und so rechtzeitig behandelt werden können. Das Glaukom ist nun mal eine Erkrankung. die über lange Zeit keinerlei subjektive Beschwerden macht und so mit abgelaufenen Schäden leicht übersehen wird.

Ich bin seit Jahren Leserin der SZ, finde aber, daß die Situation der Ärzte von ihnen sehr einseitig beschrieben wird - meinem Berufsstand und also auch mir werden eine Haltung und ein Verhalten zugeschrieben, die mir fremd sind. Das empfinde ich unfair und verletzend."

Dr. Monika Venhofen München

Guter oder schlechter Arzt?

"Der Vorwurf: Durch die neue Honorarreform gewinnen die mittelmäßigen Ärzte auf Kosten der Spezialisten" bis zu dem Satz "Wir müssen das System so umbauen, dass die besten Ärzte das meiste Geld bekommen" ist äußerst problematisch. Es muss erst definiert werden, was mittelmäßige Ärzte und was die besten Ärzte bedeutet.

Kennt man Querelen der letzten Monate, so ist klar, was gemeint ist: Die Formulierung gewinnen die mittelmäßigen Ärzte auf Kosten der Spezialisten ist Üble Nachrede gegen die Fachärzte für Allgemeinmedizin, was von der Standesvertretung der Hausärzte angeprangert wurde. Ferner trifft es nicht zu. Nimmt man das Einkommen als Maßstab für "mittelmäßige" oder "beste Ärzte", so wäre der Verwaltungsvorstand der KVB der bei weitem allerbeste Arzt, die Fachärzte die besten Ärzte und die Hausärzte nur mittelmäßig. Derartige Äußerungen sind einem Akademiker nicht angemessen.

Er müsste genug analytischen Verstand besitzen, zu wissen, dass Fachärzte keine besseren Ärzte sind als Hausärzte, sondern dass es eine sehr individuelle Angelegenheit ist, ob ein Arzt ein guter oder ein mäßiger Arzt ist. Der spektakuläre Einsatz eines Stents in eine Koronarstenose kann durch den vom Kardiologen nicht erkannten Darmkrebs das Leben des Patienten nicht retten. Oder ist ein Kardiologe ein besserer Arzt als ein Gastroenterologe ? Operation gelungen -Patient tot. Spezialwissen und Spezialkönnen in einem Teilgebiet ist sicherlich sehr gut, aber es ist nicht besser als ein Überblick über die volle Palette der Erkrankungen, wie sie ein guter Allgemeinmediziner hat. Es gibt durchaus auch schlechte Kardiologen wie es auch schlechte Allgemeinmediziner gibt.

Soweit sollte Herr Munte denken können. An einer Tankstelle und in der Bank bekommt weder der Kardiologe noch der Allgemeinmediziner etwas umsonst. Das muss Herr Munte auch akzeptieren. Der Nachwuchs fehlt auch bei den Spezialisten - wie ist das möglich bei bisher guter Bezahlung der Spezialisten und angeblich guter Bezahlung der mittelmäßigen Ärzte? Der Verwaltungsvorstand der KV hat als Arzt ein so gutes Einkommen, dass er seine Arbeit in der KV ehrenamtlich führen kann. Er gehört dann nicht zu den "Raffzähnen".

Fakt ist, dass der Nachwuchs fehlt. Die Krankenkassen, die Arbeitgeber aller Arzte, schlossen laut Süddeutsche Zeitung vom 2. März 2009, Seite 6, mit einem Überschuss in hoher dreistelliger Millionenhöhe ab. Es ist bereits der fünfte Jahresüberschuss in Folge. 8,3 Milliarden ( nicht Millionen ) Euro Schulden bei einzelnen Kassen getilgt, mehr als vier Milliarden Euro Rücklagen."

Dr. med. Ingrid Metz München

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