Wind- und Kitesurfer:Kraft der Natur

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Ganz Sylt lebt vom Wind - er ist einer der wichtigsten Freizeitfaktoren der Insel (im Bild der Weltcup der Windsurfer Anfang Oktober). Doch die Sportler müssen auch auf die Natur Rücksicht nehmen. (Foto: Frank Molter Fotografie/dpa)

Wassersportler finden auf Sylt geradezu perfekte Bedingungen vor. Sie müssen nur aufpassen, dass sie der Fauna in den Meeresschutzgebieten nicht zu nahe kommen.

Von Thomas Hahn

Der Sommer auf Sylt hat Charakter, das mag Christopher Bünger an ihm. Die warme Jahreszeit ist hier selten so richtig warm, und durchgängigen Prospektsonnenschein darf auf Nordfrieslands größter Insel niemand erwarten. Aber das findet Bünger nicht schlimm. Vor Jahren hat er mal einen schlechten Sylter Sommer erlebt. Ein Gewitter folgte dem nächsten, der Wind fand kaum ein Mittelmaß zwischen Sturm und Flaute. Aber das war eine Ausnahme. Auch der Sommer 2017 war gut. "Wir hatten keine vier, fünf Tage, an denen es durchgeregnet hat", sagt Bünger. Und der Wind war da, er blies ehrlich und kraftvoll, das war wichtiger als eitler Sonnenschein. Denn Bünger, 33, Chef der Surf- und Segelschule "Südkap Surfing", lebt vom Wind.

Ganz Sylt lebt vom Wind. Gerade dieser Tage wird einem das bewusst, da die Weltcup-Elite des Windsurfens in Westerland gastiert. Ein kleines Volksfest ist gewachsen an der Strandpromenade, auf der Nordsee zeigen die Athleten ihre Künste im Sturm. Anderswo ist der Wind ein Ärgernis, hier ist er der Motor der Show - und nicht nur das. Der Wind ist eine ganz besondere Kraft. Er hat die Menschen schon in der Antike mobil gemacht und Seefahrer in unentdeckte Gegenden gelenkt. Er war der Antrieb der Globalisierung, noch bevor der Begriff überhaupt erfunden war.

Heute ist der Wind einer der wichtigsten Freizeitfaktoren in Strandregionen. Ausgewählte Orte werden zum Pilgerort für begabte Wellenreiter und Windsurfer, weil der Wind dort besonders zuverlässig weht oder die Wellen besonders hoch schlagen. Aber auch die Masse sucht den Wind, erst recht, seit sich die junge Sportart Kitesurfen ausgebreitet hat, die weniger materialintensiv und leichter zu erlernen ist als Windsurfen.

Und Sylt ist so etwas wie Deutschlands Windkammer. "Das kommt von der exponierten Lage", erklärt Bünger, "wir sind so weit nördlich, dass wir immer die Atlantik-Ausläufer abbekommen." Für ihn ist Sylt "der beste Spot in Deutschland" - wobei er wohl etwas befangen ist als örtlicher Surfschuldirektor und Teilnehmer am Windsurf-Weltcup. Das Revier hat auch seine Tücken. Das Wetter wechselt schnell, ständig verschiebt die Strömung die Sandbänke. Die Nordsee ist unberechenbar, und die Sommer sind kühl. Aber es stimmt: Sylt gilt als Urzelle des deutschen Surfens.

Rastende Seevögel verschreckt der Schatten eines Kite-Drachens

Der Wind lockt. Mancher Surffreund hat deshalb schon seinen Lebensmittelpunkt nach Sylt verlegt. Und viele Urlauber belegen Kurse in den diversen Surf-Disziplinen, weil sie eine Sehnsucht danach haben, sich von der Naturgewalt über die Wellen schieben zu lassen. Bünger merkt es in seiner Schule. "Wassersport ist ein absoluter Trend geworden", sagt er.

Der Trend hat allerdings auch einen Haken, der an der Nordseeküste zeitweise zu erbitterten Diskussionen geführt hat: Die Interessen von Wassersportlern und Naturschützern passen manchmal einfach nicht zusammen. Die einen wünschen sich eine Freiheit, welche die anderen ihnen aus Sorge um die Fauna nicht lassen können. Vor allem das Kitesurfen kann eine Störung sein für die Tiere in den sensiblen Schutzgebieten des Wattenmeers. Kitesurfer lassen sich von einem Drachen durchs Wasser ziehen, der an einer 20 Meter langen Leine hängt. Wenn zum Beispiel der Schatten dieses Drachens auf eine Sandbank mit rastenden Vögeln fällt, besteht die Gefahr, dass sie darin den Schatten eines Raubvogels sehen und sich erschrecken.

Die Lösung hat die Landesregierung mit dem grünen Umweltminister Robert Habeck längst auf den Weg gebracht: klar abgegrenzte Kitesurfzonen. Aber Kitesurfer brauchen Platz, damit sie mit ihren langen Leinen nicht zusammenstoßen. Vor allem überregionale Kite-Verbände wehrten sich gegen Einschränkungen, gerade in den Touristenorten an der Küste, in St. Peter-Ording oder Büsum. Und auf Sylt?

Die Gemeinde der Windsportler regt sich hier nicht auf über die Umweltschutz-Auflagen. Wer die Insel kennt und liebt, dem leuchtet es ein, dass der Sport Abstand zum Naturschutzgebiet halten muss. "Man hat ja auch eine gewisse Verantwortung", sagt Bünger. Außerdem haben die Sportler mitgearbeitet am Plan der neuen Kitesurfzonen. Als sich die Anzeichen verdichteten, dass neue Regeln für Kitesurfer kommen würden, gründeten sie einen eigenen Kite-Klub als Interessengemeinschaft. Dieser war dann dabei, als Ämter, Gemeinden und Nationalparkkuratorien erörterten, wo Kitesurfer vor Sylt kreuzen dürfen und wo nicht. Vor zwei Jahren war das. "Das bekommen wir hin", sagte damals Detlef Hansen, der Leiter der Nationalparkverwaltung.

Und sie bekamen es hin. Die Sylter Kitesurfzonen stehen, sie müssen nur noch Gesetz werden. Bünger ist zufrieden und versucht, an seiner Schule den Ton zu setzen für den Wert des Meeresschutzes. "Wir bringen den Leuten von vornherein bei, dass es Gebote gibt, an die man sich halten muss." Er liebt den Wind. Er liebt dieses Gefühl von Freiheit, das der Wind immer wieder durch seine Seele bläst, wenn er mit Kite oder Segel auf dem Wasser ist. Aber gerade weil Christopher Bünger diese Freiheit liebt, achtet er ihre Grenzen. Sein Lieblingssportplatz, die Natur, soll nicht leiden unter seiner Freude am Surfen.

© SZ vom 05.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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