Wellness:Vom Rohrstock zum Glücksbringer

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Bambus - ein Material und seine beispiellose Karriere

Sabine Buchwald

Nicht allein Rocklänge und Absatzhöhe sind der Mode unterworfen, auch was in unseren Gärten und Blumentöpfen wächst. In den Fünfziger- und Sechzigerjahren war der Gummibaum liebstes Kind im Wohnzimmer, in den Siebzigern wucherte büschelweise Farn im Schein der Kugellampen. Mit Fernweh im Herzen schenkte man ein Jahrzehnt später Palmen, und noch in den Neunzigern durfte bald in jeder WG ein Ficus Benjamini seine Blätter auf den Teppich werfen. Zum Jahrtausendwechsel verbreitete sich der Asia-Trend und mit ihm das Bedürfnis nach Beständigkeit, Glück und Harmonie. Keine Pflanze drückt dies besser aus als Bambus.

(Foto: Foto: PhotoAlto)

"Ohne Fleisch können wir leben, ohne Bambus müssen wir sterben", soll Konfuzius gesagt haben. Seinen Nachfahren gilt Bambus als Symbol für ein langes Leben, in Indien steht er für Freundschaft. Die Japaner verehren ihn wegen seines geraden Wuchses und immerwährenden frischen Grüns als Symbol der Reinheit. Reinheit als Tugend und Attribut der Körperpflege hat Konjunktur. In Fachgeschäften geben Produktlinien in Grünnuancen den Ton an. Neu ist der Zusatz von Bambus-Extrakten als Feuchtigkeitsspender, wie in "Blissful Body Cleaner" (von Bodyshop) oder als Cremedusche zusammen mit Reismilch (von Tetesept). Ein Juwel für die Handtasche und ganz frisch auf dem Markt ist ein Lippenglanz in der Form einer kleinen Bambusstange (von Clinique).

Grünes Gold und flotte Socke

Bodenständig verwendet wird das exotische Wundermaterial als Parkett. Es ist so robust wie Eiche und gibt jedem Zimmer eine fernöstliche Note.Wer nach japanischer Art ohne Schuhe das Haus betritt, kann dies mittlerweile auch mit weichen Socken aus Bambusfaser an den Füßen. Sie seien atmungsaktiv und wirkten antibakteriell verspricht der Hersteller ("Nur die"). Gelackt oder naturbelassen in hellen Sandtönen, drängen seit einiger Zeit Vasen, Schalen und andere Gebrauchsgegenstände aus verleimten Bambus- Stäbchen in die westliche Wohnkultur.

Beliebt und im Repertoire von Möbelhäusern und Supermärkten ist der "Lucky Bamboo", der kein echter Bambus ist und auch keine Unterart der Yucca-Palme, sondern ein Drachenbaum. Aber Glück ist ja bekanntlich blind. Der echte Bambus gehört zu den Gräsern, ist bis auf wenige Ausnahmen innen hohl und in Segmente aufgeteilt. Stabil werden die langen Röhren, wie Grashalme, durch regelmäßige Verdickungen, Nodien genannt. Bambus schießt ungeheuer schnell in die Länge - während der Wachstumsphase bei großen Arten 60 bis 70 Zentimeter täglich.

Der japanische Moso-Bambus gilt als der größte. 50 Meter Länge und einen Durchmesser bis zu einem halben Meter erreichten die Stangen in seinem Wald, behauptet der Bambusforscher Shunsuke Nakamura, der in einem aufwändigen Verfahren Bambusessig herstellt. Der soll als Badezusatz, für Mundspülungen, als Düngemittel und zur Schädlingsbekämpfung einsetzbar sein. In pulverisierter Form in einem Pflaster an die Fußsohle geklebt, spricht ihm Nakamura vitalisierende Wirkung zu. Im Inneren der Bambushalme steckt eine ebenso bei uns anerkannte Heilquelle - Silizium oder auch Kieselsäure. Tabaschir, so nennen Asiaten die Siliziumknolle des Bambus, wird seit Jahrhunderten bei Vergiftungen, zur Entschlackung und bei Depressionen gegeben. Auch die Bambusschösslinge, als Gemüse aus den Garküchen Thailands oder Chinas nicht wegzudenken, enthalten viel Kieselsäure, die für Haare, Haut und Knochenaufbau unentbehrlich ist.

Bambus gedeiht in schätzungsweise 115 Gattungen mit 1.300 Arten in allen Erdteilen auch unter strengen klimatischen Bedingungen. In Bayern beglücken sechs bis sieben Meter hohe Sorten, auf der Bodensee-Insel Mainau schießen sie bis zu 15 Meter in Richtung Sonne. In der östlichen Anden-Kette und im Himalaya wächst Bambus auch noch auf 4000 Metern Höhe.

Vom Süden bis in den Osten Asiens beeinflusst der Bambus die Kultur und den Alltag. Er heißt dort auch bisweilen "Grünes Gold". Wie kaum ein anderes Gewächs dient er dem Menschen mit all seinen Bestandteilen. Aus den Fasern lässt sich allerlei flechten und weben. Die überaus flexiblen Halme brechen nicht unter Schneelast, halten Taifunen, selbst Atombomben stand und sind deshalb grandioses Baumaterial. Ihre Außenschicht erwies sich im Test als so hart wie Stahl, was früher so manch Pennäler zu spüren bekam, wenn der Rohrstock auf seine Finger sauste.

Nur eines bezwingt den Bambus: die eigene Blüte. Die führt, weil jede Sorte von der gleichen Ursprungspflanze abstammt, weltweit zum kollektiven Sterben.

Weitere Informationen: Bambus Zentrum München, Tel.: 089-96201060, www.bambus-muenchen.de Bambus Zentrum Rhein-Main, Tel.: 06184-2557; www.bambusgarten.de Europäische Bambus-Gesellschaft, www.bambus-deutschland.de Bambus total: das südfranzösische Bambouseraie bei Anduze; www.bambouseraie.fr

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