Zugreisen:Australien der Länge nach

Lesezeit: 6 min

Champagner-Begrüßung, Gourmet-Menüs und Federbetten - so stilvoll reist man mit dem "Ghan" durch Australien.

Zwei Lokomotiven, 800 Meter Zug und 2979 Kilometer Schienen vor der Brust: Zu Beginn der Bahnreise längs durch Australien knistert am Bahnsteig in Darwin das Reisefieber. In zweieinhalb Tagen zuckelt der "Ghan" durch den trockensten Kontinent der Welt, vom tropischen Norden bis nach Adelaide an der Südküste. Rotes Niemandsland und Wüste liegen vor den Reisenden - und je nach gebuchter Klasse Champagner-Begrüßung, Gourmet-Menüs und Federbetten. In jedem Fall aber gibt's jede Menge Naturspektakel vor den Fenstern.

Australien
:Zugreise mit dem "Ghan"

Ein Kontinent im Vorbeifahren: Der "Ghan" fährt von Darwin bis Adelaide.

Der Zug kriecht in Darwin aus dem Bahnhof und rollt im Schritttempo über Bahnübergänge und an ein paar Gärten vorbei. Der wuchtige "Ghan" sieht in der städtischen Enge wie ein Elefant im Porzellanladen aus. Seine Welt ist das Outback, das australische Hinterland, wo die Landschaft weit und die Bebauung extrem spärlich ist. Dort gewinnt er an Fahrt und beschleunigt auf 115 Kilometer in der Stunde.

Der Zug rast aber nicht - er reist. Nichts muss so schnell wie möglich gehen, keiner ist gehetzt. Denn für die Passagiere ist der Weg das Ziel. Wer es eilig hat, fliegt lieber. Kaum sind die letzten Häuser von Darwin passiert, beginnt die zunächst noch grüne Weite. Aber das tropische Küstenklima verliert sich schnell; die üppig grünen Büsche und Bäume werden schon auf den ersten 100 Kilometern immer spärlicher. Stahlblauer Himmel und weiße Wölkchen hängen über der berühmten rostroten Erde des Landes. Eine Riesenstaubwolke am Horizont verrät Leben - hier muss eine der teils Tausende Quadratkilometer großen Rinderfarmen sein.

Im "Ghan" ist gerade Lunch angesagt: Gold- und Platinum-Gäste werden für den stolzen Preis, den sie hingeblättert haben, im Restaurant "Queen Adelaide" verwöhnt. Pilzragout und Lachssalat stehen auf dem Menü.

Der Zug stoppt in Katherine, rund 320 Kilometer südlich von Darwin. Die Passagiere können die spektakuläre Katherine-Schlucht erkunden, in der mit Felsenmalereien der dort ansässigen Jawoyn gibt, eines der mehr als 500 Ureinwohner- oder Aborigine-Stämme. Hier leben auch "Freshies", wie die Frisch- oder Süßwasser-Krokodile liebevoll genannt werden. "Salties", ihre Verwandten aus dem Meer und aus den Brackwasserzonen Nord-Australiens, verirren sich ebenfalls manchmal hierher. Sie sind größer und wesentlich aggressiver. Wenn eines gesichtet wird, sind Paddelausflüge in der Schlucht verboten.

Nach dem Stopp in Katherine richtet sich die Zuggesellschaft langsam auf den Abend ein. Die untergehende Sonne strahlt die Landschaft glutrot an. Der Zug wirft auf der östlichen Seite lange Schatten auf die Steppe. Eine schnurgerade Straße kommt in Sicht, mit einem Stoppschild vor dem Bahnübergang. Wer in dieser Einöde leben mag?Menschen lassen sich nirgends blicken.

Auch die 2979 Kilometer lange Strecke ist fast schnurgerade. Wer rechts sitzt, bekommt den Sonnenuntergang mit, die Gäste auf der linken Seite müssen auf "ihr" Naturspektakel, den Sonnenaufgang, bis zum Morgen warten. Im Salon wird für die bessere Gesellschaft Schaumwein kredenzt, im Restaurant gibt es Känguru-Steak und Schweinerippchen. In den Abteilen lassen die "guten Feen" des Personals die Betten herunter. In der Goldklasse teilen sich zwei Reisende ein Abteil mit Etagenbetten, die Platinum-Kabinen haben ausgeklappte Doppelbetten.

Es ist stockfinster draußen. Keine Lichtquelle trübt den Horizont. Der Zug ruckelt unter der Oberaufsicht von Dean Duka sanft über die Schienen. Er hält Kontakt mit den Lokomotivführern, die den Zug steuern, immer geradeaus. "Ein Alarmknopf im Führerstand blinkt alle 90 Sekunden. Wenn der Fahrer nicht draufdrückt, bleibt der Zug stehen", erklärt Duka. Nicht, dass die Fahrer Langeweile bekämen - sie müssen Weichen teils sogar von Hand umstellen. Die Strecke ist weitgehend eingleisig. Immer wieder bleibt der Zug stehen, um einen Frachtzug oder den "Ghan" in der Gegenrichtung passieren zu lassen.

Dukas Albtraum in den gut 55 Stunden bis Adelaide: Verspätung durch Überschwemmungen, Frachtzüge oder technische Probleme. "Wer lange auf diese Reise gespart hat und in Katherine oder Alice Springs nicht genug Zeit für Ausflüge hat, wird zurecht stinksauer", sagt er.

Der "Ghan" unternahm am 4. August 1929 seine Jungfernfahrt. Damals wurde ein Teilstück im Süden eröffnet, von Adelaide bis nach Alice Springs im Zentrum Australiens. Es sollte 75 Jahre dauern, bis die Gleise im Jahr 2004 auch Darwin erreichten. Seinen Namen bekam der Zug von den Kameltreibern aus Afghanistan, die den Kontinent im 19. Jahrhundert erschließen halfen.

Dean Duka ist an diesem Tag entspannt. Auf die Minute pünktlich rollt der Zug in Alice Springs ein. Viele Reisende unterbrechen die Fahrt hier für ein paar Tage. Es gibt jede Menge Ausflugsziele, darunter die spektakuläre Sandsteinformation Uluru, früher Ayers Rock genannt, und Hermannsburg, wo deutschstämmige Missionare im 19. Jahrhundert damit begannen, Ureinwohner zu Christen zu machen. "Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren" steht auf Deutsch noch heute über dem Kircheneingang.

Hier wurde im Jahr 1902 der Aborigine-Maler Albert Namatjira geboren, der durch seine Aquarelle mit den weißen Gummibäumen weltbekannt wurde. Als seine Werke gefragt und teuer wurden, machten die Briten ihn als ersten Ureinwohner zum australischen Bürger - um Steuern eintreiben zu können.

Von Hermannsburg zwei Stunden entfernt ist das Palm Valley mit dem Aborigine-Namen Mpulungkinya. Hier sind die letzten Überreste der üppigen Tropenlandschaft zu sehen, die Australien einst nicht nur im Norden bedeckte. 12.300 Palmen stehen in der Schlucht zwischen den roten Felsen, teils mehr als 30 Meter hoch und 100 bis 300 Jahre alt.

Das Tal kann nach einer Fahrt in einem Bus mit Allradantrieb nur zu Fuß erkundet werden - und das ist ein Ohren- und Augenschmaus: Vögel, Zikaden, Bienen, rote Kerzenblumen, gelbe Büsche, so etwas wie blaue Mini-Veilchen und grüne Büsche in allen Schattierungen sind zu sehen.

Jungala Kriss bringt Besuchern Alice Springs und Umgebung gerne auf dem Fahrrad näher. "Der Ort heißt in unserer Sprache Mparntwe", sagt der Mann vom Stamm der Arrente. Er erzählt von den teils hunderte Kilometer lange Liederstraßen der Aborigines. Die Stämme, die an der Strecke wohnen, haben jeweils "ihre" Strophe, der nächste Stamm führt das Lied weiter. Jungala bleibt immer wieder stehen und lässt die Natur lebendig werden. Die Delle in der Bergkante - das ist der Ort, wo ein Hund einen Eindringling konfrontierte. Der rötlich gefärbte Felsbrocken sind die Innereien des besiegten Fremden. Zwei Hügel nebeneinander werden als "reisende Schwestern" vorgestellt.

Alice Springs macht einen gespaltenen Eindruck. Hier die weißen Australier, da die Ureinwohner, die am Sonntag auf dem Flohmarkt hinter den Ständen mit dem bunten Schnickschnack in der zweiten Reihe auf der Wiese sitzen und Malereien verkaufen. "Wir arbeiten daran, zusammenzuwachsen", sagt Deborah Rock, die eine rustikale, aus Holzplanken des alten "Ghan"-Zugs gebaute Pension betreibt. Sie selbst hat gerade angefangen, die Sprache der Arrente zu lernen, und eine Gruppe engagierter Einwohner träumt davon, Alice Springs irgendwann offiziell zu einer zweisprachigen Stadt zu machen.

Mit dem "Ghan" geht es nachmittags weiter. Die "guten Feen" haben ein Mini-Tübchen Gesichtscreme ins Bad gelegt - ein Geschenk nach der äußerst trockenen Luft von Alice Springs. Und dann beginnt das Sonnenuntergangsspektakel. Orange leuchtet der Horizont, darüber gelb und weiter oben hellblau. Vor dem Fenster auf der anderen Zugseite hat der Maler die Farben anders gemischt: Dunkelblau der Horizont, dann ein pinkfarbenes Band, Gelb und Hellblau. Das dunkle Blau breitet sich nach oben aus und verschluckt die Farbenpracht. Der Westen trotzt dem Dunkel noch: Vor dem Horizont zeigen sich die Bäume wie für immer verewigt als messerscharfe Scherenschnitte.

Immer schmaler wird die angeleuchtete Bühne. Dann bricht die Nacht herein, und nach einem weiteren farbenfrohen Sonnenaufgang rückt vor Adelaide das Urbane langsam wieder ins Blickfeld: Städtchen, Bahnübergänge, schließlich die Küstenstadt.

Außer in der Platinum-Klasse sind die Abteile nicht gerade üppig, aber der lange Zug bietet mit gemütlichem Salon und Restaurant jede Menge Auslauf. Wer in der billigsten Kategorie im Ruhesessel reist, muss mit Komfort wie in der Economy Class eines Langstreckenflugs rechnen, während die Natur langsam an den Fenstern vorbeizieht.

Anreise: Von Frankfurt/Main fliegen Qantas, Lufthansa, Singapore Airlines und andere Anbieter nach Singapur, wo es Anschluss mit der Qantas-Tochter JetStar nach Darwin gibt. Auch von München aus gibt es Nonstopflüge nach Singapur. Von Adelaide fliegen Qantas und Singapore Airlines - wiederum mit Zwischenstopp - zurück in Richtung Europa.

Formalitäten: Deutsche benötigen für Australien ein Visum. Es muss vor dem Reiseantritt elektronisch beantragt werden (http://www.eta.immi.gov.au/) und wird meist innerhalb von Sekunden gewährt. Es kostet 20 Dollar (14,30 Euro) und gilt ein Jahr lang.

Klima und Reisezeit: Von Juni bis August kann es in Alice Springs abends kühl werden, in Adelaide sogar richtig kalt. November bis Januar sind dagegen mit Temperaturen von mehr als 40 Grad die heißeste Zeit im Zentrum des Kontinents. Im tropischen Norden ist dann Regenzeit. Beste Reisezeiten sind Frühling und Herbst.

Zeitverschiebung: Während der europäischen Sommerzeit sind das Northern Territory und South Australia Deutschland um 7,5 Stunden voraus. Während der australischen Sommerzeit von Oktober bis April beträgt der Abstand zu South Australia 9,5 Stunden. Zum Northern Territory, wo keine Sommerzeit gilt, sind es dann 8,5 Stunden.

Geld: Für einen Euro gibt es etwa 1,40 australische Dollar (Stand: September 2010). Kreditkarten werden überall akzeptiert. Bargeld lässt sich mit der EC-Karte an Antomaten ziehen.

Weitere Informationen: http://www.australia.com

© Christiane Oelrich/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: