Schlafen am Flughafen:Der Traum vorm Fliegen

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Der Anschlussflieger ist weg, das Hotel um die Ecke ausgebucht. Aber man kann ja im Terminal übernachten - und muss dabei an manchen Flughäfen nicht einmal nach einer freien Bank suchen.

Christian Schiele

Eigentlich sollte sie verschrottet werden. Doch die alte Boeing 747 der schwedischen Fluggesellschaft Transjet, die im Jahr 2002 Pleite ging, steht noch immer auf dem Stockholmer Flughafen Arlanda. Und wie es aussieht, wird sie bald schon wieder Gäste aufnehmen - nicht zum Abheben, sondern zum Schlafen. Denn Oscar Diös verwandelt die Maschine gerade in ein Hostel. Aus Alt mach Neu, dieses Motto wandte der schwedische Hotelier schon bei in die Jahre gekommenen Supermärkten oder Waschsalons an - mit Erfolg.

(Foto: Foto: Yotel)

Nun also ein Jumbohostel an der Autobahnausfahrt zum Flughafen Stockholm. "Die Zimmernachfrage am Flughafen ist enorm. Und bisher gibt es dort keine einzige interessante Unterkunft", sagt Diös. Das wird sich vom 1. Dezember an ändern. 30 Euro wird die Nacht in einer der sechs Quadratmeter großen Kabinen kosten, inklusive Fernsehen und Internet. Duschen und Toiletten müssen sich die Reisenden auf dem Gang teilen. Kurzschläfer bezahlen billigere Stundentarife, und wer es etwas luxuriöser mag, der checkt einfach in die Hochzeitssuite im Cockpit ein - für 200 bis 300 Euro die Nacht.

Den Flughafenbetreiber musste Diös nicht lange überreden. "Wir finden die Idee wunderbar. Die beiden Hotels in den Terminals sind ständig ausgebucht. Da hilft es uns, künftig neue und niedrigpreisige Zimmer anbieten zu können", sagt Jan Lindqvist, Sprecher des Flughafens. Zudem sei das Jumbohostel ein weltweit einmaliges Aushängeschild.

Nicht nur in Stockholm können sich Passagiere bald ein paar Quadratmeter Privatsphäre an einem ungewöhnlichen Ort mieten. Denn in den letzten Jahren haben immer mehr Flughäfen neue, interessante Alternativen zu den großen Hotelketten im Angebot.

Zum Beispiel London. In den Flughäfen Heathrow und Gatwick installierte Simon Woodroffe vergangenes Jahr kleine Luxuscontainer. Vier-Sterne-Service auf sieben bis zehn Quadratmetern verspricht der Erfinder der Yotel-Kabinen. Wer schlafen möchte, lässt auf Knopfdruck das Sofa zum Bett ausfahren. Wem der Magen knurrt, der schreibt eine kurze E-Mail, und nette Servicekräfte liefern das Essen. Ein weiterer Knopfdruck, und aus dem weißen Licht wird ein entspannendes Lila.

Flachbild-Fernseher, Internetzugang und Duschkabine erhöhen den Komfort. Dafür bezahlen Reisende auf dem Flughafen Gatwick für eine Standard-Kabine 31,50 Euro für vier Stunden. Jede weitere Stunde kostet acht Euro, die ganze Nacht 75 Euro pro Kopf. Die Premiumvariante kommt die Gäste etwas teurer: 50 bis 105 Euro. Bald eröffnet die Yotel-Kette eine weitere Filiale: Von September an werden die Boxen auch auf dem Amsterdamer Flughafen stehen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie ein Amerikaner nach einer unbequemen Nacht auf einem deutschen Flughafen eine Geschäftsidee hatte.

Übernachten auf dem Flughafen
:Schlafen Sie gut!

Von bequemen Sesseln mit Weckfunktion bis zu Vogeldreck, der von der Decke fällt. Ein Airport-Schläfchen ist nicht überall zu empfehlen - die besten und schlimmsten Flughäfen zum Übernachten.

Der Amerikaner Frank Giotto hatte es nicht so komfortabel, als er unfreiwillig die Nacht auf einem deutschen Flughafen verbringen musste. Schlaf hat er keinen gefunden. Dafür kam ihm eine Idee: Flughäfen könnten sich bald in Campingplätze verwandeln. Und er selbst würde daran sehr gut verdienen.

In den Nickerchenkabinen am Münchner Flughafen kann man nicht nur schlafen, sondern auch arbeiten oder sich einen Film ansehen. (Foto: Foto: Quirin Leppert/ napcabs.com)

Für 49,95 US-Dollar verkauft der Chef einer amerikanischen Glasfaserfirma seit kurzem sogenannte Mini Motels - 200 mal 64 Zentimeter kleine Zelte.

Gestrandete Flugreisende finden in einem Beutel alles, was man zum Campen auf dem Flughafen braucht: Zelt, Luftmatratze, Kissen, Wecker, Taschenlampe, Zahnbürste, Ohrstöpsel und Schlafmaske. Der Beutel, so groß wie eine durchschnittliche Einkaufstasche, lässt sich praktisch in jedem Handgepäck verstauen.

Doch Wolfgang Schwalm vom Flughafenbetreiber Fraport möchte in Frankfurt niemanden sehen, der diesen Beutel auspackt und sein Zelt aufschlägt. "Das spricht eindeutig gegen unsere Flughafenbenutzungsordnung." Die Brandschutzwege würden verstellt.

Giotto aber bleibt gelassen. Er verhandelt bereits mit einigen Flughäfen in den USA. Und einer dieser Flughäfen, der öfter mit schlechten Wetterbedingungen zu kämpfen habe, wolle viele seiner Mini Motels kaufen, um sie im Notfall gestrandeten Passagieren anbieten zu können.

Dösen auf Kreditkarte

In München hingegen können müde Fluggäste seit dem 21. Juli im Terminal 2 vor Gate H32 "auf höchstem Komfortniveau wegdösen", sagt Michael Kerkloh, Chef des Münchner Flughafens. In einer der beiden schallisolierten und blickdichten Napcabs, zu deutsch Nickerchenkabinen. Einfach die Kreditkarte durch den Schlitz ziehen, schon steht man in einem etwa dreieinhalb Quadratmeter großen Container.

Ein 15-minütiges Nickerchen kostet teure 15 Euro, jede weitere Viertelstunde schlägt mit vier Euro zu Buche. Wer die ganze Nacht bleibt, zahlt pauschal 60 Euro. Doch das Übernachten ist für die studentischen Unternehmer nur ein Nebenprodukt.

Die Gäste können in ihrer kleinen Privatbox am Flughafen auch Filme schauen, Musik hören oder Fluginformationen abrufen. Wer lieber arbeitet als zu entspannen, dem stehen Stromanschluss und Internetzugang zur Verfügung. Und nach dem Auschecken werden automatisch die flughafeneigenen Putzkräfte verständigt.

© SZ vom 31.07.2008/lpr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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