Thüringens Biodiversität:Neue Waldeslust

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Luther, deutsche Klassik, Bauhaus - all das bringt viele Besucher nach Thüringen. Zu entdecken gäbe es darüber hinaus die Vielfalt seiner Naturlandschaften, in Wäldern, Gebirgen und dem Nationalpark Hainich.

Von Franziska Brüning

Goethe, Schiller, leckere Bratwurst, verwunschene Wälder und Luther. Wer an Thüringen denkt, dem fallen viele gute Gründe ein, in das in der Mitte Deutschlands gelegene Bundesland zu fahren. "Allein mit Eisenach und der Wartburg, Erfurt, Weimar, Jena und Gotha mit dem Herzoglichen Museum bietet Thüringen unglaublich viel", sagt Kerstin Neumann von der Thüringer Tourismus GmbH. Doch die meisten Besucher bleiben nicht lang. Zehn Millionen Übernachtungen im Jahr zählt die Thüringer Tourismus GmbH, knappe drei Tage beträgt die durchschnittliche Aufenthaltsdauer.

Viele der Orte liegen praktischerweise sehr nah beieinander. Das ist wohl einer der Hauptgründe für die vielen Kurzurlaube. Von der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt nach Weimar braucht man nur 15 Minuten mit dem Zug oder eine halbe Stunde mit dem Auto. Ein Wochenende oder ein Tagesausflug reicht, um eine schöne Mischung aus kulturellen Angeboten und erholsamer Natur zu erleben. Die Nachbarn aus den angrenzenden Bundesländern unternehmen gern nur Stippvisiten.

Der Tourismus in Thüringen ist seit Langem ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Deshalb bemüht sich das Land, immer wieder neue touristische Akzente zu setzen und Attraktionen zu schaffen. "Die Strukturen dafür sind lange gewachsen. Schon zu DDR-Zeiten haben viele in der Region vom Tourismus gelebt", sagt Kerstin Neumann. Beispiel Weimar. Hier befinden sich allein 16 der 18 thüringischen Unesco-Welterbestätten. Touristen aus aller Welt sind auf der Straße zu hören, nicht zuletzt, weil sich hier viele deutsche Klischees ballen: das Land der Dichter und Denker, die berühmte Herzogin Anna Amalia Bibliothek und Walter Gropius. Derzeit entsteht in Weimar das neue Bauhausmuseum, das 2019 eröffnet werden soll. Doch die circa 65 000 Einwohner zählende berühmte Stadt ist mehr als Klassik und Bauhaus.

Kaltes Waldidyll: Der Thüringer Wald bei Neundorf, Landkreis Sonneberg im Winter bei Inversionslage. (Foto: Stefan Thomas/picture alliance/dpa)

In Weimar sind die Licht- und Schattenseiten der deutschen Geschichte besonders gut zu erkennen. Nur acht Kilometer von der Kulturstadt entfernt befindet sich die KZ-Gedenkstätte Buchenwald. Beide Orte sind nicht nur geschichtlich und kommunalrechtlich eng miteinander verwoben. "Touristisch gesehen, spielt Buchenwald eine große Rolle für Thüringen", sagt Volkhard Knigge, Stiftungsdirektor der KZ-Gedenkstätte. Etwa eine halbe Million Besucher im Jahr besichtigen das ehemalige Konzentrationslager, fünfzig Prozent von ihnen sind klassische Einzelbesucher, also Familien oder Freunde, die nicht organisiert reisen. Darunter viele Touristen aus Deutschland und anderen westeuropäischen Ländern wie den Niederlanden oder Frankreich. Wer nach Buchenwald kommt, besichtigt in der Regel auch Weimar, sagt Knigge.

Mithilfe einer App können Touristen unter dem Stichwort "Topographie der Moderne" die authentischen Orte der Weimarer Moderne zwischen Nationalsozialismus, Bauhaus und Weimarer Republik erforschen. Von Mitte April 2016 an soll zudem die neue Dauerausstellung "Buchenwald. Ausgrenzung und Gewalt 1937 bis 1945" in der KZ-Gedenkstätte Buchenwald gezeigt werden.

Viele, die nach Thüringen kommen, interessieren sich am Beispiel Weimar/Buchenwald für die Frage "Was ist Deutschland?", sagt Knigge. Aber nicht nur ernste Themen beschäftigen die Touristen, auch der Spaß kommt nicht zu kurz. Ein begeisterter Thüringen-Fan, Kristin Michalek, Mutter zweier kleiner Buben aus Dresden etwa, fährt mit ihrem Mann immer wieder gerne nach Weimar, weil ihr die hübsche Innenstadt, die Boutiquen und "neckischen Cafés", sowie das vielfältige kulturelle Angebot so gefallen. "Das Wunderbare ist, dass man alles prima erlaufen kann", sagt sie. Ihr absoluter Lieblingsplatz ist der Park an der Ilm und ihre Lieblingsveranstaltung der traditionelle Zwiebelmarkt, der jährlich im Herbst stattfindet. Hier lohnt es sich, wie überall, die landestypische Rostbratwurst zu probieren.

Michaleks zweiter Favorit ist der Thüringer Wald, der sich besonders gut für Familienurlaube eignet. Nicht ohne Grund entfallen knapp die Hälfte der zehn Millionen Übernachtungen jährlich auf diese Region, die zum Thüringisch-Fränkischen Mittelgebirge zählt. Trotz der vielfältigen sportlichen Möglichkeiten wie Wandern, Radfahren, Klettern, Rodeln und Skifahren ist das Urlaubsgebiet nicht überlaufen. "Für Ruhe, Erholung und Abgeschiedenheit findet man viele Privatquartiere, die zum Teil recht abgelegen sind", sagt Michalek.

(Foto: N/A)

Der Nationalpark Hainich ist das größte Laubwaldgebiet Deutschlands

Der Thüringer Wald gehört zu den acht sogenannten Naturlandschaften, die im Jahr 2016 im Zentrum der touristischen Aktivitäten stehen sollen. Unter dem Titel "Das ist meine Natur" werden außerdem die Naturparke Südharz, Kyffhäuser, Eichsfeld-Hainich-Werratal und Thüringer Schiefergebirge-Obere Saale beworben sowie die Biosphärenreservate Rhön und Vessertal-Thüringer Wald und schließlich der Nationalpark Hainich, das größte zusammenhängende Laubwaldgebiet in Deutschland, das seit 2011 zum Weltnaturerbe zählt. Unter einem Biosphärenreservat versteht man übrigens eine von der Unesco initiierte Modellregion, in der eine ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltige Entwicklung gefördert werden soll. In Naturparks steht die Bewahrung von Kulturlandschaften für die Erholung von Mensch und Natur ganz oben, und Nationalparks stellen die höchste Schutzkategorie im Schutzgebietssystem dar. In jedem Fall hat Thüringen hat mit gleich acht Naturlandschaften für Besucher eine Menge zu bieten. Neben Wellness und Aktivurlaub ist für viele der an der Thiemsburg gelegene Baumkronenpfad im Nationalpark Hainich ein Grund, hier Urlaub zu machen.

2017 jährt sich der Tag der Reformation zum 500. Mal. Das ist nicht zuletzt für viele Protestanten ein Anlass, in Thüringen den Spuren Martin Luthers zu folgen. Etwa in Erfurt, wo Luther von 1505 bis 1512 im Augustinerkloster lebte, oder in Eisenach auf der Wartburg, wo er das Neue Testament ins Deutsche übersetzte. Auf der Wartburg wird 2017 unter dem Titel "Luther und die Deutschen" ein Teil der großen nationalen Ausstellung zum Jubiläum "500 Jahre Reformation" gezeigt. Spirituell und sportlich wird es dann auf dem Lutherweg, einem Gemeinschaftsprojekt von Kirchen, Tourismusverbänden und Kommunen für Wanderer und Pilger, der an Luthers Wirkstätten entlang durch Bayern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen führt.

Ganz aktuell locken die vielen Weihnachtsmärkte in Thüringen Touristen an. Zu den schönsten gehören etwa die Märkte in Erfurt, Suhl oder Gera.

© SZ vom 10.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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