Schiff versenken:Die letzte Reise der Oriskany

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Die See ist ruhig, die Küste Floridas nur 24 Meilen entfernt. Dennoch sinkt der US-Flugzeugträger im Golf von Mexico - zur Freude der Navy.

Stefan Kornelius

Die US-Navy sieht es nicht gerne, wenn eines ihrer Schiffe im Meer versenkt wird. Aber es gibt Ausnahmen.

Unter den Blicken hunderter Veteranen, gesichert von einem Sperrgürtel aus Schleppern, Barkassen, Schnellbooten und Ausflugsdampfern, trat am Mittwoch der Flugzeugträger Oriskany seine letzte Reise an: auf den Grund des Golfes von Mexiko.

24 Meilen vor der Küste Floridas in Höhe der Stadt Pensacola versank das gewaltige Schiff in nur 37 Minuten in den ruhigen Fluten. In wenigen Tagen wird die Oriskany geöffnet für die Schaulustigen mit ihren Taucherflaschen und Neoprenanzügen. Der Flugzeugträger ist nun das größte künstliche Riff, das jemals in den Weltmeeren angelegt wurde.

Niemals zuvor wurde ein derart großes Schiff planmäßig versenkt - und das aus Kostengründen. Die Navy hatte berechnet, dass die Verschrottung des durchgerosteten Kahns mehr kosten würde als seine Versenkung.

Über die Kosten gibt es unterschiedliche Meinungen. Die Oriskany musste von allen Umweltgiften befreit werden: Asbest, Öl, Teer, andere Schadstoffe. Das kostete angeblich 20 Millionen Dollar.

Und dann der emotionale Preis: 500 Veteranen versammelten sich in Pensacola, um von ihrem Schiff Abschied zu nehmen. Nicht viele Seeleute mögen es, wenn ihr Boot auf dem Meeresgrund liegt.

Asche auf mein Schiff

"Besser, als wenn daraus Rasierklingen gemacht werden", sagt dagegen der 61-jährige Veteran Paul Fredericks. Ein anderer verfügte, dass seine Asche dereinst über dem Wrack ausgestreut werden sollte.

Die Marine unterhält ein eigenes Dezernat für ausgemusterte Schiffe, und inzwischen bewerben sich viele Küstenregionen in den USA um ein künstliches Riff, weil sie Fische und Pflanzen ein neues Biotop schaffen wollen und sich einen Gewinn für den Tourismus versprechen.

Die Tauchschulen in Pensacola jedenfalls sind über Monate ausgebucht, das Fremdenverkehrs-Gewerbe verspricht sich einen Boom. "Pensacola wird eine internationale Taucher-Attraktion", sagt Ed Schroeder vom Tourismusverband.

Die Oriskany, benannt nach einem Schlachtfeld aus dem amerikanischen Bürgerkrieg im Staat New York, wurde am Ende des Zweiten Weltkrieges in Auftrag gegeben und zwei Monate nach Kriegsende zu Wasser gelassen.

Zehntausende US-Soldaten dienten auf ihr während des Korea-Krieges, des Vietnam-Krieges und im Kalten Krieg. Sie spielte eine zentrale Rolle in der Kuba-Krise und in verschiedenen Hollywood-Schinken. Einmal tobte ein Feuer durch die Decks und nahm 44 Matrosen das Leben.

Vom Flugdeck der Oriskany startete ein gewisser John McCain in sein Verderben - sein Helikopter wurde 1968 über Vietnam abgeschossen, er verbrachte fünf Jahre in Gefangenschaft. In zweieinhalb Jahren könnte er zum nächsten amerikanischen Präsidenten gewählt werden.

Bis dahin wird die Oriskany unter den wachen Augen tausender Taucher und der Umweltbehörden still vor sich hinrosten. Ihr Kiel liegt in 70 Metern Tiefe, Bug nach Süden, wegen der Wirbelstürme.

© SZ vom 19.5.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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