Reiseziel Mexiko:Drogenkrieg im Urlaubsparadies

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In Mexiko werden die brutalen Bandenkämpfe zur Bedrohung für Touristen, die USA geben erstmals Reisewarnungen aus.

Peter Burghardt

Acapulco ist immer noch beliebt, obwohl die mexikanische Hafenstadt schon deutlich bessere Zeiten gesehen hat. Von den Fünfziger Jahren an galt der Urlaubsort als exklusivste Ferienadresse des Landes, ehe Cancún an der Karibik vorbeizog. Vor allem US-Amerikaner waren und sind begeistert von den Buchten und Steilküsten mit ihren Klippenspringern, die sich von La Quebrada aus 35 Metern Höhe in den Pazifik stürzen.

Frank Sinatra gab sich die Ehre und Rita Hayworth; Elvis Presley machte in einem Film namens "Fun in Acapulco" mit. Zu den berühmtesten Bewohnern des einstigen Jetset-Treffs zählte der Schwimmer, Jodler und Lianenfreund Johnny Weißmüller, der 1984 in Acapulco starb und standesgemäß mit einem Dschungelschrei beerdigt wurde. Am vergangenen Wochenende nun wurden wieder 135.000 Besucher gezählt - und 32 Tote.

Zwei Leichen fanden sich am frühen Morgen nahe des Mirador de las Brisas, einer touristischen Gegend. Die Körper waren geköpft, gefesselt und wiesen Spuren von Folter auf. Weitere Opfer registrierten die Behörden im Stadtgebiet sowie nebenan in Tres Palos und Tuncingo. Eine Kugel traf eine Frau in einem Taxi in den Kopf. Im gesamten Bundesstaat Guerrero wurden binnen 48 Stunden 43 tödliche Gewalttaten gezählt, fast alle davon stehen offenbar in Zusammenhang mit den Gefechten rivalisierender Drogenbanden.

Laut der Zeitung El Universal bekämpfen sich in dieser Gegend Kartelle wie die von Sinaloa, Los Zetas und La Familia, die sogenannte "Familie" aus der benachbarten Region Michoacán. Landesweit hat das seriöse Blatt seit dem 1. Januar bereits 2049 Rauschgiftmorde gezählt. Mehr als 18 000 Bluttaten sind es seit dem Amtsantritt von Präsident Felipe Calderón 2006.

Das macht allmählich auch die Urlaubsindustrie nervös, denn der Krieg ereignet sich in einem der populärsten Ziele der Welt. Mexiko mit seinen wunderbaren Kolonialstädten, Ruinen, Stränden, Schluchten und Wäldern empfängt jährlich an die 20 Millionen Gäste, wobei die Zahlen laut einer Studie des Tourismusministeriums nach 1996 leicht zurück gegangen sind.

Vor einem Jahr wurde die Nation von der Schweinegrippenhysterie heimgesucht, zum Epizentrum erklärte sich ein Kaff mit Namen La Gloria und seinen Schweinefarmen nahe Veracruz. Damals blieben Flugzeuge und Busse plötzlich leer - selbst der Moloch Mexiko-Stadt verkam tagelang zur Geisterstadt, und die Mayastätten von Chichén Itzá oder Tulúm wurden vorübergehend geschlossen. Jetzt nagt die Schlacht um Märkte und Wege für Kokain, Marihuana und Pillen am Image, besonders im Norden.

Aus Washington kamen gerade Reisewarnungen für das blutige Grenzgebiet, wo zuletzt auch US-Bürger in das Gefecht gerieten. Eine Angestellte des amerikanischen Konsulats von Ciudad Juráez und ihr Mann sowie der Partner einer Kollegin wurden am Samstag in ihren Autos erschossen, Kinder saßen auf dem Rücksitz. US-Präsident Barack Obama sprach von "brutalen Morden", rief diplomatisches Personal zurück und versprach den Landsleuten Schutz.

Das FBI und die Antidrogeneinheit DEA wollen in der südlichen Nachbarschaft tätig werden. Der mexikanische Armeeeinsatz habe nichts geholfen, klagt Obamas Sicherheitsbeauftragte Janet Napolitano. Mexikos Staatschef Calderón kontert, das sei "ein binationales Problem, das gemeinsame Ursachen hat" - die USA sind der wichtigste Abnehmer für Rauschmittel aus Mexiko.

In Ciudad Juárez gegenüber von El Paso gab es im vergangenen Jahr 2600 Drogenmorde und in diesem Jahr schon mehr als 500, obwohl Staatschef Calderón 10 000 Soldaten und Polizisten schickte. Da verzichten viele Mexikofreunde in San Diego oder Los Angeles auf Ausflüge nach Tijuana.

Das Grauen hat auch sonst so beschauliche Plätze wie Morelia, Oaxaca oder eben Acapulco erreicht, doch bekommen die meisten Touristen davon wenig mit. Das Auswärtige Amt in Berlin weist zwar darauf hin, "die Kriminalität stellt in Mexiko ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar", und erwähnt besonders die nördlichen Bundesstaaten, rät aber keineswegs von Mexiko ab.

Nach den Empfehlungen der Bundesregierung und Hinweisen aus Mexiko richtet sich auch der Reiseveranstalter TUI, der sein mexikanisches Kerngeschäft auf der Halbinsel Yucatan hat. "Alles ist ruhig, und unsere Gäste sind wohlauf", berichtet Sprecherin Romana Voet. Stornierungen gebe es keine, auch nicht in Acapulco.

Dort waren die Hotels am langen Wochenende trotz allem voll, die Einnahmen lagen bei mehr als 20 Millionen Euro. Acapulco, verspricht die regionale Staatsanwaltschaft, "wird sich nicht in eine Kopie von Ciudad Juarez verwandeln."

© SZ vom 18.3.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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