Wohlstand durch Yabbies:Alle Freiheit

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Mary Nenke liebt das einfache Leben auf der Farm im Weizengürtel in Westaustraliens Hinterland. Doch ihr Geld verdient sie mit Flusskrebsen - auch die Nachbarn profitieren von der neuartigen Geschäftsidee.

Von Johanna Pfund

Mary Nenke kommt gerade aus der Stadt zurück. "Ich halte dort viele Reden", erklärt die 71-Jährige. Über Landwirtschaft, über Unternehmerinnen. Aber kein Problem, sie hat sofort Zeit. Es sind ja nur 300 Kilometer zwischen der Stadt Perth und ihrer Farm in Kukerin, keine nennenswerte Strecke für australische Verhältnisse. Aber dazwischen liegt gefühlt eine halbe Welt. Perth ist die Metropole des australischen Westens am Indischen Ozean. Kukerin im Getreidegürtel Westaustraliens dagegen könnte kaum unbedeutender sein: 150 Einwohner, ein Hotel aus Backstein, ein General Store, ein Park, benannt nach der Nenke-Familie. Das war's. Das Motto des Städtchens "Off the beaten path", jenseits ausgetretener Pfade, passt. Die Umgebung besteht aus Farmen, vereinzelten Baumreihen und endlosen Feldern. Zufällig kommt hier kaum jemand vorbei.

"Die Farmen hier werden immer größer", erzählt Mary Nenke. Die Menschen dagegen immer weniger. Nur noch drei Prozent der australischen Bevölkerung arbeiten in der Landwirtschaft. 500 Einwohner hatte das Städtchen, als Mary Nenke vor 50 Jahren auf die Farm einheiratete - was sie eigentlich nicht wollte. Sie wollte auch nicht katholisch werden und sechs Kinder haben, erzählt sie. Ist jetzt aber so, und man hat nicht den Eindruck, es würde sie belasten. Bedrückt haben sie eher die wirtschaftlichen Probleme. Eine Rezession Anfang der 1990er zwang die Farmerfamilie, die wie viele in der Gegend mit Schafen und Getreide wirtschaftete, neu zu denken. "Ich war immer für Diversifizierung", sagt Mary Nenke. Sie griff die Idee ihres Sohnes Paul auf: Er hatte aus den Bewässerungsteichen Yabbies, eine australische Flusskrebsart, gefischt und verkauft. Innerhalb von zwei Jahren wurde der Krebsverkauf zum Haupteinkommen. Farmer aus der Umgebung liefern bis heute die Krebse aus ihren Teichen zu, die Nenkes geben Tipps zum Füttern und zum Reinhalten des Wassers, Pestizide vertragen die Krebse nicht. So wurde die Familie zu einem der weltweit größten Krebs-Exporteure. Im bislang besten Jahr 2000 verschickten sie 4,2 Tonnen Flusskrebse - pro Woche.

Die steile Erfolgskurve hat aber auch Dellen. "Wir mussten dazulernen", sagt Mary Nenke. Etwa, wie das Wasser gereinigt werden kann. Dann begann Mary, Dinnerveranstaltungen zu organisieren, in der einstigen Schafscherhalle. Die Leute reisten an, in ihren Wohnmobilen. Daraus erwuchs das nächste Projekt: Mary's Farm Cottages. Acht Ferienhäuschen mitten im Hinterland, Freiheit garantiert. Die Freiheit ist das, was Mary Nenke hier schätzt. Die jungen Leute, sagt sie, gehen "coastal", ziehen an die Küste. Dabei hätten sie hier alle Freiheit. Sobald die Kinder mit den Füßen an die Pedale kommen, dürfen sie Traktor fahren. Und Mary Nenke wünscht sich wieder mehr Kinder, mehr Menschen in Kukerin - damit das soziale Leben funktioniert.

Infos: www.marysfarmcottages.com.au

© SZ vom 27.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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