Wandern in Deutschland:Müllers Lust

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Wandern in Deutschland erlebt einen Boom. Neue Wege werden nun gezielt auf die jeweiligen Wünsche der Wanderer zugeschnitten.

Hans Gasser

Wenn künftig jemand die "Murgleiter" im Schwarzwald entlang wandert, an einem Hochmoor vorbeikommt, nach einer Schlucht mit Wasserfall plötzlich einen überraschenden Ausblick über das Tal der Murg hat, so wird daran nichts Zufall sein. Der 66 Kilometer lange Wanderweg, der am 8. Juni eröffnet wird, ist nämlich von Anfang bis Ende durchgeplant und nach 36 Kriterien bewertet worden.

Bei vielen stellt sich die Lust am Wandern im Laufe des Studiums ein. (Foto: Foto: ddp)

"Es gibt allein 13 Kriterien, nach denen die Aussicht beurteilt wird", sagt Rainer Brämer. Er ist erster Vorsitzender des Deutschen Wanderinstituts, eines Vereins, der sich die Gestaltung und Zertifizierung von Wanderwegen zur Aufgabe gemacht hat.

Der Verein vergibt das Wandersiegel "Premiumweg", das bisher rund 70 Wanderwege in ganz Deutschland erhalten haben. Dabei wird unter anderem die Wegbeschaffenheit, ob Erde oder Schotter, der Baumbestand, ob gemischt oder Monokultur, die Gewässer, ob verbaut oder naturnah, bewertet. Grundsätzlich gilt: Je naturnaher, desto mehr Punkte.

Auch der Deutsche Wanderverband, ein Zusammenschluss von 56 Mittelgebirgswandervereinen, zeichnet "Qualitätswege Wanderbares Deutschland" aus. Die Kriterien sind nicht ganz so streng wie beim Wanderinstitut, so dürfen etwa längere Asphaltstrecken enthalten sein.

Seit einigen Jahren haben die Tourismusverantwortlichen von der Eifel über den Schwarzwald bis zum Westerwald entdeckt, dass Wandern in zeitgemäßer Form, ohne Singen, dafür auf ausgeklügelten und klar ausgeschilderten Wegen, breite Gästeschichten anziehen kann. In einer Befragung des Instituts für Demoskopie Allensbach gaben vergangenes Jahr hochgerechnet 37 Millionen Deutsche an, dass sie häufig wandern. Damit sind großteils eben nicht die hohen Alpengipfel gemeint, sondern abwechslungsreiche Pfade an alten Wäldern und Kulturlandschaften entlang.

Der Rothaarsteig zum Beispiel. Er führt auf 154 Kilometern von Brilon im Sauerland nach Dillenburg in Hessen durch das Rothaargebirge. Vor fünf Jahren war es der erste Premium-Wanderweg. Mittlerweile ist er zu einer Marke geworden, vom Logo der Markierung bis zu den "Waldmöbeln" - liegeartigen Bänken und Sesseln, die an der Strecke entlang aufgebaut wurden.

Die Betreiber, also die örtlichen Tourismusvereine, geben an, im Jahr 2007 hätte der Steig 1,2 Millionen Tagesbesucher und 300.000 Übernachtungen gebracht. Beim Rheinsteig, der seit 2005 begehbar und einer der populärsten Streckenwanderwege ist, habe man noch keine wissenschaftlich tragfähige Zählung des Wanderer-Aufkommens vorgenommen, heißt es bei Rheinlandpfalz-Tourismus.

Im Rheintal haben die Gästezahlen 2007 aber immerhin um drei Prozent zugenommen, in der Verbandsgemeinde Loreley, durch die der Rheinsteig führt, stieg die Zahl der Übernachtungen von 83.000 im Jahr 2005 auf 106.000 im Jahr 2007. Vieles davon führt man auf den Wanderweg zurück.

Während des Studiums kommt die Wanderlust

Wie sieht er nun aus, der deutsche Wanderer, und, noch wichtiger, was bewegt ihn? Das deutsche Wanderinstitut befragt alle zwei Jahre mehr als 1000 Wanderer zu ihren Gewohnheiten, 2007 gab es eine eigene Studie nur unter Studierenden. Dabei kamen einige interessante Dinge zu Tage. Jugendliche haben meist überhaupt keine Lust zu wandern.

Im Laufe des Studiums stellt sich diese Lust aber offenbar ein. 67 Prozent der Studenten gaben an, dass sie gerne wandern. Das sei ganz schön viel, findet Rainer Brämer. "Mit den Eltern zu wandern wird als langweilig empfunden. Sobald man sich von den Eltern gelöst hat und mit Freunden wandert, scheint der Spaß wieder zurückzukehren."

Ein weiterer Grund seien wohl Prominente wie Hape Kerkeling oder Manuel Andrack, die dem Wandern zu einem cooleren Image unter Jüngeren verholfen hätten. Nichtsdestotrotz liegt das Durchschnittsalter des deutschen Wanderers bei 48 bis 50 Jahren. Während ältere Wanderer lieber eintägige Touren unternehmen, ist bei drei Viertel der Studenten Interesse an Mehrtagestouren vorhanden. "Das hat uns überrascht", sagt Brämer. Wenig überraschend ist, dass kaum noch jemand in Wandervereinen aktiv sein möchte. Nur zwei Prozent sind darin organisiert, und selbst die Mitglieder zögen es oft vor, nur mit ein paar Freunden darauf los zu marschieren.

Neben den längeren Streckenwanderwegen etablieren sich zurzeit sehr viele Eintages-Rundwege. Wie auf einem Parcours erwandert man so ein bestimmtes Gebiet, häufig unter einem bestimmten Motto wie Vulkan, Wasser oder Wein.

Die sogenannten Traumpfade an Rhein, Mosel und Eifel vermarkten sich professionell in diese Richtung. Auf der Internetseite kann der interessierte Wanderer schon mal auf Google-Earth die Strecke abfliegen und sehen, ob ihm die Ausblicke genehm sind.

© SZ vom 08.05.2008/sonn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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