Savoir vivre:Auf Schlemmertour in Nordfrankreich

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Für die Liebhaber von Kultur und guter Küche ist Frankreich immer noch wie eine Wundertüte.

Nordfrankreich: In dem Bogen von Lille hoch im Norden zum Westrand der Champagne bis zum Höhepunkt, dem Schloss Chantilly vor den Toren von Paris, warten kulinarische Überraschungen auf den, der nicht nur touristische Highlights abhakt.

Spezialitäten aus Frankreich (Foto: Foto: dpa)

Die Regionen Nord-Pas-de-Calais und Picardie liegen in der Tat ganz klar nördlich des "Küchenäquators", der quer durch Frankreich verläuft: Im Süden kocht die Hausfrau mit Olivenöl und setzt auf ihr Ratatouille.

Im Norden ist es das immer noch eherne Gesetz, mit Butter zu braten und alles auf eine anständige Sauce zu setzen.

Hoch oben im Schlemmerland

Das ist im Schlemmerland ganz hoch im Norden, dort, wo Milch und Honig fließen und Cidre in Champagner-Methode hergestellt wird, auch nicht anders.

Flach bis leicht hügelig ist das Land um Valenciennes, St.-Quentin, Laon und Compiègne bis nach Paris. Schnurgerade Hecken und Weidenbäume rahmen die Felder ein. Ob im Bauernhof oder Schlosshotel - auf dem Herd köchelt es tagsüber vor sich hin: im Topf der gefüllte Entenhals, im Ofen das Brot oder vielleicht ein wohlschemckender Clafoutis-Nachtisch mit den gerade gepflückten Kirschen.

Schon zum Frühstück unweit von Lille steht ein luftiger Schoko-Kuchen auf dem sorgfältig gedeckten Tisch, ein wahres Gedicht irgendwo zwischen einem Mousse-au-chocolat-Dessert und einem Brownie - "fondant" eben, im Mund zergehend, wie die Wirtin stolz erklärt. So gestärkt, ist es ein Leichtes, dem Cidre-Hersteller René Paindavoine von den "Vergers de la Praye" in dem Flecken Houdain-Lez-Bavay zu lauschen.

Estragon und Pfeffer

Zwar ein Stück entfernt von dem Cidre-Paradies Normandie, macht er feinen Wein aus Apfelsaft. Etwa sieben Hektar Obstgarten mit einer Vielfalt an Apfelsorten dienen zur Hälfte dazu, den typischen "Cidre fermier" zu produzieren. Den Rest gibt Paindavoine dann direkt in den Verkauf.

Später ist im Magen schon wieder etwas Platz, um eines der absoluten Nordlichter des Käse-Paradieses Frankreich zu goutieren, das Qualitätsprodukt ("AOC") Maroilles mit der rötlich-gelben Kruste.

Im Familienbetrieb "Ferme du Pont des Loups" in dem Dorf Saint-Aubain bei dem Natur-Regionalpark Avesnois sorgen etwa 75 Milchkühe für den Nachschub.

Der Maroilles, von lediglich zehn Produzenten der Gegend hergestellt, muss über Monate gelagert und öfter gebürstet werden, um das für ihn typische Aussehen und den eigenen Geschmack zu bekommen. "Speziell wird der Maroilles, wenn wir ihn mit Estragon und Pfeffer würzen", erklärt Chefin Claudine Gravez.

Viel Tradition strahlen auch die "Estaminet"-Restaurants im Artois im Herzen Flanderns aus. Das sind jene kleinen, gemütlichen und mit Alltagsgegenständen aus verflossener Zeit dekorierten Lokale, in denen die Einheimischen zu essen - und zu spielen - pflegen.

Die Bienen arbeiten lassen

Die weiterhin so beliebten Gesellschaftsspiele aus Holz, die den ganzen Charme der typischen "Estaminets" ausmachen, stellt der bärtige junge Schreiner Stéphane Dhenin in dem Avenois-Ort Felleries her.

Dhenin sucht sich selbst rund um das Dorf in der recht waldreichen Gegend geeignetes Holz für seine Arbeit aus. Dazu zählen Äste vom Apfelbaum für das Kinderspielzeug, das er auch produziert, oder das Pappelholz für die großen Spielenarren nicht nur in den zahlreichen "Estaminets".

Muriel und Dominique Charpentier in dem Picardie-Dorf Thiescourt dagegen lassen zunächst einmal die Bienen für sich arbeiten. Die gut 350 Bienenstöcke ihrer "Miellerie de la Dirette" schaffen bis zu 15 Tonnen Honig Jahr für Jahr herbei.

In Zeiten verschärfter Konkurrenz reicht der klassische Honig, etwa aus Akazien-, Kastanien- oder Raps-Blüten gesogen, längst nicht mehr aus. "Wir müssen die Nischen suchen, etwas Spezielles anbieten, die Bienen also nicht nur auf die Lindenblüten in der Picardie ansetzen, sondern auch auf Buchweizen", erklären die Imker.

Wedelnde Begrüßung

Jetzt drängt sich wirklich eine Stärkung auf, für die Annie Frémaux bravourös sorgt. Auf ihrer "Ferme des 3 Bouleaux" (Bauernhof der drei Birken) in Montreuil-sur-Brêche tischt die Präsidentin des Tourismusverbandes "Willkommen auf dem Bauernhof" so viel auf, das sich der Tisch unter leckeren Regionalprodukten zu biegen scheint.

Während der freundliche Labrador "Vanille" die Gäste wedelnd begrüßt und ein Kaminfeuer es dem Besucher noch gemütlicher macht, laden Entenbrustfilets und Quiches, Kaninchen-Terrine und schmackhafter Quark dazu ein, weggeputzt zu werden.

"Es ist alles hausgemacht, wir gehen dabei mit der Saison und dem, was unsere Region für die Küche bietet", sagt Annie Frémaux, während sie noch warmen Apfelkuchen bringt und den im Ofen überbackenen Tomme-Käse.

Rosenstöcke und Strohlehmwände

Nach einem kurzen Abstecher in das mittelalterliche Gerberoy, das mit seinen unzähligen Rosenstöcken an den Strohlehmwänden zu den "101 schönsten Dörfern Frankreichs" gehört, taucht kurz vor Paris dann die wuchtige Architektur des bekannten Schlosses Chantilly auf, mit seiner von André Le Nôtre für den Grafen Condé entworfenen riesigen Parkanlage.

Richtig, das Geheimnis der angeblich hier zwischen Fasanengehege, den romantischen Parkbrücken und blumengeschmückten Küchengärten "erfundenen" Chantilly-Schlagsahne muss noch gelüftet werden.

Oder besser doch nicht, denn bei dem äußerst lohnenden Schlossbesuch erfährt sowieso jeder, warum Ludwig XIV. die feine Sahne des Kochs Vatel "Crème Chantilly" genannt hat.

Und das Rezept dazu steht auf den Servietten des Schloss-Restaurants "La Capitainerie". Die sollte man sich auf dieser Schlemmertour also aufheben und nicht umbinden.

Informationen: Maison de la France, Postfach 100128, 60001 Frankfurt (Tel.: 0190 / 57 00 25, Fax: 0190 / 59 90 61 für 62 Cent/Min, E-Mail: info.de@franceguide.com, Internet: www.franceguide.com).

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