Mount Everest:Letzte Ruhe vor dem Ziel

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Die Leiche des sehbehinderten deutschen Bergsteigers, der kurz unterhalb des Gipfels umkam, wird vermutlich auf dem Berg bleiben. Sein Expeditions-Leiter hat das dramatische Ende aufgeschrieben.

Eine Bergung der Leiche sei extrem schwierig und riskant, sagte Dawa Sherpa vom nepalesischen Veranstalter der Expedition, Asian Trekking, in Kathmandu.

Mount Everest
:Berg voller Rekorde und Tragödien

Der Mount Everest ist der höchste Berg der Welt und treibt viele zu Höchstleistungen an. Aber die Bezwingung eines Mythos aus Fels und Eis birgt viele Gefahren.

Der Deutsche Thomas Weber sei möglicherweise an einem Blutsturz oder einem Schlaganfall gestorben, schreibt der Leiter der Expedition, der Niederländer Harry Kikstra, in einem Online-Bericht. Weber (41) habe mit seiner Besteigung des höchsten Berges der Welt um Spenden für ein Hilfsprojekt für Sehbehinderte werben wollen.

Man liest unendliche Verzweiflung aus den Worten, die Kikstra in der Nacht zu Samstag in seinem dunklen Zelt auf 5200 Metern aufschreibt: Detailliert berichtet der Expeditionsleiter über den Aufstieg Webers unter seiner Führung - und über das dramatische Ende des spektakulären Versuchs kurz vor dem Ziel. Am Mittwoch erreicht die kleine Gruppe aus Kikstra, Weber und den beiden nepalesischen Sherpas ihr letztes Lager unterhalb des Gipfels auf der tibetischen Seite des Berges. Sie sind jetzt auf 8300 Meter Höhe, weniger als 500 Höhenmeter trennen Weber von der Erfüllung seines Traums.

Weber hat seit einigen Jahren ein Augenleiden, in höheren Lagen schwindet seine Sehfähigkeit. Doch auf 8300 Metern sagt der in Stuttgart geborene Bergenthusiast, der zuletzt in Abu Dhabi wohnte, es gehe ihm gut, er freue sich auf die letzte Etappe, schreibt Kikstra. "Er wollte Menschen mit einer Behinderung inspirieren, und er war zuversichtlich, dass der Gipfeltag ein Erfolg würde." Danach sieht zunächst auch alles aus.

Ein Loch in der Sauerstoffmaske

Um Mitternacht bricht die Expedition auf - die Bedingungen scheinen perfekt zu sein. "Es war absolut still draußen, kein Wind!" schreibt der Teamleiter. Der Aufstieg beginnt, kurz darauf kommen die Männer an zwei Leichen vorbei. Einer der Bergsteiger ist erst vor kurzem hier umgekommen, der zweite ist "ein indischer Bergsteiger, der vor Jahren starb, aber immer noch in der Embryostellung hier sitzt, seine grünen Plastikstiefel zeigen direkt auf den Weg", so beschreibt es der Niederländer.

Um 06.00 Uhr geht die Sonne auf, Webers Sehfähigkeit lässt langsam nach, er kann jetzt nur noch Umrisse erkennen, doch zunächst braucht der Deutsche noch keine Hilfe. Doch dann läuft Weber direkt auf den Abgrund zu - einen Meter zuvor ziehen Kikstra und ein Sherpa das Seil stramm und halten den Deutschen zurück. Grund für die Verwirrung ist ein Loch in der Sauerstoffmaske Webers, die ausgetauscht wird. Weber wird wieder klar im Kopf - allerdings nur vorübergehend.

Keine Reaktion auf Anweisungen

Nur 20 bis 40 Minuten Aufstieg vom Gipfel entfernt sagt Weber auf Kikstras Frage, was er noch sehen könne: "Gar nichts." "Das war nicht überraschend, und mit drei Führern hätten wir ihn die letzten 50 Höhenmeter zum Gipfel führen können", schreibt Kikstra. Doch dann wirkte Weber plötzlich "total erschöpft und unausgeglichen", und er hörte nicht mehr auf Anweisungen. Unter diesen Umständen sei die letzte Wegstrecke zu riskant, entscheidet Kikstra - er bricht den Aufstieg ab.

Drei Stunden lang steigen die Männer ab, dann will einer der Sherpa Webers Sauerstoffflasche wechseln, berichtet Kikstra. "Thomas - er stand nur vier Meter von mir entfernt - schaute mich völlig panisch an und sagte mir mitten ins Gesicht: "Ich sterbe"", schreibt Kikstra. "Bevor ich etwas antworten oder überhaupt etwas sagen konnte, schloss er seine Augen, brach auf der Stelle zusammen und begann abzurutschen." Gemeinsam mit einem anderen Bergführer arbeitet sich Kikstra mühsam zu dem bewegungslosen Weber vor, sie suchen nach Puls, Atem oder anderen Lebenszeichen. Sie finden keine.

Verzweifelt steigt Kikstra ab, "jeder Felsen sah nach einer Leiche aus", erinnert er sich. Vor der Expedition hatte Weber im Internet über sich geschrieben, selbstbewusst schaut der Bergsteiger auf dem Foto in die Kamera. Als sein Motto gibt er dort aus: "Glaube an dich selber, gehe die Herausforderung an, und alles ist möglich.".

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