Neuseelands Feste:Kiwianische Kostümierung

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Mit Bienenstöcken als Büstenhalter oder Rentiergeweih auf dem Haupt - ohne Verkleidung geht bei Kiwis kein Fest über die Bühne.

Anke Richter

Meine erste Anschaffung als Neuankömmling in Christchurch waren Netzstrümpfe und falsche Wimpern. Später kam noch eine weißblonde Perücke dazu. Nein, ich war im Zuge der Immigration nicht ins Rotlicht-Milieu gewechselt. Ich war zu einem Ärzte-Jubiläum eingeladen. Und das stand, wie fortan jede Geburtstagsparty oder Betriebsfeier, unter einem Motto.

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Ob "Hollywood", "70er Jahre", "Superstar" oder "Schwarz/Weiß" - kein Fest, das in Neuseeland nicht ohne Kostümzwang über die Bühne geht. Das macht erfinderisch.

Suzie Monkrieff, Bildhauerin aus Nelson, hat den nationalen Hang zum Verkleiden schon vor 20 Jahren zu dreidimensionaler Kunst gemacht: Jeden September steigt in Wellington die "World or Wearable Art". Kostümbildner und Kunsthandwerker aus aller Welt schicken Monkrieff ihre Kreationen, die daraus mit Akrobaten, Models und Musikern ein abendfüllendes Show-Spektakel kreiert.

Das Ergebnis kann sich mit dem "Cirque du Soleil" messen, hat aber immer einen unverwechselbaren Kiwi-Touch: Wo sonst werden Flachsbüsche zu wogenden Ballroben oder ein Bienenstock - als Hommage an Wellingtons Regierungsgebäude, den "Beehive" - zum überdimensionalen Büstenhalter?

Ja, es ist alles etwas anders am anderen Ende der Welt. Besonders um die Weihnachtszeit, wenn so gar nichts an die gewohnten Bräuche erinnert. Adventskalender? Plätzchen backen? Besinnlichkeit? Fehlanzeige.

Den gesamten Dezember hindurch knallen die Sektkorken: Jede Firma, Abteilung oder Freundesrunde lädt zum obligatorischen "Christmas Drink". Und auch da muss die Verkleidung stimmen.

Bevorzugt: Rentier-Geweih aus Pailletten mit blinkenden Tannenbaum-Ohrringen zum Kleinen Schwarzen. Wobei das wirklich klein ausfällt, denn die Temperaturen steigen.

Heilig Abend ist meist schönster Sommer-Abend, und damit erübrigt sich der Kerzenzauber am Weihnachtsbaum. Der steht übrigens schon zwei Wochen zuvor im Haus, die verpackten Geschenke dekorativ darunter. Ausgepackt wird dann, ganz englische Sitte, am 25. Dezember.

Nach einem feuchtfröhlichen Lunch geht es mit der Großfamilie an den Strand. Die neuseeländische Version des Klassikers "Jingle Bells" ist daher um eine Kühlbox ergänzt, die im klapperigen Kombi samt Kindern Richtung Meer kutschiert wird - Santas Schlittenfahrt auf kiwianisch.

Ein antipodischer Winter kann lang sein, da er weder durch Weihnachten noch Silvester-Böller aufgelockert wird. Umso dankbarer muss man in der kalten Jahreszeit den Maori für ihren Kultur-Zuschuss sein: Matariki heißt der Jahreswechsel der Ureinwohner, der das Erscheinen des Siebengestirns am südlichen Himmel zelebriert.

Das Maori-Silvester ist erst seit wenigen Jahren wiederbelebt worden, zieht sich durch den gesamten Juni und bietet eine Bandbreite von bester Unterhaltung bis Besinnung: Dance Partys, Essen aus dem Erdofen, Ausstellungen, Workshops, Gala-Dinner, Leuchtfeuer - fast jede Stadt oder Einrichtung hat einen interessanten Matariki-Knaller im Angebot.

Mein persönlicher Favorit im Kiwi-Kalender ist jedoch das "Wildfoods Festival" in Hokitika. An der wilden Westküste, wo sich Meer, Gletscher und Regenwald berühren, trifft sich an einem Samstag im März alles, was robuste Mägen hat.

Larven vom Grill, Schafshoden, Fischaugen, Wurm-Sushi und für die ganz Harten ein Schuß Bullen-Sperma im Likör - das kulinarische Angebot reicht von bizarrer Hinterwäldler-Cuisine bis zu frischen Austern. Natürlich wird die Mode dem Essen angepasst. Die schönste Verkleidung, die ich beim "Wildfoods Festival" je sah, war eine Dame in Strohhut, Blumenkleid und Gummistiefeln. Hinten baumelte ein Opossum-Schwanz.

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