Plastikfreies Hotel:Stilles Wasser

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Ein Hotel in der Millionenstadt Bangkok versucht, ohne Einwegplastik auszukommen. Die Mitarbeiter sind Pioniere in Asien.

Von Monika Maier-Albang

Joghurt im Glas, Essen in der Pinto-Box: In Asien, wo man Plastik noch liebt, ist das eine Revolution. Die Chefköchin Sutthaporn Chulavachana hat sie mit angezettelt. (Foto: Monika Maier-Albang)

Sieht gut aus, der Drink. Ein feines Gelb, das mit der Minze kontrastiert, im gecrushten Eis steckt ein silberfarbener Strohhalm. Ein kräftiger Zug - nichts passiert. Die Samen der Passionsfrucht, die im Cocktail schwimmen, sind zu dick für den Alu-Halm.

Wie hatte Thomas Singenberger noch gesagt? Alles "work in progress". Singenberger, ein Schweizer, leitet das laut Selbstdarstellung erste Hotel Asiens, das ohne Einwegplastik auskommen möchte. Die Strohhalme sind ein Mosaikstein, ein wichtiger. Man glaube gar nicht, sagt der Direktor, wie viele kleine Plastikteile sich im Hotelalltag zum Abfallberg ansammeln: Duschhauben, Einweghandschuhe, Shampoo-Fläschchen, die Mülltüten in den Abfalleimern - und erst die Küche! Zehn Rollen Plastikfolie pro Tag habe sie in dem Hotel benötigt, in dem sie zuvor war, sagt Sutthaporn Chulavachana, Singenbergers Chefköchin. Jedes Obst, das zur Begrüßung aufs Zimmer gestellt wurde, bekam ein Plastikhäubchen. Vor allem die japanischen Gäste legen Wert darauf; Obst ist für sie nur sauber und frisch, wenn es unter Plastik daherkommt.

Im Akyra Sukhumvit in Bangkok wollen sie es anders machen. Kein Plastik kommt übers Obst - es wird nichts vorgeschnitten, die Schale bleibt dran, bis der Gast selbst zum Messer greift. Also ist es frisch. Für Essen, das sich Gäste aufs Zimmer bringen lassen, haben sie Lunch-Stapelboxen angeschafft. Optisch sind die Pinto-Boxen etwas getunt: weißes Emaille anstelle des traditionellen Alu-Designs. Man ist ja in einem Boutique-hotel mit 50 Zimmern und neun Suiten. Und muss sich unterscheiden von den Klötzen drumherum, bei denen morgens um halb acht die Busse in Dreierreihen vorfahren, um die chinesischen Gäste zum nächsten Ziel der Asientour zu befördern. Im Akyra Sukhumvit haben sie kaum Gruppen, es kommen Paare, Geschäftsleute, vor allem asiatische Gäste bislang, aber jetzt, wo der sich zum Gastbereich hin öffnende Pool auf der Dachterrasse fertig ist, in dem man sich fühlen kann wie ein Pinguin im Schauaquarium, laufe auch das Europageschäft an, sagt Singenberger.

Gute Aussichten: Die Dachterrasse im Akyra Sukhumvit. (Foto: akyra Sukhumvit Bangkok)

Im Juni 2018 hat das Hotel eröffnet. Es liegt gleich neben dem "German Restaurant Bei Otto" im Viertel Khlong Toei, an einer Soi, einer Seitenstraße der verrückten Sukhumvit Road, die aus der Stadt heraus bis zur kambodschanischen Grenze verläuft und als längste Straße Thailands gilt. Über ihren innerstädtischen Teil schieben sich an vielen Tagen und Nächten die Autos im Schritttempo, dazwischen versuchen Motorradfahrer und Tuk-Tuks voranzukommen. Normaler Bangkok-Wahnsinn. Von der Dachterrasse aus blickt man auf Hochhäuser, Einkaufszentren, den Skytrain. Bald soll es hier Lachs und Pastrami-Rindfleisch aus dem hauseigenen Räucherofen geben. Was man nicht sieht, sind die Bars und Clubs, das Rotlichtviertel Soi Cowboy, das auch viele Gäste attraktiv finden.

Vor allem Gäste aus Japan wollen ihr Obst unter einer Plastikfolie aufs Zimmer gebracht bekommen. Das Hotel aber geht hier einen anderen Weg. (Foto: Monika Maier-Albang)

Auch den Plastikverzicht sieht man dem Hotel nicht auf den ersten Blick an. Fast so, als wolle die Akyra-Gruppe, für die das Sukhumvit das vierte Hotel in Thailand ist, gar keine besondere Klientel damit anlocken. Die Umweltfreundlichkeit ist eher etwas, das der Gast on top erhält. Sie kommt leise daher. So wie die stilvollen Wasserspender in den Gängen. Zitronenschalen im Wasser. Daneben die Alu-Nachfüllflaschen, die man an der Rezeption kaufen kann, sie liegen gleich neben den Badehosen aus Recycling-Plastik. "Wir zeigen unseren Gästen einfach, dass wir mit der Zeit gehen", sagt Singenberger. Nur: So einfach, wie's klingt, ist die Umsetzung gar nicht.

Die Produkte zu finden, die das Plastik ersetzen können, das sei mühsam, sagt Singenberger. Die Zahnbürste aus Maisstärke: geordert in China. Ebenso Kamm und Duschhaube. Die Alu-Strohhalme sind schon vom zweiten Anbieter. "An den ersten hat man die Zahnabdrücke gesehen." 40 Baht, etwa einen Euro, kostet so ein Alu-Halm. Für einen Strohhalm, rechnet Singenberger vor, würde er nur 0,1 Baht veranschlagen müssen. Wobei die Alu-Halme natürlich länger halten. Aber auch arbeitsintensiv sind: Sie werden mit Spezialbürsten zunächst von Hand gesäubert, kommen dann in einen Sterilisator. Alternativ gibt es zu manchen Drinks Halme aus Bambus. Oder solche aus PLA, Polylactiden, einer Verbindung aus Milchsäuremolekülen. Diesen Strohhalmen merkt man gar nicht an, dass sie nicht aus Plastik sind. Und die Maracujakerne flutschen auch prima hindurch. Von manchem sind sie schon wieder abgekommen. Die Mülleimer im Bad ganz ohne Tüte, das sei für die Putzkräfte zu viel Aufwand, sagt Singenberger. Also nehmen sie jetzt abbaubare Tüten. In der Küche versucht Sutthaporn Chulavachana, schon beim Einkauf möglichst auf Plastik zu verzichten. "Nicht leicht", sagt sie, das Einkaufen im Supermarkt scheide da von selbst aus. Der Viererpack Joghurt ist noch mal von Plastik umhüllt. Plastik gilt in Thailand weithin noch immer als modern.

Chulavachana macht den Joghurt jetzt selbst, im Glas. Sieht gut aus, spart Verpackung. "Wir sind hier doch vor 40 Jahren auch ohne Plastik ausgekommen." Und jetzt? "Experimentieren wir halt. Wir haben ständig neue Ideen, was wir noch einsparen könnten." Auf dem Dach, gleich neben dem Hausaltar, auf den kein Hotel verzichten würde, haben sich wilde Bienen angesiedelt. In der Tradition der Thais verspricht das Glück.

Akyra Sukhumvit, Doppelzimmer mit Frühstück ab 80 Euro, www.theakyra.com

© SZ vom 20.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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