Shopping:Schick and shabby

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Europapassage in der Innenstadt: Wer nur in der City einkauft, wird Hamburg eigentlich nicht gerecht. (Foto: imago)

Einkaufen in Hamburg kann wie Wandeln zwischen den Welten sein. Allerdings muss man dazu die City auch mal verlassen.

Von Angelika Slavik

Zu den tollsten Dingen an dieser Stadt gehört, dass sie immer mehr als nur eine Geschichte erzählt. Neulich gab es zum Beispiel eine Studie über deutsche Innenstädte. Da sah es nicht besonders gut aus für die großen Einkaufsstraßen in der Hamburger Innenstadt - in keiner anderen Metropole waren die Passantenzahlen stärker zurückgegangen als hier. Man könnte daraus nun schließen, dass man in Hamburg lieber vom Sofa aus im Internet bestellt, statt sich in der City ins Getümmel zu stürzen. Aber diese Stadt kennt eben mehr als nur eine Antwort, und deshalb kann man auch sagen, dass es in Hamburg nun mal viele Möglichkeiten gibt, sein Geld loszuwerden. Da muss man nicht unbedingt in der Mönckebergstraße die großen Handelsketten frequentieren. Hamburg lockt mit anderen Routen - und mit vielen unterschiedlichen Erlebnisse.

Wenn man in der Innenstadt bleiben will, kann man in Hamburg zum Beispiel einen fantastisch schnöseligen Nachmittag verleben. Man zieht dann über den Neuen Wall, das ist die teuerste Adresse der Stadt. Hier reihen sich die Luxusboutiquen aneinander, man drückt sich also ein bisschen die Nase platt an den Schaufenstern von Prada und Tod's, von Louis Vuitton und La Perla. Dann kauft man ein wenig überteuerten Nippes in einer dieser Boutiquen für Wohnaccessoires. Vielleicht hat man noch den Blick für die Architektur, die Alsterarkaden von Alexis de Chateauneuf sind ja nicht umsonst auf jeder zweiten Postkarte. Das Hildebrandhaus ist eine Betrachtung wert und das Hübner-Haus! Es lockt bei Nummer 22, mit Cartier als prominentestem Mieter und Jugendstil im Treppenhaus. Dann muss man sich erholen. Ein bisschen Alsterblick, ein bisschen Alkohol, man gönnt sich ja sonst nichts, nicht wahr?

Man kann an der Alster entlang schnöseln. Oder in der Schanze den Duft des Protests riechen

Natürlich kann man seinen Nachmittag stattdessen auch im Schanzenpark beginnen. Dort ist es nix mit Chichi und Schampus, stattdessen riecht man den süßlichen Duft des Widerstands gegen, nun ja, alles. Man holt ein Astra am Kiosk und setzt sich in die Sonne. Wenn man sichergestellt hat, dass man ausreichend entspannt hat, kauft man in einem der umliegenden Läden ein Che-Guevara-Shirt. Man kann das als ironische Reminiszenz an die eigene Studienzeit betrachten oder als sehr ernsthafte Identifikation mit den Nachbarn, die man sich für diesen Nachmittag ausgesucht hat, je nachdem. Dann wieder Bier, zur Sicherheit. Später läuft man zum Beispiel durch die Susannenstraße und freut sich über die Mischung aus alternativer Szene, Hippie- und Hipster-Feeling, die in den vielen kleinen Läden ihre kapitalistische Manifestation findet. Es gibt Räucherstäbchen und Hamam-Tücher, es gibt Fünfzigerjahre-Lampen und Urban-Chic-Geschenkartikel. Dann hoch zum "Central Park" am Schulterblatt, eine Strandbar neben dem Parkplatz, beliebt bei der politisch engagierten Jungfamilie wie beim Sprayer von gegenüber. Es ist der einzige Platz in der ganzen Stadt, an dem sich Hamburg ein bisschen nach Berlin anfühlt.

Dritte Variante: Reeperbahn. Rund um die Rotlichtmeile kann man auch tagsüber was erleben. Denn neben Absturzbuden, Varietés, Sexshops und Souvenirshops für die Touristen gibt es auf St. Pauli auch fantastische kleine Läden, die man nirgendwo sonst in der Stadt findet. Die Palette beginnt bei Vintage, Antiquitätenläden und Second Hand. Von Pin-up-Mode bis Matrosenschick gibt es hier alles - und wird das Leben nicht gleich viel besser, wenn man dabei einen Petticoat trägt? Zudem hat sich in diesem Viertel versammelt, was man neues Hamburger Handwerk nennen könnte: Hier gibt es junge Modedesigner, die nachhaltig produzierte Klamotten anbieten, man findet handgeschöpftes Papier und Notizbücher mit handgenähten Ledereinbänden. Man kann sich ein Rennrad nach seinen eigenen Vorstellungen bauen lassen oder kauft Brillenetuis aus eigener Herstellung. Und natürlich gibt es Kunst! Auch wer sich für Graphic Novels interessiert, wird fündig. Und weil man ohnehin schon da ist, bleibt man einfach und schaut mal, was die Nacht noch so bringt: Am Hans-Albers-Platz passieren bisweilen ungeplante Dinge, aber es ist unmöglich, sich hier zu langweilen.

Einkaufen in Hamburg, das ist wie Wandeln zwischen den Welten - das sieht man auch beim Shopping in St. Georg. Das Viertel um den Hauptbahnhof war einst die Schmuddelecke, heute ist es eine der gefragtesten Wohngegenden der Stadt. Das liegt auch an der Mischung, die man hier findet: In der Langen Reihe zum Beispiel findet man Lebensmittel aus unterschiedlichsten Ländern, im indischen Supermarkt gibt es neben Gewürzen in Großpackungen auch Poster von Shah Rukh Khan, Ganesha-Schreibhefte und Kosmetikartikel, die auszuprobieren als Mutprobe durchgeht. Ein paar Meter weiter sind Läden, die sich auf Produkte aus Hamburg spezialisiert haben: Franzbrötchen im Glas sind ebenso im Angebot wie Kinderkleidung und vergoldeter Silberschmuck. Es gibt diverse Sorten Gin aus der Hansestadt, spezielle Kaffeeröstungen und Frühstücksbrettchen mit nautischen Motiven. Und Seife in Form eines Ankers. Auch kulinarisch kann man sich in der Langen Reihe einmal um die halbe Welt testen. Man stellt die Einkaufstüten ab und überlegt, ob man eigentlich je wieder raus muss aus dieser Stadt. Kann es anderswo aufregender sein als hier?

© SZ vom 14.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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