SZ-Serie IV:Souvenirs, Souvenirs : Echt falsch: Rolex und Mont Blanc

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Was hast du mir denn mitgebracht? Eine Reise geht so schnell zu Ende. Und die Erinnerungen verblassen auch immer sofort. Also bringen wir jetzt öfter mal was mit.

Hans Gasser

"Schweig still Konsumherz. Du wirst doch den Betrug nicht unterstützen", sagt das Engelchen über der rechten Schulter. "Ach was, moralisches Geschwätz!", brüllt das Teufelchen über der linken Schulter, "wenn du nicht zuschlägst, dann tut es ein anderer. Kaufen! Kaufen! Kaufen!"

Wer zum ersten Mal den "Xiang Yang Fashion and Gift Market" in Schanghai betritt, dem gehen leicht die Augen über.

An offenen Verkaufsständen unter offenem Himmel wechselt hier so ziemlich alles den Besitzer, was sich Markenprodukt nennt: von der neuesten North-Face-Winterjacke über Puma-Turnschuhe, Armani-Hemden, Prada-Täschchen bis hin zu Mont Blanc-Füllern und Rolex-Uhren - alles täuschend echte Repliken.

"Looka looka looka! Many many many." Innerhalb kürzester Zeit ist der Besucher umgeben vom immer gleichen Singsang und einer Traube aus Verkäufern, die ihn zu ihrem Stand führen wollen.

Mont Blanc und Rolex scheinen dabei als die Kronjuwelen aller Statussymbole zu gelten. Nicht nur auf dem Markt, sondern an fast jeder touristisch genutzten Straßenecke werden die Schreibgeräte und Uhren angeboten. Manche Verkäufer händigen einem fingerdicke Kataloge aus, um dann die gewünschte Uhr an ihrem Stand blitzschnell aus einer getarnten Schublade zu ziehen. Je nach Fälschungsqualität kosten die protzigen Markenuhren zwischen fünf und 30 Euro. Mont Blanc-Kugelschreiber und Füller werden gleich im Zehnerpack gehandelt, das Stück à ein Euro. Für den Laien sehen sie genauso aus wie echte.

Die Stadtregierung unternimmt häufig Razzien und will den Markt im Mai 2005 schließen. Die beste Zeit für gute Geschäfte also - alles muss raus. Handeln ist dabei Pflicht. Das kann auch lustig sein, wenn man nur dreist genug ist. Sieben Euro für wirklich identisch aussehende Puma-Turnschuhe, 15 Euro für eine tadellos vernähte North-Face-Winterjacke, fünf Euro für ein Armani-Hemd. Die Mutmaßungen, woher diese Produkte stammen, gehen auseinander. Egal, schreit der Konsumteufel und stürzt sich ins Getümmel. Looka looka looka - Many many many!

© SZ vom 22.2.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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