Ursachen für Flugverspätungen:Nebel, Blitze, Mäusedreck

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Fluggäste stöhnen über zahlreiche Verspätungen. Eine Auswahl der häufigsten - aber auch erstaunlichsten - Ursachen für den späten Start am Münchner Flughafen.

D. Hutter

Sicht? Eigentlich konnte davon keine Rede mehr sein, als am Dienstag eine völlig undurchdringliche Nebelsuppe die Terminals und Startbahnen im Erdinger Moos einlullte. Es sah eher so aus, als habe jemand Milchglas in die Fenster gesetzt.

"Da fliegt man nicht einfach hindurch": Wenn über München ein Gewitter tobt, hat der Flughafen ein Problem. (Foto: Foto: ddp)

Schon um zehn Uhr früh, so berichtet der Sprecher des Münchner Flughafens Peter Prümm, hatten 50 Flugzeuge mehr als eine halbe Stunde Verspätung, bei 20 Maschinen lag sie zwischen 15 und 30 Minuten. "Verspätet/delayed" steht dann auf den großen Anzeigetafeln, und mancher Passagier blickt ein wenig beunruhigt ins wabernde Weiß. Am Flughafen läuft so etwas unter Alltag. Nebel eben, typisches Herbst- und Winterwetter. Da kann man nichts machen, heißt es.

Gestartet und gelandet wird trotzdem im Moos, die Piloten und Fluglotsen richten sich dann ausschließlich nach den Daten ihrer Instrumente. Trotzdem hat die Natur auch im Zeitalter der modernen Luftfahrt enormen Einfluss auf den Flugbetrieb - der Großteil aller Verspätungen ist nach wie vor auf schlechtes Wetter, vor allem Nebel oder Gewitter, zurückzuführen.

Laut Deutscher Flugsicherung (DFS) waren im vergangenen Jahr die Launen der Atmosphäre für 83 Prozent aller Verzögerungen in München verantwortlich. Der nicht mehr allzu große Rest geht laut DFS-Sprecher Martin Köppl auf Kapazitätsengpässe, sei es am Boden oder in der Luft, zurück.

Nicht erfasst werden von der DFS allerdings Verspätungsursachen, die außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Lotsen liegen, eine verzögerte Abfertigung auf dem Vorfeld etwa oder auch technische Probleme vor dem Start, die zeitraubende Reparaturen oder den Austausch der Maschine zur Folge haben. Aber auch wenn man diese Faktoren mitberücksichtigt, bleibt laut Lufthansasprecherin Bettina Rittberger der Hauptschuldige derselbe: das Wetter.

Warum eigentlich geht bei Nebel alles zäher voran - extrem langsam fliegen kann man schließlich nicht? "Im Vordergrund steht die Sicherheit", betont Köppl. Bei schlechter Sicht wird deshalb der Mindestabstand zwischen den Flugzeugen vergrößert. Und das verringert die Kapazität am Boden wie in der Luft. So muss etwa bei dichtem Nebel ein auf die Startfreigabe wartendes Flugzeug mehr Abstand zur "Runway" halten als bei strahlender Sonne. Ist die Piste frei, benötigt die Maschine entsprechend länger, um zum Startpunkt zu rollen - dies summiert sich im Laufe des Tages.

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Leider kann es auch passieren, dass eine Maschine bei herrlichstem Föhn verspätet startet - weil es angeblich so neblig ist. "Das schlechte Wetter muss ja nicht am Startort herrschen", erklärt Köppl. Ist etwa die Hauptstadt in einer Nebelschicht verborgen und zahlreiche Maschinen hängen bereits in der Warteschleife, lässt die Münchner Flugsicherung den nächsten Berlinflieger so lange am Boden stehen, bis wieder Kapazitäten frei sind. Überfüllung am Himmel gilt es laut Köppl aus Sicherheitsgründen unbedingt zu vermeiden.

Noch ungünstiger verläuft der Tag, wenn die verspätete München-Berlin-Maschine anschließend noch nach Hamburg weiterfliegt. Bei sehr großen Verspätungen reicht der zwischen den Starts eingeplante Puffer nicht mehr aus, um wieder in den Zeitplan zu kommen.

Ein solches Flugzeug "schleppt" dann den ganzen Tag seine Verspätung mit sich herum, von Hamburg weiter nach Stuttgart und dann vielleicht wieder zurück nach München. Die Experten sprechen von "Umlauf-Delays". Oft verschärft sich das Problem noch. Ist das von der Flugsicherung zugeteilte Zeitfenster, der "Slot", einmal versäumt, kann es unter Umständen nervenaufreibend lange dauern, bis wieder Platz frei wird am dicht beflogenen Himmel über Europa. Dann heißt es warten. Und die Verspätung wächst immer weiter an.

Im Sommer wird der Luftverkehr vor allem von Gewittern gequält. "Da fliegt man nicht einfach hindurch", berichtet Köppl. Der fällige Umweg verlängert die Flugzeit. Regnet es zusätzlich stark, kann sich der Bremsweg verlängern. Dann blockieren gelandete Maschinen länger als normal die Piste - und der Nachfolgende kann erst entsprechend später aufsetzen.

Vergangene Woche hat es in München leicht geschneit - und Berliner Passagiere mussten über Stunden auf ihren Flug nach Süden warten. Bei Schnee müssen "Runways" nämlich immer wieder ganz gesperrt werden. Etwa 20 Minuten dauert es, eine der beiden Münchner Pisten freizuräumen - derweil steht dem Luftverkehr nur die halbe Kapazität zur Verfügung.

Oft kommt sofort anschließend Nummer zwei an die Reihe, bevor sich die Räumfahrzeuge erneut Nummer eins vorknöpfen. Eine Sperrung beider Bahnen gleichzeitig versuchen die Verantwortlichen tunlichst zu vermeiden. Nach einer Studie der Universität Hannover senkt Schnee die Pünktlichkeit des Flugverkehrs durchschnittlich um 20,1 Prozent, bei Eis sind es 24,4 und bei Nebel 30 Prozent.

Zu den originelleren Verspätungsursachen am Flughafen zählen verspätete Besatzungen oder Putztrupps, die nicht rechtzeitig fertig geworden sind. Auch der Anblick einer Maus oder deren Hinterlassenschaft kann den Start eines Flugzeugs erheblich verzögern. Das Nagetier muss dann gesucht werden - bevor es sich über die leckere Verkabelung hermacht. "Bei Lufthansa ist das allerdings noch nicht vorgekommen", beteuert Rittberger. Aber gehört habe man davon.

© SZ vom 18.12.2008/beu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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