Tarifstreit der Fluglotsen:Gefährlicher Kollisionskurs

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Bei einer Arbeitsniederlegung haben Passagiere keinen Anspruch auf Umbuchung oder Erstattung der Kosten.

Jens Flottau

Noch nie haben die Lotsen der Deutschen Flugsicherung (DFS) gestreikt. Einmal, in den siebziger Jahren, gab es einen Bummelstreik, doch in Deutschland konnte man sich im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern bislang darauf verlassen, dass die Lotsen zur Arbeit erscheinen.

Lotse am Frankfurter Flughafen (Foto: Foto: ddp)

Jetzt aber kündigte Marek Kluzniak, Sprecher des Bundesvorstandes der Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF), einen Streik "in den nächsten Tagen" an, falls es zu keiner Einigung kommt.

Am Donnerstag berieten die Arbeitnehmervertreter über das erste konkrete Angebot, das das Unternehmen am Mittwochabend für die 5300 Beschäftigten - darunter 1800 Lotsen - vorgelegt hatte.

Kluzniak gab sich jedoch am Mittag skeptisch: "Was vor einigen Wochen vielleicht noch ausreichend war, genügt jetzt möglicherweise nicht mehr", sagte er. "Die Flugsicherung hat uns bis an den Rand eines Streiks getrieben. Da muss man eventuell die Dinge auch zu Ende führen, um deutlich zu machen, dass es so nicht geht."

Die Verhandlungen waren im November vorerst abgebrochen worden. Am Mittwoch schlug die Firma dann eine Einmalzahlung von 1750 Euro vor plus drei Prozent mehr Gehalt bei einem Jahr Laufzeit.

Verwerfen die Arbeitnehmer das Angebot und streiken, bricht auf den Flughäfen Europas das Chaos aus. Etwa 8000 Maschinen starten und landen täglich in Deutschland oder düsen darüber hinweg.

Im Streikfall müssen 6000 gestrichen werden - ein Notdienst für ein Viertel des Aufkommens ist gesichert. Die Fluggesellschaften fühlen sich dennoch als unschuldige Opfer.

Passagiere haben bei Streiks keinen Rechtsanspruch auf Umbuchung oder die Erstattung der Kosten, doch die Lufthansa hatte angekündigt, möglichst kulant zu sein. Bei einem Streik würden Passagiere umgebucht und größere Flugzeuge eingesetzt.

Die Kunden bewahrten offenbar kühlen Kopf: Gegenüber dem Vorjahr stellt das Unternehmen keine auffallenden Veränderungen bei den Vorausbuchungen für die nächsten Tage fest.

Die angebotenen drei Prozent Lohnsteigerung liegen unter den ursprünglichen Forderungen der Gewerkschaft. Diese verlangte für dieses und nächstes Jahr jeweils vier Prozent mehr.

Außerdem will die GdF den Vergütungstarifvertrag vereinfachen. Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge sollen abgeschafft und gleich in die Bezüge eingerechnet werden. Ein weiteres Ziel ist, dass alle Lotsen gleich viel verdienen, egal, ob sie an einem Arbeitsplatz mit viel Verkehr wie der Anflugkontrolle in Frankfurt am Main sitzen oder etwa in Saarbrücken einen entspannten Berufsalltag genießen.

Die unterschiedliche Belastung soll nur über die Arbeitszeit ausgeglichen werden: Der Lotse in Saarbrücken muss dann für das gleiche Geld deutlich länger arbeiten als der Frankfurter Kollege.

Über die finanziellen Folgen einer solchen Tarifreform klaffen die Angaben weit auseinander. Die GdF beziffert die Mehrkosten auf etwa 20 Millionen Euro. Die Deutsche Flugsicherung rechnet dagegen vor, das Gehalt der Lotsen werde im Schnitt um 20 Prozent steigen.

Inklusive der Rückstellungen für die Altersversorgung betragen die Mehrkosten dem Unternehmen zufolge 230 Millionen Euro, was die Gewerkschaft zurückweist.

Es gibt also noch viel zu klären.

© SZ Primetime vom 4.1.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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